Weihnachtsball

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Nichts passierte. Bruce war verschwunden, und in der ersten Zeit kam keine Nachricht von ihm. Einige Wochen später riss mich bei einem romantischen Herbstspaziergang im regen ein abgemagerter Mann zur Seite und flüsterte mir bleibt verschwunden ins Ohr, bevor er von Wachen fort gerissen wurde. Einige Wochen später schrie uns eine Frau in einer Gruppe wütender Bürger uns aus heiteren Himmel nichts Neues entgegen.

Mehr kam nicht. Es herrschte stille, und bald konnten wir beobachten wie alle Spuren von Kate von Schnee überdeckt wurden. Es wurde Weihnachten.

Die Weihnachtszeit ist für viele Menschen stressig. Es müssen Geschenke gekauft, Plätzchen gebacken und Tannenbäume geschmückt werden. Für den Adel trifft diese nicht sehr weihnachtliche Tatsache besonders zu.

Mit dem Dezember beginnt der königliche Adventskalender. Jeden Tag wird eine Prestigeveranstaltung für wohltätige Zwecke abgehalten, bei der die eingenommenen Spenden gerade reichen um die Kosten der Veranstaltung zu decken. Es werden Krankenhäuser besucht und Spielzeuge an Kinderheime verteilt, in der Hoffnung die Bürger vergessen vor Weihnachtlichkeit die nächste Steuererhöhung.

Tatsächlich freute ich mich auf Weihnachten. Nicht auf die Geschenke. Ich hatte zu viel, um mich noch über Geschenke zu freuen. Ich freute mich auf den Weihnachtsball.

Wie die meisten Familien haben auch die adligen Familien Weihnachtstraditionen. Jeder, solange er nur weit oben in der Thronfolge steht, darf jemanden zum Ball einladen. In meinem Fall bedeutete das ich würde endlich Demeter wiedersehen.

Bereits am Weihnachtsmorgen strömte ein Geruch von Lebkuchen und Tannenzweigen durch den ganzen Pallast. Schon seit Beginn des Monats hatten sich Christbäume, Weihnachtssterne und Mistelzweige im ganzen Schloss breit gemacht, doch erst heute schien es wahrhaft weihnachtlich zu werden.

Ich beschwerte mich nicht, als Karina mich in ein rotes Kleid mit weißem Pelzsaum zwängte und eine rote Zipfelmütze mit weißem Bommel mit Haarnadeln festgesteckt wurde, die bis in meinen Schädel gerammt zu werden schienen. Wie konnte man denn auch unglücklich sein, wenn alles nach Weihnachten duftete und die Stimmen der Sternsinger durch die Räume hallten?

Wie so oft war kein Schnee zu erwarten, statt dessen regnete es in Strömen, doch auch das konnte meine Stimmung nicht stören. Erst als ich vor Kates zimmer stand verschwand das warme Gefühl in meinem Herzen, und wurde durch einen Klos in meinem Hals ersetzt.

Sie war allein dort draußen. Im Regen. An Weihnachten. Wie konnte ich ein fest genießen wenn ein Kind heimatlos durch die Straßen wanderte. Fror sie? War sie womöglich verletzt? Würden wir sie je wieder sehen?

Ich musste mich zusammen reisen. Offiziell hatte Kate sich Scharlach eingefangen und lag krank im Bett. Wenn ich mir etwas anmerken lies würde Susan dafür sorgen das die Hölle über mich herein brechen würde. Ich würde also lächeln und Weihnachten genießen.

Ich zwang mich den Lebkuchenduft ein zu atmen und den Klos in meinem Hals zu ignorieren. Es war schließlich Weihnachten. Eine Zeit der Freude und Besinnung. Eine Zeit für Ruhe, Frieden und die Familie.

Hunderte von fremden Menschen erwarteten mich im Ballsaal. Erwachsene unterhielten sich über einigen Gläsern Champagner, Kinder spielten und aßen Lebkuchen, Paare drehten sich zur Musik und Kellner eilten von Gast zu Gast um sicher zu gehen das jedes Glas gefüllt war.

„Prinzessin Leonora Davina Estrada von Esteinko und Prinz Dave Cecil Conrad von Canmunia" rief der Ansager, und ich schritt würdevoll an Daves Arm die Treppe hinunter in den Ballsaal. Ich hatte lange aufgehört die Blicke der Menschen zu spüren, und die Menschen hatten lange aufgehört hin zu sehen wenn ich die Treppe hinunter schritt. Es war ein beidseitiges Desintresse.

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