Die Party

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Für einen Moment stand ich blinzelnd im Eingang, geblendet von dem Reichtum und Prunk um mich herum. Vor mir tat sich eine völlig fremde Welt auf. Unzählige Männer in Anzügen und Frauen in Abendkleidern schwirrten durch die Räume, Champanger in der Hand und - bei den Frauen - teure Schmuckstücke an den Hälsen. Wer auch immer die Innenausstattung der Villa verantwortet hatte, hatte nur das Beste verwendet. Obwohl ich die letzten Jahre meines Lebens in einem Minimarkt verbracht hatte und wirklich keine Ahnung von solchen Sachen hatte, konnte sogar ich sehen, wie teuer die Möbelstücke um mich herum, wie auserlesen die schweren Ölgemälde an den Wänden und wie exklusiv selbst die Blumen auf den Tischen waren. Die Tapete hatte ein orientalisches Muster, das von Hand aufgemalt zu sein schien. Ich hatte Angst irgendwas anzufassen oder mich auch nur zu bewegen. 

Von irgendwo her hörte ich unaufdringliche Klassikmusik und das schrille Lachen einer Frau. 

"Hier. Nimm das."

Tom war neben mir aufgetaucht und hatte mir ein Glas Champanger in die Hand gedrückt. Ich trank es in einem Zug aus. Er lachte und lies seine Augen durch den Raum schweifen:

"Ist ein bisschen viel hier, oder?"

Ich schluckte den Champanger runter, der sich wie eine warme Decke über mich legte. 

"Kann man wohl sagen."

"Ging mir genauso, als ich das erste Mal bei so einem Event war. Stell dir die Leute einfach auf dem Klo vor."

Ich zog eine Grimasse als ein dicker, alter Mann an mir vorbei ging und mir dabei einen skeptischen, hochmütigen Blick zuwarf, als könnte er genau sehen, dass ich nicht in seine Welt gehörte.

"Lieber nicht."

"Warum gibst du mir nicht die Tour?"

"Hm?"

"Du kennst die Villa besser als die alle hier, Warburton wahrscheinlich eingeschlossen. Ich hab gesehen, wie du immer wieder über den Bauplänen gesessen hast."

Ich sah mich um, ob jemand Toms letzten Satz gehört hatte, aber keiner schenkte uns Beachtung. Der Champanger hatte mich ein wenig entspannt. Ich grinste:

"Was willst du zuerst sehen? Die Garage mit dem Porsche? Das Ankleidezimmer nur für Schuhe? Das Schlafzimmer für seine Bulldogge?"

"Alles!"

In der nächsten halben Stunde streunerten Tom und ich durch die endlosen Räume der Villa, vorbei an kleinen Gruppen von Gästen, die sprachen, ohne sich gegenseitig zuzuhören. Keiner warf auch nur einen zweiten Blick auf uns. Wir waren praktisch unsichtbar. 

Ich sah, wie Tom alles aufmerksam in sich aufnahm, von den schweren Riegeln vor den Fenstern, die eine Flucht daraus unmöglich machten, zu den Sicherheitskameras, die diskret in den Ecken der Räume platziert waren. Von den aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen - Kameras, Notlichter, Alarme - war es klar, dass Warburton nicht in der Villa lebte, sondern sie nur für seine Partys benutzte und um seine Sammlung an Musikstücken und Instrumenten zu zeigen. Zumindest konnte ich mir nicht vorstellen, wie er an einem Sonntagmorgen im Bademantel an den ganzen Kameras vorbei schluffte. 

Nach einer Weile kamen wir zu dem Herzstück der Party: in einem sonst dunklen Raum im hinteren Teil der Villa standen fünf Glasvitrinen, dramatisch erhellt von Scheinwerfern in der Decke. Ein Sicherheitsmann hatte sich unauffällig am Eingang zu dem Zimmer platziert. Tom gab ihm ein breites Lächeln, als er eintrat. 

In den Vitrinen links und rechts lagen antik aussehende Musikinstrumente und alte Bücher. Ich war mir sicher, dass sie alleine ein Vermögen wert waren, aber M. bezahlte uns nicht dafür sie zu stehlen, also interessierten sie mich nicht sonderlich. Trotzdem tat ich so, als würde ich sie mir genau ansehen, während ich gleichzeitig unauffällig checkte, wie viele Kameras in dem Raum waren. Es gab nur einen Ausgang. Tom und ich würden also an dem Sicherheitstypen vorbei müssen nachdem wir das Manuskript gestohlen hatten.

Charlie, die Einbrecher und der Diebstahl des JahrhundertsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt