73 || Dein eigenes Grab geschaufelt

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Kris nahm uns alle in seinem Wagen mit zu mir nach Hause. Meine Eltern wunderten sich über den großen Besuch, hakten jedoch nicht weiter nach. Sie würden sowieso gleich zu meiner Tante fahren.

Paola hat es sich auf meinem Bett bequem gemacht und lag quer darin. Kris hingegen saß an der Bettkante und streckte die langen Beine aus. Ich stand neben ihm und sah zu Dereck hinab, der auf dem Teppichboden mitten in meinem Zimmer saß.

Wir alle hatten unsere Amulette abgelegt, damit sich die Dämonen aus dieser Angelegenheit mal raushalten würden. Ich betrachtete die drei Amulette, wie sie neben Dereck auf dem Teppich lagen und sie alle gleich und dennoch so unterschiedlich aussahen.

Ich war mir gar nicht sicher, wie lange wir uns schon schweigend in meinem Zimmer aufhielten. Ab und an entfuhr mir ein Seufzen, weil sich keiner zu Wort meldete. Paola wollte sicher am dringendsten Dereck zum Sprechen bringen, doch auch sie hielt sich lieber zurück.

Der Junge hielt seinen Kopf gesenkt, sodass ihm die schwarzen Haarsträhnen tief ins Gesicht fielen. Die Ellbogen hatte er auf seinen Knien abgestützt, zu denen er seinen Pullover hinaufgekrempelt hatte und so die schneeweiße und reine Haut seiner Arme offen legte.

Ich räusperte mich dann und machte einen Schritt auf ihn zu, um dann vor ihm in die Hocke zu gehen. Es nützte ja nichts, uns noch länger beim Schweigen zuhören zu müssen. Das war unerträglich genug.

"Wir wollen dir helfen", begann ich vorsichtig und legte meine Hand zögernd auf seinen Arm. Bei dieser Berührung zuckte er leicht zusammen. Er wollte mich trotzdem nicht anschauen. "Wir wissen, wie schwer es dir ergeht, aber wie sollen wir dir helfen, wenn du uns aus dem Weg gehst?"

Er stieß ein leises Lachen aus. "Ihr sollt mir nicht helfen. Ich brauche keine Hilfe..."

"Wir vermissen dich, Dereck. Ich vermisse dich", flüsterte ich ihm zu und ging auf die Knie. Wie konnte er nur so ablehnend uns gegenüber sein?

Ich blickte über meine Schulter zurück zu den anderen. Kris' Knie wippte mal wieder unruhig auf und ab, während er mich beobachtete. Paola hatte sich inzwischen auf ihren Bauch gelegt und schaute ebenfalls zu uns herab.

"Ich brauche eure Hilfe nicht", wiederholte Dereck stur und schob meine Hand von seinem Arm. Ich erhob mich wieder auf die Beine und ließ mich zwischen Paola und Kris auf mein Bett fallen.

"Ich bin dir nicht böse wegen Sinan", versuchte es nun Paola, die ihren Kopf auf ihren Armen abstützte und zu ihm hinunter sah. "Wirklich nicht. Natürlich vermisse ich ihn, aber du hast mein Leben gerettet. Ich bin dir unendlich dankbar, Dereck."

Leider entschloss sich der Junge lieber dazu sich von uns abgewandt zu halten. Auf Paolas Worte hörte er nicht und wollte ihr auch nicht antworten. Stattdessen blieb er genauso regungslos sitzen und brachte mich ans Ende meiner Verzweiflung.

Als ich mich jedoch dazu entschloss wieder aufzustehen und ihm meine Meinung zu gaukeln, schaute er zu uns auf - genauer gesagt zu Kris. "Was macht er überhaupt hier?"

Offensichtlich war Kris mindestens genauso überrascht wie Paola und ich, als Derecks Augen ihn direkt anstarrten. Denn er hörte sofort auf mit seinem Bein zu wippen und richtete seinen Rücken gerade.

"Ich werde euch helfen, so gut ich kann", sagte Kris dann, was Paola mit einem Nicken bekräftigte.

"Und wie stellst du dir das vor?", hakte Dereck finster nach und sah ihm immer noch direkt in die Augen.

Ich konnte förmlich spüren, dass Kris es nicht mochte, wie Dereck mit ihm sprach und wie er ihn anschaute. Trotzdem wollte er deswegen keinen Streit entfachen und rieb nervös seine Hände aneinander. "Das müsst ihr mir sagen. Ich werde nicht zulassen, dass Brenda etwas passiert. Ich würde alles für sie tun."

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