- what a feeling -

116 10 4
                                    

Er wollte nicht aufstehen. Nicht nach diesem Theater was er letzte Nacht veranstaltet hatte. Er blickte auf die Uhr. War es wirklich erst kurz vor Acht? Seine Blase zwang Tim zum aufstehen. Langsam stieg er aus dem Bett. Er fühlte sich elend. Unter die Dusche musste er. Dringend. Seine Klamotten waren noch immer Klamm von seinen Schweißausbrüchen die er hatte. Er griff nach seiner Brille und stand auf.
Die Hoffnung, das die Beiden noch schlafen würden, ließ der frische Kaffeeduft, der aus der Küche kam, sofort sterben.
Wie lieblich es roch. Tim schloß für einen kurzen Moment die Augen, atmete den Duft ein und ließ sich von diesem nahezu treiben. Wortlos sprintete er ins Bad und schloss ab.
Der Wandspiegel verriet ihm, dass er schon bessere Tage erlebt hatte.

"Tim ist wach", sagte Saskia, als sie Lukas seinen Kaffee auf den kleinen Tisch abstellte:" Er ist gerade heimlich ins Bad gehuscht!" Sie küsste sein Haar und erwartete eine Reaktion. Doch Lukas las vertieft eine Mail, die er gerade über sein Notebook empfing.
"Ähm?", Saskia tippte ihren Freund gespielt vorwurfsvoll auf seine Schulter.
"Hmm? Was?", aus seiner abwesenheit entspringend hob sich sein blick.
"Wie verhält man sich, wenn der beste Freund den Drogentrip seine Lebens gefahren ist?", fragte sie ihn.
"Nicht seines Lebens.", Lukas strich ihr sanft über den Rücken:" Ein Trip. Aber sicher nicht der schlimmste."
"Also mir hat das gereicht. Ich bin immer noch komplett durch!", seufzte sie auf.

"Ähm", erklang es an der Tür:" Guten Morgen!"
Wie ein Welpe, der genau wusste, dass er Mist gebaut hatte, hielt Tim sicherheitsabstand ein. Ihm war gar nicht wohl, in diesem Augenblick hier gewesen zu sein. Doch dieses Gefühl von unbehagen nahm Saskia ihm sofort wieder wieder ab:" Guten Morgen Tim! Möchtest du auch einen Kaffee und dich zu uns setzen?" Das Lächeln tat gut.
"Frühstück ist auch gleich fertig", sagte der Alligatoah und blickte seitlich zu seinem Kumpel:" Ich hoffe du hast Hunger!"
Das hatte er. Saskia brühte nochmal Kaffee nach und Lukas kümmerte sich um das leibliche Wohl. Zu dritt saßen sie am Esstisch, der im Wohnzimmer sein Platz hatte und Saskia erzählte von ihrem ersten Arbeitstag:" Susi, meine Kollegin. Die ist so toll.
Sie könnte quasi meine Zwillingsschwester sein, soviel gemeinsamkeiten haben wir. Also wenn meine nächsten Schichten mit ihr auch so sind, glaube ich habe ich eine neue Liebe Freundin gefunden." Und sie erzählte von den Kunden, von Lieferanten , Waschmarken und dem Bistro. Wie ein Wasserfall - ohne Punkt und Komma.
Dass sie das alles Tim zuliebe machte, konnte er nicht ahnen. Sie wollte ihn entlasten, keine schlechte Atmosphäre aufkommen lassen und ihn nicht in eine , für ihn, unangenehme Position bringen. Lukas hingegen freute sich, das seiner Freundin der Job so spaß machte.

"Leute", unterbrach Tim. Saskia als auch Lukas blickten ihren Freund an.
"Das wegen Gestern. Also..."
Lukas klopfte seinem Sitznachbarn auf die Schulter:" Wenn du reden willst, jederzeit. Wenn nicht, dann ist das nicht schlimm Tim, aber bitte", und er schaute ihn ernst an:" Übertreibe es nicht. Wir wollen dir helfen und uns nicht überlegen müssen, was wir auf deinen Trauerkranz drucken."
Tim nickte schuldbewusst:" Das war scheiße, ich weiß. Mir geht es im moment einfach schlecht!"
"Ist was mit deiner Familie?", fragte Saskia, die an ihrem Kaffee nippte. Er schüttelte den Kopf.
"Marie?", fragte sie nochmals mit finsterer Miene. Sollte sie Schuld sein, das es Tim schlecht ging, würde Saskia ihr einen ordentlichen Denkzettel verpassen, so fiel stand fest.
"Nein." Er blickte sie an:" Ich bin einfach einsam."
Ja das war er.
Und so wie er es sagte, verriet er zwar, was los war, musste aber keine Details preisgeben.
"Aber hey, wir sind doch alle für dich da!" nickte Lukas und wirbelte ihm mit seiner Hand durchs kurze Haar.
"Ja ", seufzte er:" Klar, das weiß ich, aber das meine ich nicht. Guck mal. Steven hat Sally, du hast Uschi, Basti hat seine Nutten... nur der Weitkamp geht leer aus. Das betrübt mich." Traurig ließ er von seiner Tasse ab und senkte seinen Blick.
Innerlich fühlte er sich um einen Zentner leichter, weil er zumindest das grobe Ganze erwähnt hat. Die Details würden sein Geheimnis bleiben. Aber so wussten nun die Beiden, warum er so drauf war wie er momentan eben war.
Gedankenverloren schaute Saskia zu ihrem Freund. Irgendwas musste sie Unternehmen. Sie wollte, das es ihrem Kumpel wieder gut ging. Dass sie bekifft lachend irgendwo draußen scheiße laberten. Sie wollte ihren alten Tim wiederhaben. Koste es was es wolle.


Pünktlich um 16.00 Uhr stand Saskia hinter dem Tresen und begrüßte Susi. Ihre Schicht begann damit, das sie eine kleine Zwischeninventur von den Spirituosen und den Tabakwaren machten. Das Radio lief leise munter nebenher und ab und an verirrte sich ein Kunde, der sein Benzin zahlen wollte oder einen Snack kaufte.
Saskias Blick fiel auf die Blumensträuße. Sie musste schmunzeln, da sie an Lukas Feature mit den "257s" denken musste.

"Nimm die Rosen von der Tanke und den Ring von mir"

"Hey", Susi stubste sie sanft in die Rippen:" Wieso himmelst du die pottenhäschlichen Blümchen an und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd? Hab ich was nicht mitbekommen?"
"Was? Ach so , nein. Alles gut!", beschwichtige sie.
Aus dem Radio ertönte der Radioslogan

"Die besten Hits von Gestern , Heute und Morgen!! - und jetzt wieder fünf Klassiker aus den 80érn"

Dann erklang die Melodie zu "what a feeling" vom Tanzfilm ' Flashdance' und Susi rannte hinter den Tresen:" Ich liebe die 80s!" sie drehte die Musik etwas lauter, schnappte sich den Besen, der Hinter der Personaltür stand und startete ihren eigenen Flashdance...
Verzaubert starrte Sas zu der Rothaarigen und ließ sich sofort anstecken. Sie tapste zu ihrer Kollegin, die in den Besenstiel sang. Saskia nahm sich eine Tageszeitung, rollte sie ein und symbolisierte damit ihr Mikrofon.

"Well, I hear the music
Close my eyes
Feel the rhythm
Wrap around
Take a hold of my heart"

Susi verlor sich in der Musik. Sie liebte- , spürte- und lebte den Klassiker. Voller Spaß stieg sie auf die Trittleiter und sang aus voller Kehle mit. Zum Refrain konnte Saskia ihre Zeitung auch nicht mehr nur festhalten und tanzte mitsingend durch die Regale:

"What a feeling
Being's believing
I can have it all
Now I'm dancing for my life
Take your passion
And make it happen
Pictures come alive
You can dance right through your life"

Inzwischen war ein älteres Ehepaar in den Shop gekommen, den die Mädels voller Lebenslust komplett überhört und übersehen hatten. Erst nach dem Refrain merkten die beiden Damen, dass Ihre Kundschaft sogar freudig zu dem Takt klatschten. Berlin, was hast du für verrückte Einwohner?
"Hier fühlt man sich ja in seine Teenager Jahre zurück versetzt", lachte der nette Mann und die beiden Angestellten entschuldigten sich mit hochrotem Kopf:" Bitte entschuldigen Sie!", sagte Susi.
"Ach iwo. Es ist ja schön wenn die Junge Generation zu den alten Liedern tanzt. Unser Sohn, Dreizehn ist er, hört nur noch so ... Rap. Da gehts die ganze Zeit nur über Bum Bum und Bäng Bäng. Furchtbar sage ich Ihnen!", schüttete die Frau ihr Herz aus. Saskia musste abermals lachen. Innerlich natürlich. Wenn sie alle wüssten, das sie mit dem Märchenerzähler des Raps zusammen war....
Die nette Kundschaft war schnell wieder weg und das Radio spielte leise Eye of the Tiger.
"Kennst du das SO36?"
"Klar",nickte Saskia:" Wieso?"
"Jetzt Samstag ist da wieder 80er Party. <<Dancing with tears in my eyes>> heißt die", sie blickte freudestrahlend zu ihrer Kollegin:"Hast du nicht bock vorbei zu kommen?"
"Vorbei zu kommen ? Bist du da immer?", fragte Saskia neugierig.
"Mein Exfreund hat mir an der Garderobe einen kleinen Aushilfsjob verschafft. Von 22 - 0 Uhr sorge ich da für Ordnung an dem Kleiderbügel. Danach könnten wir das fortsetzen, was wir hier angefangen haben. Komm sag ja?!", flehend schaute sie Saskia an.
Wenn das keine gelegenheit wäre? Saskia musste es riskieren:" Hättest du was dagegen wenn ich ein paar Freunde mitbringen?" Susi schüttelte den Kopf:" Überhaupt nicht, solange du mir verspricht genau so abzugehen, wie gerade!"
"Gebont!", beide klatschten sich ab. Das war die Gelegenheit, Tim vielleicht mal unter andere Leute zu bringen. Jetzt musste sie nur Lukas und Tim überzeugen.

Neue UferWhere stories live. Discover now