1. Kapitel

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Langsam schreiten wir voran. Wir, Menschen, die zusammengekommen sind um Abschied zu nehmen. Ist es nicht lächerlich, das die komplette Familie und alle Freunde sonst nie zur selben Zeit am selben Ort sind, doch wenn es um so etwas wie eine Beerdigung geht, dann stehen einem plötzlich alle total nahe. Jeder versucht dich zu trösten und aufzubauen, doch wieso soll ich ihre Hilfe jetzt annehmen, wenn sie sonst nichts von mir wissen wollen?

Am Abend der Beerdigung, nachdem die ganze Menschenmasse sich langsam verabschiedet hat, lieg ich in meinem Bett und starre an die Decke. Ich möchte weinen, doch es sind keine Tränen mehr übrig. Ich höre, wie sich meine Zimmertür langsam öffnet und sehe den Schatten meiner Mutter, die sich ihren Weg zu meinem Bett bahnt. „Hey Maus, wie geht es dir?“, fragt sie mich mit ihrer sanften Stimme. „Ich weiß nicht. Ich fühle mich einfach nur leer.“ „Ich möchte dich etwas fragen, meine Kleine.“ Oh je, was kommt denn jetzt?

„Du weißt doch, dass ich früher mal eine Zeit lang in Kalifornien studiert habe, oder?“ Sofort sehe ich das Bild, welches unten auf einem Regal steht vor mir: meine Mutter, mit ihren tollen, langen braunen Haaren und diesem atemberaubenden Lächeln in der Mitte ihrer neu gewonnenen Freunde an ihrer Universität in Kalifornien. Immer, wenn sie von dieser Zeit erzählt, leuchten ihre Augen und sie sieht glücklicher aus als sonst. „Ja, natürlich weiß ich das, Mama.“

„Okay, dann hör mir bitte erstmal zu, bevor du irgendetwas sagst.“ Oh nein, so langsam habe ich Angst vor dem, was meine Mutter mir wohl jetzt erzählen wird. „Ich habe damals ja viele neue Freunde kennengelernt und mit manchen schreibe ich mir heute noch Mails. Ich habe dir doch gewiss schon mal von Steve erzählt, oder?“ Und da ist es wieder: dieses Strahlen. Wäre mein Vater nicht vor wenigen Tagen gestorben, würde man denken meine Mutter wäre die glücklichste Frau auf der ganzen Welt. „Er hat mich immer wieder gefragt, wann ich ihn denn noch einmal besuchen kommen würde und… also… ich habe beschlossen, dass wir in den Ferien zu ihm fliegen. Er hat ein großes Haus, direkt am Meer. Er lebt dort allein mit seinem Sohn, Justin. Ich habe ihm gesagt, dass wir im Moment kein Geld für die Tickets und so weiter hätten und er hat uns angeboten, die Tickets zu bezahlen. Wir könnten die ganzen Ferien dort bleiben, um einfach mal Abstand zu nehmen. Was hältst du davon, Lea?“ Wow, ich war geschockt. Natürlich hat meine Mutter mir viel von ihren Freunden erzählt und ich kann mich auch noch daran erinnern, dass sie den Namen Steve öfters einmal erwähnt hat, aber ich hätte nie gedacht, dass meine Mutter noch so viel mit ihren Freunden aus den USA zu tun hat. Was soll ich von ihrer Idee halten? Ich kenne dort niemanden und mir wäre es bestimmt unangenehm, vier Wochen lang bei völlig Fremden Personen zu wohnen. „Ich… ich weiß nicht, Mum. Ich mein, ich kenne diesen Steve und seinen Sohn doch gar nicht. Außerdem hat seine Frau doch bestimmt etwas dagegen, oder?“ „Er hat im Moment keine Freundin. Er hat sich von Justins Mutter scheiden lassen, als er noch ein Baby war. Du musst dich ja auch nicht direkt entscheiden. Schlaf erstmal eine Nacht darüber, und morgen reden wir in aller Ruhe noch einmal.“ Meine Mama schenkt mir eins ihrer atemberaubenden Lächeln und gibt mir einen Kuss auf die Wange „Ich wäre nur glücklich, wenn du dieser Idee eine Chance geben würdest.“ Leise schließt meine Mutter die Tür und lässt mich allein in meinem dunklen Zimmer.

Vielleicht wäre es wirklich schön, einfach mal woanders hin zu kommen, aber musste es direkt die USA sein? Normalerweise wollte ich viele Sachen mit meinen Freunden unternehmen, doch eben, als meine Mutter mir ihren Plan erzählt hat, habe ich in ihrer Stimmt gehört, wie gerne sie das Angebot von Steve wahrnehmen würde. Der Tod meines Vaters hat sie sehr mitgenommen. Jede Nacht habe ich sie leise weinen hören. Meine Eltern hatten nie ein Problem in ihrer Beziehung. Sie haben mir immer erzählt, wie glücklich sie waren, als sie erfahren haben dass meine Mutter schwanger ist. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch nicht verheiratet und auch noch sehr jung, doch trotzdem waren sie sich sicher, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen. Vor zwei Jahren, als ich vierzehn war, haben sie dann geheiratet. Es war nicht nur der schönste Tag im Leben meiner Eltern, sondern auch der schönste Tag in meinem Leben. Bilder ihrer Hochzeit schwirren in meinem Kopf herum. Wie sehr meine Mutter strahlte, als sie ihr Brautkleid über ihren Kopf streifte. Das Lächeln meines Vaters, als meine Mutter am Arm meines Großvaters den Gang der Kirche entlang schritt. Derselbe Gang, in dem mein Vater heute in einer dunklen Holzkiste aus unserem Leben getragen wurde. Und dann kommen sie. Die Tränen. Die Tränen, die ich seit heute Nachmittag unterdrückt hatte. Und im nächsten Moment wusste ich, was ich tun muss. Ich muss dafür sorgen, dass meine Mutter wieder glücklich ist. Wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen und ein neues Leben beginnen. Ohne ihn. Meinen geliebten Vater.

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Lied an der Seite: Wherever you will go - Charlene Soraia

Bitte votet und kommentiert dieses Kapitel. Ich würde gerne wissen, ob ich weitermachen soll. Vielleicht ist die Geschichte jetzt noch nicht so spannend, doch ich verspreche euch, sie wird noch besser! Ich habe schon die ganze Geschichte in meinem Kopf und kann schonmal verraten, dass es insgesamt wahrscheinlich drei Bücher werden :)

Please vote and comment on this chapter. I'd like to know if I should go on with this book. Maybe this story isn't very interesting at the moment, but I'll promise you it'll get better! I already have the whole plot in my head and I think I'll write three books :)

xox, Ann

Mit Ihm An Meiner SeiteWhere stories live. Discover now