Kapitel 4

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Kakashi.

Das Geräusch, welches der Blumenstrauß erzeugte, als er auf den Boden fiel, war unnatürlich laut. Der Hatake schien sich zuerst gefangen zu haben. Mit einem aufmerksamen und kalten Blick musterte er mich durch sein eines Auge. Wie in Zeitlupe bückte ich mich nach dem Strauß. Was mache ich den jetzt? Ich hatte mit allem gerechnet, aber Kakashi war eine Nummer zu groß.

Wortlos drückte ich ihm die Blumen in die Hand und verschwand in meiner Wohnung. Das Gefühl von Angst breitete sich in mir aus. Obito. Wie ein Film zogen die Bilder der Vergangenheit durch meinen Kopf. Die Mission. Rins Entführung. Mein Versagen und sein Tod. Es war meine Schuld. Wegen mir musste er sterben. Ich war zu schwach. Ich konnte nichts. Gar nichts.

Stumm tropften die Tränen auf den dunklen Boden. Obito war tot und es war meine Schuld. Langsam glitt ich an der Tür auf den Boden. Mein Blick fiel auf meine zitternden Händen. Du bist Schuld. Es war eine Tatsache. Ich richtete mich auf. Mein Weg führte mich zurück in den Blumenladen. Wortlos bezahlte ich und ignorierte die fröhliche Stimme des Mädchens. Sie war so unschuldig.

In Trance ging ich weiter. Dumpf vernahm ich die aufgebrachten Stimmen der Dorfbewohner, die ich anrempelte. Ich kannte den Weg. Das verrostete Eisentor quietschte leise, als ich einen Schritt auf den Kiesweg machte. Die Straßenlaternen warfen ein schwaches Licht auf den Friedhof. Langsam lief ich weiter. Mein stummer Blick fiel auf die Gräber, an denen ich vorbei lief.

Groß und bedrohlich warf der Stein einen Schatten auf mich, als ich ihn erreichte. Zitternd suchte ich nach seinem Namen.  Obito Uchiha. Gestorben auf einer Mission. Gestorben wegen mir.

Ich sollte nicht hier sein. Ich hatte nicht das Recht um meinen Bruder zu trauern. Trotzdem legte ich den Strauß neben eine einzelne Blume vor den Stein. Die weiße Farbe leuchtete schwach im Mondlicht. Langsam zog ich eine Blume heraus. Was denke ich mir eigendlich dabei? Was mache ich hier? Ich richtete mich wieder auf. Stumm lief ich die Grabreihen entlang. Ich hatte kein Ziel. In Gedanken laß ich mir die Namen durch. Viele waren ungepflegt und von Moos und Efeu überzogen. Die Hitze, die sich über den Tag in der Erde gesammelt hatte, wich durch die plötzliche Kälte aus den Gräbern und warf sie in leichten Nebel. Ein Grab zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war gepflegt und die selbe Blume, wie vor dem großen Stein, lag davor.

Rin.

Warum. Warum du auch noch? Kakashi sollte dich beschützen... er hatte es versprochen... er hatte es meinem Bruder versprochen. Die Tränen, die langsam meine Wangen runterrollten, wurden weniger. Wütend zog ich meine Augenbrauen zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten. Er hatte es versprochen.

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Laut schlug ich gegen die dunkle Tür. Der Grauhaarige blitzte mir müde entgegen. "Wie konntest du nur? Du solltest auf sie aufpassen! Du hast es versprochen! Du hast es ihm versprochen!", ich schrie ihn an und schlug kraftlos auf ihn ein. Unaufhörlich liefen heiße Tränen aus meinen geröteten Augen.

Fassungslos und überrascht sah er mich an, bis ihm die Bedeutung meine Worte auffiel. Sein Auge begann verräterisch zu glänzen und eine Träne rollte ihm über die Wange. "Wie konntest du nur? Sie hat ihm alles bedeutet und du lässt sie sterben!", ich wurde immer leiser und lehnte mich erschöpft gegen ihn. Ich kann nicht mehr. Immer noch rollten die Tränen unaufhaltsam über mein Gesicht. Krampfhaft drückte ich mich an ihn. Er zuckte. Ein Beben ging durch seinen Körper. Auch ohne ihm ins Gesicht zu sehen wusste ich, dass er weinte.

Er drückte mich fest an sich und versteckte sein Gesicht an meinem Hals. "Es tut mir leid." , er flüsterte nur und doch fiel es ihm offensichtlich schwer. Noch immer schluchzend, vergrub ich meinen Kopf an seiner Brust. Im Stillen wusste ich bereits, dass ich ihm verziehen hatte. Sanft zog er mich in seine Wohnung und schloss die Tür.

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Ich blinzelte. Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht und ein lautes Lachen drang durch das angeklappte Fenster. Stumm musterte ich das Zimmer. Ich lag in einem Bett und war ordentlich zugedeckt. Gegenüber an der Wand stand ein großer Kleiderschrank und neben mir war eine kleine Komode. Zwei Bilder standen darauf. Alles brach auf mich ein. Rin, Obito, Kakashi und ich grinsten fröhlich in die Kamera. Hinter uns stand ein zufriedener Minato. Laut schluchzte ich auf. Die Erinnerungen an die vergangene Nacht ließen mich nicht los.

Die Tür wurde aufgerissen und ein panischer Kakashi sah mich an. Seine Haare waren verstrubelt und dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. "Es tut mir leid.. Es tut mir leid..", immer wieder wiederholte ich diesen Satz und sah ihn garnicht richtig an. Er schloss mich in eine Umarmung und wartete geduldig, dass ich mich beruhigte. Wieso hasst du mich nicht? Wieso bin ich überhaupt hier?

"Hey hör mir zu. Wir alle haben Fehler gemacht. Du warst nie Schuld am Tot deines Bruders.... Das ist Rin und mir leider erst zu spät aufgefallen....." Seine Stimme war leise und kurz zögerte er.
"Wir haben nach dir gesucht. Wochenlang. Monatelang. Rin wollte nicht aufgeben. Sie.... machte sich Vorwürfe, für das, was sie dir an den Kopf geworfen hatte. Als du dann für tot erklärt wurdest, wollte sie das nicht wahrhaben. Sie..." Stumm lauschte ich seinen Worten. Seine Stimme stockte immer wieder. Und es schien ihn viel Überwindung zu kosten darüber zu reden. "Sie bat mich auf einer Mission sie zu töten. Ich tat es nicht. Und dann ist sie.... Sie ist.... in meinen Angriff gelaufen....  Kirā ich hab sie getötet. Ich habe das Leben einer Freundin beendet. Der letzten, die mir geblieben ist."

Er hörte auf zu reden. Wortlos saßen wir auf seinem Bett in den Armen des anderen und gingen unseren Gedanken nach. Wir spendeten uns Trost. Es war wie eine stumme Nachricht, die sagte: Hey, du bist nicht alleine. Mir war klar, dass er mir seine größte Angst offenbart hatte. Geistesabwesend strich ich über seinen Rücken. "Danke", meine Stimme holte ihn zurück in die Gegenwart. Langsam lösten wir uns von einander. Ich wich seinem Blick aus. Ich hatte ihm mit meinem Wutausbruch Unrecht getan. Trotzdem saß ich hier.

"Können wir nicht versuchen nochmal anzufangen?", seine Stimme zerschnitt die erdrückende Stille. Fragend sah er mich an. Es würde nie so sein, wie früher. Aber er tat mir gut. Er verstand mich, weil wir den selben Schmerz fühlten. Zögernd nickte ich. Er würde der einzige sein, der diese Seite je von mir zu sehen bekam.

Kakashi stand auf. Mit einem gequälten aber ehrlichen Lächeln hielt er mir seine Hand hin. Unsicher betrachtete ich sie. Das würde ein Schritt in die Richtung sein, die ich vor langer Zeit vergessen wollte. Dennoch hielt mich etwas in seinem Blick davon ab, weg zu laufen. Es war Wärme. Die Wärme, die ich so lange nicht mehr gespürt hatte. Entschlossenheit breitete sich in meinem Körper aus. Sanft lächelte ich ihn an und griff nach seiner Hand.

Kiră Uchiha- Verzweiflung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt