78. Kapitel

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Die High School hat schon längst wieder angefangen, doch angesichts der Tatsache, dass ich mich in Therapie befunden habe und es danach trotzdem nicht mehr lange weitergeht, muss ich dort nicht erscheinen. Wenigstens in solchen Situationen sind die Lehrer nachsichtig.

Jedenfalls sind die zwei Monate der Behandlung nun vorbei und ich kann es noch immer nicht glauben. Ich habe die mit Abstand schwerste Zeit meines Lebens, die mir unglaublich viele Nerven geraubt hat, endlich überstanden und das habe ich ganz sicher Shawn zu verdanken. Ohne ihn hätte ich das nicht geschafft.

Auch heute ist er wieder an meiner Seite. Heute wird das alles entscheidende MRT gemacht und da brauche ich einfach jemanden, der währenddessen meine Hand hält. Ich zittere nämlich schon den ganzen Tag, weil ich hoffe, dass es etwas gebracht hat und ich jetzt eine unbeschwerte restliche Zeit mit dem Sänger verbringen kann.

Während Dr. Ley uns zum entsprechenden Raum führt - obwohl ich den Weg fast auswendig kenne -, fängt sie ein Gespräch an, das mich wahrscheinlich ablenken soll, indem sie fragt: „Und, wie lange sind Sie beide schon zusammen?" Ja, damit bringt sie mich auf jeden Fall auf andere Gedanken. Auf viel schönere Gedanken.

Bei der Erwähnung von der Beziehung zwischen Shawn und mir muss ich automatisch lächeln. „Seit ungefähr fünf Monaten", antworte ich deshalb stolz. Im nächsten Moment staune ich darüber, dass wir noch nicht einmal ein halbes Jahr zusammen sind und bereits so zusammengeschweißt sind. Auch wenn ich vorher nie daran geglaubt habe, denke ich nun, dass unsere Begegnung Schicksal war.

„Oh, das ist schön. Sie können echt froh sein, jemanden wie ihn gefunden zu haben", meint die Ärztin und ich stimme ihr nickend zu. Sie hat recht mit ihrer Aussage, obwohl es eigentlich etwas zu korrigieren gibt.

„Genauer gesagt hat er mich gefunden", lache ich deswegen und denke an den Moment zurück, als ich nichts ahnend auf dem Stein saß, irgendwelche Leute auf Instragram stalkte und er mich einfach angetippt hat. Dann bleibe ich kurz stehen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.

Als wir ankommen, haben wir Glück und der Raum ist nicht belegt. Somit können wir ungehindert hinein und so schnell wie möglich dieses Bild machen, sodass ich einigermaßen beruhigt sein kann.

Während Dr. Ley hinter der Glasscheibe vor dem Computer Platz nimmt, nimmt Shawn sich den kleinen Hocker und stellt ihn direkt neben die Liege, um sich gleich daraufzusetzen und mir während der fünfzehn Minuten ein Zeichen geben zu können, dass er immer noch für mich da ist.

Ich lege mich selbstständig auf die Liege und möchte instinktiv meine Haare zur Seite schieben, damit ich mich nicht auf sie lege. Allerdings gibt es nichts mehr zum Wegschieben. Zwar habe ich das akzeptiert, gewöhnt daran habe ich mich aber noch lange nicht.

Als ich einigermaßen bequem liege - ein Kissen wäre jedoch auch nicht schlecht -, werde ich langsam in die Röhre geschoben und ich weiß, jetzt muss ich so still halten wie möglich, mich am besten nicht bewegen, damit es was mit dem Bild wird. Beim Einrasten der Liege spüre ich schließlich Shawn's Hand an meiner.

Die Minuten vergehen nicht besonders schnell, aber auch nicht quälend langsam. Trotzdem bin ich froh, dass ich mich nun wieder aufsetzen und meinem Freund ins Gesicht blicken kann.

Nach weiteren fünf Minuten bemerke ich Dr. Ley's überraschenten und verwirrten Blick. Während ich rätsele, warum sie so einen Blick aufsetzen könnte, runzele ich meine Stirn, weshalb Shawn mich fragend ansieht. Darauf schwenke ich meinen Kopf nur auf die Ärztin.

