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„E...Eomma?" flüstere ich. „Was machst du hier?"

„Freust du dich kein bisschen mich zu sehen?" Die Stimme meiner Mutter klingt erschöpft. Sie ist alt geworden. Die Zeit ist nicht spurlos an ihr vorbeigezogen.

Graue Strähnen lassen sich in ihrem Haar erkennen. Auch die vielen AntiFaltencremes haben in ihrer Wirkung nachgelassen.

„Kind. Ich bin hier, damit du endlich aufwachst. Du kannst so nicht weitermachen."
„Was meinst du? Mein Leben ist in Ordnung. Auch ohne euch."

Eine Träne rinnt an ihren faltigen Wangen herab. „Wo ist überhaupt Appa?"
„Er hat es nicht mehr ertragen zu sehen, wie du jeden Tag dein Leben wegwirfst."
„Was meinst du damit?" frage ich geschockt.



„Du hast dein gesamtes Leben nur für ihn gelebt. Taehyung, versteh doch endlich! Jungkook ist tot. Er starb bei dem Unfall. Er hat nicht überlebt. Hör endlich auf, so zu tun, als würde er noch leben!"

Entsetzt wanke ich ein paar Schritte zurück. „Wie kannst du es wagen, so etwas zu behaupten? Ihr wart nie für ihn da. Habt euch nie um ihn gekümmert. Habt alle Arbeit an mir hängen lassen.
Wer hat damals im Krankenhaus seine Hand gehalten? Das war ich!
Wer hat ihm das Laufen beigebracht? Das war ich!
Wer hat ihn tagtäglich gefüttert? Auch das war ich!
Wer hat ihm Kleider gekauft, Spielsachen gekauft?
Wer hat ihm jeden Abend Gutenachtgeschichten vorgelesen? Auch das war ich."
Ich schrei meine Wut und Verzweiflung heraus.

„Wie kannst du dir das Recht nehmen, seine Existenz in Frage zu stellen? Du nennst dich Mutter, doch ich habe ihn erzogen. Ihn gewaschen, gefüttert, getröstet, mit ihm gelacht, mit ihm geweint. Das geht weit über Geschwisterliebe hinaus. All das wäre eure Aufgabe gewesen, und jetzt kommst du, um mir zu sagen, das wäre alles nicht echt?"

„Taehyung." fängt sie an.
„Euren Taehyung gibt es nicht mehr! Ich war immer alleine.
Wo wart ihr, als ich mir den Arm gebrochen hatte? Die Krankenschwester hat sich um mich gekümmert.
Wo wart ihr, als Jungkook eingeschult wurde?
Wo wart ihr, als mir dieses Weib das Herz gebrochen hat?
Wo war eure trostspendende Hand?
Eure heilende Nähe.
Eure gefühlvollen Worte.
Wo waren sie, als ich und Jungkoon sie gebraucht haben? Von den ganzen Versammlungen, die ihr versäumt habt, ganz zu schweigen."

„Taehyung, versteh doch. Wir haben das alles für dich getan. Wir haben gehofft, dass du irgendwann selber einsiehst, wie lächerlich all das ist. Wir haben jeden Tag an dich gedacht, haben gehofft, gebetet. Wir dachten, wenn du alles bekommst, was du für Jungkook bräuchtest, wenn er noch leben würde, würdest du erkennen, wie unwirklich das ist. Dass es nicht möglich ist. Du bist nie darüber hinweggekommen, dass Jungkook damals bei dem Unfall starb. Du hast dir die Schuld gegeben. Dachtest immer, du hättest es verhindern können. Doch Jungkook ist von selbst auf die Strasse gerannt. Er war blind, er wusste nicht, wo er hinging.
Er verletzte sich dauernd.
Er war sehr lebhaft, weisst du?
Er ist durchs Haus getobt und hat sich des Öfteren sehr wehgetan. Du hast viele Nächte geweint. Warst wochenlang nicht fähig, zur Schule zu gehen. Aber dann, eines Tages, warst du wieder glücklich. Einfach so. Wir haben gedacht, du hättest den Schmerz überwunden, doch wir lagen falsch."

„Das, das kann nicht sein." flüstere ich.




Plötzlich erscheint Jungkook im Wohnzimmer. Ein anscheinend metallischer Gegenstand blitzt in seiner Hand auf. Er legt einen Finger auf die Lippen und schaut mich mit seinen toten Augen an. „Schhh, sei leise, Bruderherz."

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Das ist das Ende.

Ich hoffe die Geschichte hat euch gefallen♡

Es wird aber noch ein Teil geben der alles noch etwas aufklären wird.

BruderherzWhere stories live. Discover now