46. Unn

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Unn

Zeit war vergangen. Zeit, seit dem Konzert, nach der Nacht in der so vieles passiert und so vieles geendet hatte.

Vier Monate müssten es heute sein, mittlerweile war es Sommer.

Trotz der Hitze trug ich eine dünne Jeansjacke, die meine Arme verdeckte.
Die Blicke die ich von den Menschen verstohlen zugeworfen bekam, als ich die Straße überquerte, war ich mittlerweile gewohnt.
Manche waren mitleidig, manche neugierig.

Schließlich gehörte ich zu einer derjenigen die in der Nacht des Mädchenmordes unmittelbar in der Nähe, ja sogar mit allen anwesenden eine Verbindung gehabt hatte.

Schon pervers das Milas Todesfall mittlerweile einen Namen trug.

Als ich die Psychiatrische Klink, etwas weiter außerhalb der Stadt, betrat, wurde ich direkt von der Empfangsdame begrüßt.

„Guten Tag Unn."

„Guten Tag" gab ich höflich zurück.
„Sie ist im Aufenthaltsraum."
Dankend nickte ich und machte mich auf den Weg dorthin.

Bei diesem Wetter waren die meisten Patienten der Anstalt draußen auf dem abgesperrten Gelände, doch nicht sie.

Claire ging nicht raus.
Sie saß wie immer an dem dritten Tisch von Links an der Wand, der gleich unter dem abgeriegelten Fenster das Licht in den ohnehin schon hellen Saal warf.

Die Meisten hier beschäftigten sich miteinander, spielten Brett und Kartenspiele oder malten.

Doch Claire nicht.
Sie saß nur stumm da, manchmal hatte sie ihr schwarzes Notizbuch vor sich liegen.
Ich hatte ihr geraten sich eins zu besorgen um die Gedanken die einen sonst erdrücken würden, aufzuschreiben.

Sie war ganz anders wie in ihren letzten Momenten der Freiheit, damals auf dem Dach des Clubs.

Damals war sie blind, mit einem Messer in der Hand, auf Noah zugesprungen, hatte wie besessen auf ihn eingestochen und erst danach gemerkt das sie nicht ihn, sondern Mila erstochen hatte.

Wie ein Dämon hatte sie ausgesehen, mit schwarzen Augen, das Gesicht verzerrt, die Haare wild.
Nur das weiße Hemd welches sie getragen hatte, leuchtete in der Dunkelheit, blutbefleckt.
Jemand vom Personal hatte Sofies schreie wohl gehört denn kurz darauf waren zwei Männer zu uns gestoßen und hatten Claire von uns weggerissen.

Später hatte ich mit einem der Polizisten geredet, es hatte gedauert bis ich mich von dem Schock hatte erholen können jedoch konnte ich mittlerweile sagen das ich ihn verarbeitet hatte.
Wie das bei Noah aussah wusste ich nicht.

Claire sei, hatte der Polizist gesagt, womöglich mit psychischen Störungen belastet. Dazu hatten sie Kokain in ihren Blutbahnen nachweisen können, und Drogen Konsum solcher Substanzen könne Mentale Instabilität noch verschlimmern.

Nach zwei Wochen hatten sie die Diagnose Psychopathie gestellt.

Meinen Gedanken nachhängend kam ich an Claires Tisch an.
„Hey Claire. Wie gehts dir?" fragte ich sanft und lächelte.
Claires Blick, der gerade noch ins leere gegangen war, fokussierte mich.

Bei ihren tiefen dunklen Augen bekam ich eine Gänsehaut.

Dann lächelte sie breit.
Es war immer noch dieses schräge freche leicht spöttische Lächeln was sie früher auch immer an den Tag gelegt hatte, doch jetzt war noch eine neue Komponente dazugekommen.
Etwas wahnsinniges lag nun darin.

Scum Where stories live. Discover now