"Ist alles in Ordnung, Doc?", erkundigt er sich und spricht damit die Frage aus, die mir ebenfalls im Kopf herumschwirrt. Bitte lass nicht alles umsonst gewesen sein.

"Ähm, ja", ertönt ihre Stimme bei uns, nachdem sie das Mikrofon, wenn man es so nennen konnte, angeschlagen hat. "Sie können schon einmal auf Ihr Zimmer gehen. Ich muss noch einen Kollegen drüber schauen lassen." Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

"Komm, wir gehen. Bevor sie das geklärt hat, werden wir wahrscheinlich eh nichts von ihr erfahren", flüstert der Braunhaarige mir zu, worauf ich nach einem kurzen Augenblick nicke. Demnach stehen wir auf und machen uns auf den Weg zu meinem Krankenzimmer.

"Denkst du, es ist etwas Schlimmes?", möchte ich nach einem langen Schweigen von Shawn wissen. Auch wenn ich mich nicht mehr verrückt machen wollte, kann ich in diesen Moment an nichts anderes denken.

"Das weiß ich nicht und ich will auch gar keine Vermutungen anstellen", sagt er leicht zurechtweisend. Und ich verstehe seine Denkweise. Lieber nichts sagen als nachher enttäuscht zu werden. "Wir warten jetzt einfach ab."

Glücklicherweise dauert dies nicht so lange und Dr. Ley kommt mit einem Klemmbrett herein. Was mir nur noch mehr Fragen aufwirft, ist, dass sie ein Lächeln im Gesicht hat. Sie scheint wie ausgewechselt zu sein.

"Ich habe Neuigkeiten für Sie, Becca Mason", verkündet sie und klingt dabei, als müsste sie sich bemühen nicht auszurasten. "Es ist einfach unglaublich." Mit diesen Worten gibt sie mir das Klemmbrett mit dem Bild vom MRT in die Hand.

Auf der Stelle kommt Shawn auf mich zugerannt. Mit ihm gemeinsam betrachte ich das Bild haargenau, versuche jedes Detail aufzufassen. Ich bin zwar keine Ärztin und habe auch keinen medizinische Kenntnisse, aber einen Tumor müsste ich schon erkennen können. "Ich sehe nichts."

"Das ist es ja!", wird Dr. Ley plötzlich lauter. "Das Bild ist ohne Befund. Eigentlich kann das gar nicht sein, ein Glioblastom kann nicht vollständig geheilt werden. Dachten wir jedenfalls. Aber Sie sind der Beweis für's Gegenteil, Sie haben den Tumor besiegt!"

"W-was?", ist das einzige, was ich herausbringe. Und dann auch noch stotternd. Doch diese Aussage gerade eben hat mich überfordert. Ich bin weder fähig  etwas zu sagen noch mich zu bewegen. Ich sitze nur auf dem Bett und starre ständig dieses Bild an.

Solange, bis mich Shawn an die Schultern fasst und mich einmal mächtig durchschüttelt. "Becca, wir haben es geschafft! Du wirst leben!" Dann wirft er seine Arme so stark um mich, sodass ich den Halt verliere und wir beide auf der Matratze landen.

Das ist der Moment, in dem ich endlich auch realisiere, was mir gerade gesagt wurde. Die Chemo- und Strahlentherapie hat wirklich geholfen. Ich bin den Tumor endgültig los!

Voller Freude schlinge ich meine Arme um Shawn's Nacken und ziehe ihn näher an mich heran, sodass ich ihn küssen kann. Während diesem leidenschaftlichen Kuss kommen mir sogar die Tränen, weil ich so überglücklich bin.

Und was mich am meisten zum Grinsen bringt: Das hier ist nur einer von unzähligen weiteren Küssen.

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Ich wette, jeder von euch, dem ich nichts vom Ende erzählt habe, dachte bis zu diesem Kapitel, dass es nicht gut ausgeht!🙊

Aber ich konnte Becca nicht einfach sterben lassen, es musste ein Happy End geben. Dafür gab es jetzt sogar ein medizinisches Wunder😂

Epilog und Danksagung kommen in der nächsten halben Stunde❤️

One more wish {s.m.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt