- einundsiebzig -

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Aiden dreht die Musik etwas leiser und wirft mir einen eindringlichen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert.

"Phil war doch cool mit der Situation? Was ist dann passiert?", fragt Aiden verständnislos.

Ich schlucke und knete mit der rechten Hand die Finger meiner linken Hand.

"Er wusste nicht, dass wir Sex miteinander hatten. Und von Noah wusste er auch nichts. Das hat ihn so gekränkt, dass er nicht mehr mit mir zusammen sein will", fasse ich bedrückt zusammen.

Aiden verdreht die Augen und schüttelt verständnislos den Kopf. "Ich bin damit nicht hausieren gegangen, aber ein wohl gehütetes Geheimnis war das auch nicht", entgegnet er und zuckt mit den Schultern.

"Ja eben", antworte ich und reiße meine Hände hoch. "Das habe ich ihm auch gesagt."

"Der beruhigt sich schon wieder." Aiden tätschelt meinen Arm.

"Ne, der braucht sich nicht zu beruhigen. Das Ding ist durch für mich. Ich bin doch kein Hund, der sich immer wieder rufen lässt, wie's dem feinen Herrn West gerade passt. Der muss sich schon bewusst darüber sein, was er will", motze ich und schiebe schmollend meine Unterlippe vor.

Aiden parkt den BMW vor dem Wohnhaus, in welchem sein Appartement liegt, und hält mir einen Augenblick später die schwere Haustür auf.

Schweigend laufen wir nebeneinander zum Aufzug. Augenblicklich schießen mir die Bilder in den Kopf vom letzten Mal, als wir diesen Fahrstuhl betreten haben.

Knutschend.

Ach was, rummachend.

Heiße Zungenküsse, Hände überall, und dann ging es in Aidens Wohnung richtig zur Sache.

Beschämt senke ich meinen Blick und werde den Gedanken nicht los, dass er gerade die gleichen Bilder vor Augen hat wie ich.

Ich bin mehr als erleichtert, als die Fahrstuhltür mit einem lauten "Pling" wieder öffnet.

Ohne abzuwarten verlasse ich den engen Fahrstuhl und laufe straight zu Aidens Wohnungstür.

Was soll's - ich weiß doch eh, wo ich hin muss.

Aiden schließt die Wohnungstür auf und bittet mich herein.

In seinem Flur hängt ein riesiger silberfarbener Spiegel, an dem mein Blick hängen bleibt. Ich betrachte mich darin und stelle erschrocken fest, dass ich zum einen wirklich beschissen aussehe, und zum anderen immer noch Phils Trikot trage.

Zum Glück trage ich darunter ein weißes Longsleeve, also ziehe ich das Trikot hastig über meinen Kopf und pfeffer es auf seine Kommode.

"Ich bin mal kurz im Bad", informiere ich Aiden und bewege mich wie selbstverständlich in seiner Wohnung.

Auch im Badezimmer hängt ein riesiger Spiegel, der mich erneut mit meinem miserablen Aussehen konfrontiert.

Was hat Aiden nur mit diesen bescheuerten Spiegeln?

Das allerletzte, was ich gerade will, ist, mich zu sehen.

Meine Wimperntusche ist verschmiert und meine Wangen und Augen sind gerötet vom Weinen.

Natürlich besitzt Aiden, der hier alleine wohnt, nichts, was auch nur annähernd wie Makeup-Entferner oder Waschgel aussieht.

Ich entschließe mich dazu, in den sauren Apfel zu beißen und klatsche mir erst kaltes Wasser und dann eine große Portion seines Duschgels ins Gesicht.

Meine Augen brennen wie Feuer, aber ich möchte keine Sekunde mehr aussehen wie ein depressiver Pandabär.

Ich schrubbe eine ganze Weile durch mein Gesicht, bis ich das Gefühl habe, endlich sauber zu sein. Dann nehme ich ein kleines Handtuch aus dem Schrank und trockne mein Gesicht ab. Ich binde meinen Pferdeschwanz neu und fühle mich direkt besser.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt