- zweiundvierzig -

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Elijah zögert. Er guckt mich an, guckt auf sein Handy und dann wieder zu mir. Ich werfe ihm den herzerweichendsten Hundeblick zu, den ich in meinem Repertoire hab. Wie erwartet kann er diesem nicht Stand halten. Wenn ich eins in ausgeklügelter Perfektion beherrsche, dann Männer spielend leicht um den Finger zu wickeln.

Elijah zückt sein Handy und ruft seinen Bruder erneut an. Er teilt ihm mit, dass er ihn nicht abholen muss, weil er hier übernachtet. Ich kann deutlich hören, dass sein Bruder davon ganz und gar nicht begeistert ist. Er macht ihm lautstark eine Ansage, was Elijah gerade aber nur wenig interessiert. Er scheint ihm kaum zuzuhören. Irgendwann legt er entnervt auf und schaltet sein Handy auch direkt aus.

Er lässt sich zurück in die Kissen sinken und streicht sich mit seinen großen Händen durch sein Gesicht. Elijah hat ein richtiges Babyface. Seine großen braunen Teddyaugen, seine weichen Gesichtszüge und auch die Tatsache, dass er sich jegliche Bartstoppeln akribisch weg rasiert, lassen ihn viel jünger wirken, als er eigentlich ist.

Kommentarlos fülle ich unsere Gläser erneut mit einer Vodka-Cola-Mischung und reiche Elijah sein aufgefülltes Glas. Er nimmt es dankbar und trinkt davon.

Mir kommt die Situation vor wie ein Deja-Vu und wenn ich die Vodka-Flasche so betrachte, in der maximal noch 100ml der klaren Flüssigkeit enthalten sind, weiß ich auch wieso. Wir haben definitiv zu schnell zu viel getrunken und dass mir das nicht malaufgefallen ist erschreckt mich in diesem Moment schon ein wenig.

Ich entscheide mich deshalb, vor allem in weiser Voraussicht und dem Wunsch, den morgigen Tag auch noch zu er- und zu überleben, mal ein Glas Wasser zu trinken. Ich stehe auf um mir eben jenes aus der Küche zu holen.

Die Wirkung von Gras und Alkohol spüre ich deutlich, als ich die wenigen Meter laufen will. Mir wird schwindelig und ich schwanke unsicher von einem Bein auf das andere.

Elijah, der zwar sowohl genau so viel Gras als auch genau so viel Alkohol wie ich konsumiert hat, ist deutlich klarer im Kopf und auch deutlich sicherer auf den Beinen als ich. Wie er schon selbst erwähnt hat, ist er wohl unumstritten einfach besser im Training als ich.

Er steht schnell auf und fasst mich sanft am Arm. "Was ist los, Ari? Brauchst du was? Setz dich mal lieber wieder hin. Ich hole dir, was du möchtest." Ich tue, was er mir befiehlt und lasse mich wieder rückwärts auf die Couch fallen. So weich und einladend hat sich mein Sofa noch nie angefühlt. Ich versinke in die Kissen und kuschel mich richtig mit meinem Gesicht hinein.

"Ari? Was wolltest du denn?", fragt Elijah nun erneut. "Ehm, ich.. Wasser. Ich wollte mal ein Glas Wasser trinken." "Braves Mädchen", sagt Elijah grinsend und geht rüber in meine Küche. Er holt ein sauberes Glas aus einem der weißen Küchenschränke und füllt es bis oben hin mit Wasser. "Willst du auch was essen?", ruft er mir dann herüber. "Ja!", schreie ich begeistert.

Ich unternehme einen neuen und zum Glück deutlich erfolgreicheren Versuch aufzustehen. Mit langsamen aber immerhin sichereren Schritten überwinde ich die kurze Distanz von meinem kleinen Wohnzimmer in die offene Küche.

Im Kühlschrank befindet sich noch eine fast volle Auflaufform mit Lasagne, die ich mir vor zwei Tagen zwar gemacht, aber kaum etwas davon gegessen habe. Ich hole sie freudestrahlend heraus, entferne die Alufoie und reiche sie Elijah, da dieser genau vor der Mikrowelle steht. Er schiebt die Lasagne hinein und stellt die Mikrowelle an. Währenddessen hole ich schon mal zwei große Löffel aus der Besteckschublade.

Als kurz darauf das laute "Pling!" der Mikrowelle ertönt, reiche ich einen der Löffel Elijah und wir fangen an, die Lasagne stehend in der Küche direkt aus der Auflaufform zu verzehren. Mit jedem Bissen, der meinen Magen füllt, kriege ich mehr Appetit.

