Ein Ausweg

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Rosa begann zu rennen, so schnell ihre Verletzung es ihr erlaubte. Wir hasteten den Flur entlang, nur weg von den Schüssen, dem Geruch nach Blut, fast blind vor Angst und Panik. Schnell rissen wir die Türen links und rechts von uns auf, verzweifelt auf der Suche nach irgendetwas, das uns helfen würde hier rauszukommen.

Nichts.

Vor Frustration hätte ich am liebsten geschrien, als wir erneut eine Tür öffneten und auch dort die Fenster eine unnachgiebige Fläche aus Glas waren, die sich nicht öffnen ließ. Hinter uns kamen die Schreie näher. Hatten Warburtons Männer die Verfolgung aufgenommen? Oder Edavanes? Ich schätzte, es war egal, wer von beiden uns umbringen würde. Ich schrie und duckte mich, denn in dieser Sekunde grub sich eine Kugel nur Millimeter von meinem Kopf entfernt in die Wand. Gehetzt drehte ich mich um und sah, dass Ian nicht weit hinter uns war. Sein Blick zeigte mir, dass er nicht vorhatte, uns entkommen zulassen und wirklich – nur eine Sekunde später traf eine zweite Kugel die Wand dort, wo ich einen Augenblick vorher noch gestanden hatte. Blind rannte ich weiter den Flur entlang und fest überzeugt, dass mich eine Kugel zum Fallen bringen würde.

Und dann endlich: ein Ausweg. Na ja, zumindest eine Chance auf einen Ausweg. Rosa hatte eine Tür aufgerissen und wir fanden uns in Warburtons Schlafzimmer wieder. Ein Dachfenster war in die Decke eingelassen und eine Leiter führte nach oben. Das Fenster war schmal, eigentlich nicht mehr, als eine Luke, aber – und das war das Erste, das mir Hoffnung gab, dass wir doch nicht in der Villa sterben würden - es stand einen Spalt offen. Hastig schlossen wir die Tür hinter uns und Olivia und ich schoben ein schweres Sofa davor. Pyotr ließ Tom los.

„Kannst du klettern?", fragte er.

Tom nickte, aber ich sah, wie unsicher er auf den Beinen war. „Du zuerst", rief Rosa ihm zu und deutete dann auf mich und Olivia, „dann ihr. Schnell!"

Tom begann die Leiter hochzuklettern, langsamer, als es klug war. Ich hörte Schreie und Schüsse auf der anderen Seite der Tür.

„Charlie, komm schon!"

Ich löste meine Augen von der Tür und folgte Tom. Meine schweißnassen Hände rutschten immer wieder von dem Metall der Leiter ab, aber ich zwang mich weiterzuklettern und nicht mal eine Minute später fand ich mich auf dem flachen Dach der Villa neben Tom wieder. Wir ließen uns schwer auf den Boden fallen und für ein paar Augenblicke war ich vollkommen von dem Anblick des grauen Himmels über mir fasziniert. Gierig sog ich die kalte Luft ein. Es dauerte nicht lange, bis die anderen schwer atmend neben uns auftauchten. Pyotr zog die Leiter zu uns und verschloss das Fenster.

Unschlüssig sahen wir uns an. Wir waren vielleicht Edavanes und Warburtons Männern entkommen - für den Augenblick zumindest – aber dafür saßen wir jetzt hier oben fest.

Ich raffte mich auf, trat vorsichtig auf den Rand des Daches zu und blickte in die Tiefe. Keine Chance. Einen Sprung würden wir nicht überleben.

Pyotr lief wie ein eingesperrter Wolf auf und ab, sein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell.

„Was hast du dir dabei gedacht?", fuhr er Rosa schließlich mit mehr Wut in der Stimme an, als ich sogar bei ihm je gehört hatte.

Sie zuckte erschrocken zusammen, aber ich war überrascht zu sehen, dass sie nicht weniger wütend war.

„Was hätte ich machen sollen?", gab sie ungehalten zurück, „ich wusste, dass Warburton seinen Teil des Deals nicht einhalten würde."

„Und da marschierst du zu Edavane? Sie hätte dich umbringen können!"

Es kümmerte Pyotr offensichtlich nicht, wer ihn hören konnte, denn er bemühte sich nicht mal seine Stimme ruhig zu halten.

Charlie, die Einbrecher und der Diebstahl des JahrhundertsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt