.:.Sehnsucht.:.

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•Legolas•
„Du solltest etwas essen", sprach Aragorn mich von der Seiten an, doch lehnte ich nur ab.  Ich verspürte seit zwei Tagen nichts, außer riesigen Schmerz. Als hätte mir jemand mein Herz herausgerissen und all meine Innereien dazu. Es war schlimmer, als jeder Pfeil, jedes Schwert, welches sich bereits einmal in meinem Leben in mich gebohrt hatte. Ich hatte es geschafft sie zu retten und dann sofort wieder zu verlieren. Irgendetwas war mit ihr geschehen, als Sauron zerstört wurde. Ich hörte nur ihre Schreie, erblickte ihr verzerrtes Gesicht und dann mit einem Mal, wie sie sich das Schwert griff und...
Ich stoppte mich selbst. Die Erinnerungen an diesen Moment zerstörten mich jedes Mal erneut und ließen eine Taubheit entstehen, die mich befürchten ließ, dass ich mich vergessen würden, denn zu der Trauer kam die Wut. Die unfassbare Wut auf mich selbst, denn ich hatte nichts getan, um sie aufzuhalten.
Die Gefühle, die ich momentan empfand, waren nichts gegen die, die ich auf der Ebene vor Minas Tirith gespürt hatte. Dort war alles schon so extrem gewesen, doch nun nahm es mir jedes Mal die Luft zum Atmen. Blickte ich wieder und wieder in ihre Toten Augen, verkrampfte sich alles in mir und die Wut übermannte mich. Meine einzige Hoffnung war damals in Minas Tirith in mir aufgeblüht, nachdem, was Gandalf gesagt hatte und er hatte Recht behalten. Nach meinen Worten war etwas passiert. Ich hatte bereits daran geglaubt, dass es funktioniert hatte, doch nun-. Nun war sie tot. Von uns gegangen. Ohne Hoffnung auf eine Rückkehr.
„Legolas, mein Freund", eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich blickte auf zu Aragorn: „Ich verstehe deinen Schmerz, denn auch ich fühle ihn, doch musst du es in einem ganz anderen Ausmaß. Du hast sie geliebt. Stärker, als wir uns das Ausmalen können, doch musst du Leben. Du darfst nun nicht aufhören, bitte. Ich kann das nicht mit ansehen!"
„Sie war mein Leben! Ich habe nichts mehr. Nur noch mein jämmerliches Selbst."
Ein trauriger Ausdruck entstand auf seinem Gesicht und seine eh schon traurigen Augen zeigten mir noch viel größeren Schmerz.
„Frodo ist erwacht", flüsterte er: „Möchtest du mit zu ihm kommen. Vielleicht lenkt es dich ab."
Nickend umgriff ich seine Hand, mit welcher er mich hochzog und folgte ihm.

Er führte mich in eine der vielen Räume, der goldenen Hallen. Dort erblickte ich Frodo, wie er lächelnd auf dem Bett saß und sich mit Gandalf unterhielt.
„Es ist wunderbar endlich wieder bei euch zu sein", hörte ich den Hobbit gerade sagen und automatisch stieg Wut in mir auf. Als Frodo uns erblickte wurde sein Lächeln noch stärker: „Aragorn! Legolas! Wie schön es ist euch zu sehen!"
Mein Blick war von der Wut getrübt und nahm mir jeden logischen Gedanken. Ich hatte einfach nur wieder dieses Bild im Kopf, wie sie mit toten Augen auf meinem Schoß lag.
Impulsiv setzte ich mich in Bewegung und wollte auf ihn zu stürmen, da packte Aragorn mich bereits und zog mich zurück. Erschrocken sah Frodo mich an, was mich nur noch rasender machte.
„Du hast sie umgebracht!" Meine Stimme donnerte durch den Raum und meine Augen lagen starr auf ihm. Frodo setzte sich leicht auf und sah verwirrt zu Gandalf. Der Zauberer hatte traurig seine Augen geschlossen und hatte seinen Kopf geneigt.
„Legolas", flüsterte Aragorn: „Beruhige dich und denk nach! Er hat sie nicht getötet!"
„Wen getötet?" Fragte Frodo mit leiser Stimme.
„Freya", bei der Aussprache ihres Namens erschlaffte mein Körper: „Wegen dir ist sie tot!"
Mit einem Mal entglitten dem Hobbit alle Gesichtszüge. Frodo öffnete immer wieder ungläubig seinen Mund, bevor er ihn genauso ungläubig wieder schloss.
„Es ist nicht deine Schuld", mischte sich jetzt Gandalf mit ein, bevor er mich ansprach: „Besinn dich!"
Wütend schnaubte ich auf, bevor ich mich ruckartig aus dem Griff von Aragorn löste: „Ich werde bei der Beerdigung nicht dabei sein!"
„Legolas", wollte Aragorn auf mich einsprechen, doch unterbrach ich ihn harsch.
„Ich kann das nicht! Lasst mich einfach alle in Frieden!" Mit diesen Worten drehte ich mich schwungvoll von allen weg und stürmte aus dem Raum.
Das einzige, was ich tat, war mir meinen Bogen zu holen, bevor ich hinaus an die Luft stürmte und mir eines der Pferde nahm.
Es tat so weh! So unendlich! Ich würde nie wieder glücklich werden können! Am liebsten hätte ich den Bogen einfach hier gelassen, denn selbst eine Horde von Feinden wäre besser, als alles andere, doch konnte ich es meinen Freunden nicht antun.
Noch nicht.

Meleth Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt