Kapitel 51

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Die Musik dröhnte in meinen Ohren. Ich spürte, wie der Bass vibrierte. Überall waren Teenager, die schrien, weil sie betrunken waren, zur Musik tanzten und mitsangen oder sich gegenseitig bei Trinkspielen anfeuerten. Mädels stritten sich um Typen und Typen stritten sich um Mädels. Überall waren die typischen roten Partybecher zu sehen. Ob in der Hand eines Gastes, auf Tischen, in irgendwelchen Ecken oder einfach auf dem Boden verteilt. Ich saß auf einer Couch, eingequetscht zwischen einem Paar, das Miteinander rummachte als wären sie alleine in ihrem Schlafzimmer und einem Typen, der so stoned war, dass ich es nicht mehr in Worte fassen konnte.  Ich wartete auf Nils, der mir etwas zu trinken bringen wollte. Das war schon zwanzig Minuten her und er war noch immer nicht zurück. Langsam wurde ich ungeduldig und war genervt. Hatte er mich wirklich auf diese Party geschleppt, um mich dann alleine zu lassen und mit irgendwelchen anderen Leuten Spaß zu haben? Da hätte ich auch direkt zu Hause bleiben können. Gerade als ich aufstehen und mich auf den Weg nach Hause machen wollte, kam er mit seinem besten Freund Tim an. Ich kannte Tim schon seit der Grundschule, hatte aber nie ein Wort mit ihm gewechselt. Nils hatte seinen linken Arm um Tims Schulter gelegt und hielt in beiden Händen jeweils einen Drink. Er grinste mich breit an. "Anaaaa!", schrie er über die laute Musik. "Hier, dein Drink. Ich hoffe, er schmeckt dir." Er reichte mir den Drink und ich bedankte mich bei ihm. "Du kennst doch Tim, oder?", fragte er mich und schaute dann zu Tim. Ich nickte. "Hey, freut mich, dich persönlich kennenzulernen.", sagte ich lächelnd und gab Tim meine Hand. Er nahm sie in seine und lächelte zurück. "Mich freut es auch. Nils redet ständig über dich. Jetzt kann ich mir endlich selbst mal ein Bild davon machen, ob du wirklich so cool bist, wie er immer erzählt." Nils schlug ihm auf die Brust. "Hey! Das stimmt gar nicht.", er wendete sich mir zu, "Ana, ich rede gar nicht ständig über dich. Er labert nur Müll."
Ich nickte mit dem Kopf, aber glaubte ihm kein Wort. Ich fühlte mich geschmeichelt. Er schwärmte also über mich und erzählte, dass ich cool sei, wenn ich nicht dabei war. Süß!
Ich schüttelte meinen Kopf, um meine Gedanken loszuwerden. Ich konnte nicht von Nils schwärmen. Er war mein Freund.
Tim lachte. "Alles gut?", fragte er amüsiert.
"Ja. Ich muss nur mal kurz raus. Das wird mir zu heiß hier drin.", antwortete ich.
„Ich komme mit!", verkündete Nils. Er löste sich von Tim und lief mir hinterher. Draußen angekommen schnappte ich erstmal tief nach Luft. Das Gras von dem Typen auf der Couch hat mir ganz schön zugetan. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie manche sowas regelmäßig rauchen konnten. Es stinkt!

"Wo hast du Tim gelassen?", fragte ich Nils. Er zuckte nur mit den Schultern und grinste mich an. Ich verdrehte die Augen. "Du kannst ihn nicht einfach alleine lassen, weißt du?" "Ach, der kommt schon klar. Er kennt doch jeden da drin. Die sind froh, wenn er zu ihnen geht. Ich halte mich lieber da raus." Ich musterte Nils. Er war schon leicht angetrunken und am Dauergrinsen. "Dich kümmert dieser ganze Kram ums Footballteam und beliebt sein wirklich nicht, oder?", fragte ich ihn vorsichtig. Ich wusste nicht wieso, aber ich wollte ihm schon lange diese Frage stellen und irgendwie traute ich mich nun zum ersten Mal. Es war für mich einfach so erstaunlich, wie jemand wie Nils nichts auf dieses Beliebtheitsding in der High School gab. Er sah gut aus, er war im Footballteam und er war der beste Freund unseres Quarterbacks - Tim. Trotzdem flirtete er nicht mit allen Mädels hier und ließ den Macho raushängen. Trotzdem unterhielt er sich mit so unsichtbaren Mädchen wie mir. Trotzdem war er immer zu allen nett. Trotzdem hatte er gute Noten in der Schule und versuchte auch, diese aufrechtzuerhalten. Trotzdem war er ein kleiner, alberner Volltrottel. Ich verstand es nicht. Die meisten in seiner Haut würden sich ganz anders benehmen. Und er. Er war einfach so natürlich. "Nein, ich gebe nichts darauf.", unterbrach er meinen Gedankengang, "Weißt du, Ana, es gibt weitaus wichtigere Dinge im Leben als beliebt zu sein. Was bringt es mir, wenn ich es raushängen lasse, dass ich im Footballteam bin und dass ich mit Tim befreundet bin? Wenn wir nächstes Jahr alle auf ganz unterschiedliche Colleges weit über's Land verteilt gehen, werden wir uns eh alle aus den Augen verlieren und keinen wird es mehr interessieren, dass ich Football gespielt habe oder dass ich mich immer auf irgendwelchen Partys abgeschossen habe - was ich nicht tue, aber angenommen, ich würde es tun. Ich will einfach einen guten Abschluss schaffen und studieren und einen guten Job bekommen. Das ist für mich wichtig und nicht diese Partys hier, obwohl die auch nicht schlecht sind.", beendete er seinen Satz mit einem Lachen. "Ich finde es wirklich toll, dass du so denkst. Du bist nicht so oberflächlich wie viele in unserer Stufe.", sagte ich. Er lächelte mich an und antwortete nichts. Als ich nach einigen Sekunden verlegen wurde, räusperte ich mich und fragte ihn: "Möchtest du eine Runde gehen? Irgendwohin, wo es ruhiger ist?" "Gerne, aber vorher besorge ich noch kurz etwas. Warte hier!", rief er und war schon halb im Haus. Ich wartete draußen auf der Veranda. Was wollte er denn jetzt noch holen? Meine Frage beantwortete sich wenige Minuten später als er mit einer Flasche Wein kam. Er schüttelte sie in seiner Hand, um mir zu demonstrieren, was er geholt hatte. Ich verdrehte lachend die Augen. Musste das wirklich sein? Konnten wir nicht einfach so ein bisschen laufen?

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Nils und ich bogen in irgendeine Seitenstraße ab. Ich wusste mittlerweile nicht mehr, wo wir waren und ich glaubte, Nils wusste es auch nicht. Wir liefen schon bestimmt seit einer halben Stunde durch irgendwelche Straßen. Ich kannte mich in der Gegend hier überhaupt nicht aus, da sie ein wenig weit von meinem Zuhause war. Die Weinflasche war fast leer. Auch wenn ich ursprünglich nicht trinken wollte, hatte mich Nils doch dazu überreden können. So kam es dazu, dass ich mittlerweile ziemlich angetrunken war und mit Nils über meine intimsten Geheimnisse sprach. Wir hatten angefangen ein Spiel zu spielen. 20 Fragen. Egal welcher Art. Man musste ehrlich antworten. Also wusste Nils nun, dass ich noch nie einen Freund hatte, Jungfrau war, mit zehn heimlich in den Nachbarsjungen verliebt war, der damals schon siebzehn war und mittlerweile ausgezogen war, um auf's College zu gehen, das er wahrscheinlich schon abgeschlossen hatte und dass ich Weingummi über alles liebte. Genauso wusste ich nun, dass Nils, ganz zu meinem Erstaunen, bisher nur eine feste Freundin hatte, etwas für Mädchen mit bunten Haaren übrig hatte (welche Ironie), in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und nur mit dem Football angefangen hat, weil Tim ihn dazu überredet hatte.

"Woran denkst du gerade?", fragte er mich nach einiger Zeit der Stille. Ich überlegte kurz. Woran dachte ich gerade? Ich dachte daran, was ich gerade dachte. Aber was dachte ich davor? "Nichts.", antwortete ich schlicht. Ich hatte wirklich über nichts nachgedacht. Ich genoss einfach den Spaziergang. Es war ruhig in der Gegend. Man konnte die Musik der Hausparty nicht mehr hören. Der Mond schien und erhellte die ganzen Straßen und alle waren in ihren Häusern, sodass es bis auf einige zirpende Grillen mucksmäuschenstill war. "Wow. Was ein Gedankenritt. Treib's nicht zu wild.", scherzte er. Ich schubste ihn leicht und er lachte nur. "Willst du zurück zur Party?", fragte er. "Ehrlich gesagt, nein. Ich finde es hier viel besser.", sagte ich zögernd. "Obwohl ich das sehr zu schätzen weiß und als Kompliment nehme, denke ich, dass es nicht schlecht wäre, auf die Party zu gehen, wenn wir auf einer Party sind.", sagte Nils grinsend. Dann bettelte er mich noch fünf Minuten lang an bis ich endlich nachgab. Also liefen wir wieder den ganzen Weg zurück zu der Party. Ich weiß nicht wie, aber er schaffte es tatsächlich, dass ich mit ihm tanzte. Ich merkte, wie der Alkohol sich langsam ausbreitete und mein Wahrnehmungsvermögen einschränkte. Ich hörte die Musik gedämpft und sah alles ein wenig verschwommen. Ich konzentrierte mich auf Nils' Gesicht und versuchte, zu tanzen ohne über meine eigenen Füße zu stolpern. Es machte eigentlich wirklich Spaß, einmal ganz locker und ohne Sorgen zu sein. Und so tanzte ich weiter und weiter bis tief in die Nacht hinein.

Love Triangle-Verliebt in den Freund meiner SchwesterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora