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Mein Herzschlag setzte aus, um unmittelbar darauf mit doppelter Frequenz weiterzuschlagen. Ich schwebte um die Theke herum, auf Nathen zu und konnte nicht anders, als ihm mein strahlendstes Lächeln zu schenken.

Als er realisierte, wie enthusiastisch ich auf ihn zu gelaufen kam, bildete sich ein tiefes Lächeln auf seinem Gesicht und er breitet auffordernd die Arme aus, in die ich mich so gleich fallen ließ.

"Da ist wohl jemand happy", neckte er mich, während er mich an sich presste und ich konnte nicht anders, als ihm mein Gesicht entgegenzustrecken und ihn mit geschlossenen Augen anzugrinsen. 

"Entschuldigung?"

Als ich die unbekannte Stimme hörte, erwachte ich aus meiner Blase und löste mich widerwillig von Nathen, um zu sehen, wer da gesprochen hatte. Ich fing der Blick eines älteren Ehepaars ein. Innerlich verdrehte ich die Augen, ehe ich Nathen noch einen kurzen Blick zu warf, das Portemonnaie unter der Theke hervor holte und an den Tisch lief. Hätten sie nicht noch eine Minute warten können?

Doch als ich aus der Nähe sah, wie freudig mir die beiden entgegenlächelten, war den beiden sofort verziehen, dass sie mich von Nathen weggerissen hatten.

"Wir würden gerne zahlen", sprach der Herr und zog einen Zwanziger aus seinem Geldbeutel. 

"Gerne, das macht dann siebzehn Euro und vierunddreißig Cent."

Während ich in dem dicken Portemonnaie nach dem passenden Wechselgeld kramte, ergriff die ältere Dame das Wort.

"Das passt so Liebes. Aber nun sag doch mal, wie lange sind du und dein Freund denn schon zusammen?"

Bei ihrer Frage spürte ich, wie meine Wangen eine verräterische Hitze annahmen. Schnell blickte ich zu Nathen, um zu sehen, ob er die Frage von der Theke aus mitbekommen hatte. 

Und tatsächlich sah auch er in unsere Richtung und legte den Kopf schief, doch bei Musik, die im Hintergrund lief und der kleinen Entfernung die zwischen uns lag, was das doch gar nicht möglich, oder?

Ich drehte mich wieder zu dem älteren Paar vor mir. 

"Ich äh... weiß nicht so genau. Ich glaube wir sind gar nicht offiziell zusammen."

Die Dame schüttelte den Kopf.

"Glaub mir Kindchen, als mein Frederik und ich damals vor 48 Jahren zusammen gekommen sind, habe ich auch so angestrahlt, wie du deinen Liebsten dort vorne." Sie lächelte wissend.

"Ganz recht Anne-Marie."

Er griff nach ihrer Hand, die auf dem Tisch lag und streichelte sie.

"Nun denn, wir möchten dich gar nicht länger aufhalten", sagte Frederik. "Viel Glück mit dem jungen Burschen, die jugendliche Liebe ist die schönste."

Nathen beobachtete mich neugierig, während ich zurück hinter die Theke getrabt kam.

"Was war das denn gerade?"

Zwischen uns befand sich die Theke, doch die Intensität seines Blickes ließ es sich so anfühlen, als wären es höchstes zwei Meter. Ich schluckte. 

"Ach, gar nichts."

Er legte den Kopf schief. Er glaubte mir kein Wort, was durch mein gerötetes Gesicht unterstützt wurde. Trotzdem hakte er nicht weiter nach, sondern schüttelte nur den Kopf.

Jetzt wo Nathen hier war, war meine Müdigkeit wie weggeblasen. Die letzten zwei Stunden meiner Schicht vergingen sogar schneller, denn je. 

Nathen und ich unterhielten uns viel. Teils über belanglose Sachen, wie zum Beispiel unsere Lieblingsfarben, meine war blau, seine orange, aber dann fragte er, ob sich meine Zukunftspläne in der Zwischenzeit verfestigt hätten. Hatten sie nicht. Ich wusste, dass ich zwischen Abitur und Studium eine Pause einlegen würde, in der ich verreisen würde. Aber das war auch schon alles, was ich mir bis dato überlegt hatte. 

Ice RainWhere stories live. Discover now