"Hast du die selbst gemacht? Oh mein Gott, die ist so lecker. Die ist sogar besser als die von meiner Mum", plappert Elijah mit leuchtenden Augen vor sich hin. "Ja, ich habe die selber gemacht", antworte ich ihm stolz.

"Und ganz ehrlich? Die ist echt so sau lecker! Ohne mich selbst loben zu wollen, aber ich glaube, ich hab noch nie eine bessere Lasagne gegessen", schwärme ich. Elijah nickt zustimmend. "Schade, dass sie gleich schon leer ist", sage ich mit einem traurigen Blick auf die sich immer weiter leerende Auflaufform.

Elijah guckt mich an und beginnt zu lachen. "Was denn?", frage ich irritiert. "Du hast da was", sagt er grinsend und zeigt auf meinen Mund. "Tomatensauce." Ich wische mir mit dem Handrücken über meinen Mund. "Weg?", frage ich ihn. Er lacht wieder. Dann sagt er sanft: "Komm mal her."

Er beugt sich vor und wischt mir sanft mit seinem Daumen über die Lippen. Ich schaue ihn aus großen Augen an und fühle mich ein wenig wie ein scheues Rehkitz im Scheinwerferlicht, auch wenn das meiner Art eigentlich komplett widerspricht.

Irgendwie ist mir diese Situation ein wenig unangenehm, auch wenn ich gar nicht genau benennen kann wieso. Es ist einfach nur so ein Gefühl.

Deshalb löse ich mich schnell von Elijah und überspiele meine Unbehaglichkeit mit der Frage: "So, und was essen wir nun?" Elijah fängt an zu lachen und ich spüle die Auflaufform einmal aus und räume sie in die Spülmaschine.

Dann wende ich mich ihm wieder zu und frage erneut: "Und?" "Hmm..", überlegt er. "Was Süßes wäre gut. Irgendein Nachtisch." Ich denke nach und gehe in meinem Kopf meine Vorräte durch.

Dann kommt mir ein Geistesblitz. Auch wenn meine Gedanken mittlerweile wieder deutlich klarer sind, bin ich immer noch etwas wackelig auf den Beinen und ziemlich high. Alles ist schön, alles ist easy.

Ich stolpere zum Kühlschrank und hole einen großen Becher Schokoladenpudding sowie eine Packung Milchschnitten raus. Dann nehme ich aus einem der Oberschränke noch eine angebrochene Packung Kinderriegel, eine Tüte Gummibärchen und ein Tüte salzige Chips.

Elijah nimmt noch eine neue kalte Flasche Cola mit aus dem Kühlschrank und wir laufen voll bepackt wieder ins Wohnzimmer. Ich lasse mich auf der Couch nieder und stöhne laut auf. "Das reicht dann jetzt aber auch mit Bewegung."

Elijah grinst mich an. "Du hast Recht. Sollen wir noch einen Film gucken?" Als Antwort schmeiße ich ihm die Fernbedienung meines Smart TV hin. Er drückt einige Minuten, die mir eher wie Stunden vorkommen, auf den Knöpfen herum und verkündet dann triumphal: "Ich hab eine viel bessere Idee als irgendeinen Film. Lass mal "How I met your mother" gucken!"

Begeistert kreische ich auf: "Ja! Das ist wirklich eine gute Idee! Ich liebe die Serie." Also schaltet Elijah besagte Serie an und wir futtern uns munter durch die Snacks, die wir aus der Küche mitgebracht haben.

Irgendwann liege ich mit Tränen vom vielen Lachen und Bauchschmerzen vom vielen Essen auf der Couch und kann mich kaum noch rühren. Von Minute zu Minute merke ich, wie mein Körper immer weiter runter fährt und meine Augen immer schwerer werden.

Ich lasse mich aus dem sitzen langsam herunter gleiten und lege mich an Elijahs Schulter. Er greift nach einer Wolldecke an seinem Ende der Couch und deckt meine Beine damit zu. Dann legt er einen Arm um meine Schultern und malt mit seinem Zeigefinger leichte Kreise auf meinen Oberarm. Das gibt mir den Rest und ich falle glücklich und zufrieden in einen traumlosen Schlaf.

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Meine Lieben,

Ich hoffe ihr seid vorerst zufrieden, dass zwischen Elijah und Ari nichts gelaufen ist.

.. oder noch nichts? Wer weiß? :-)

Es bleibt wie immer spannend, das verspreche ich euch.

PS: Wegen aktuellen Geschehnisse habe ich - wichtig - noch etwas hinzugefügt! Bitte lest da noch mal rein. Danke ♡

A.

Ariana Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt