sacrifice (parley)

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parley

»don't you know i'm no good for you?
i've learned to lose, you can't afford to
tore my shirt to stop you bleeding
but nothin' ever stops you leaving«


"Harley?"
Der Junge sitzt zusammengekauert in seinem Stuhl. Sein Knie zittert unkontrolliert.
Er hat es mit sechs Jahren zum ersten Mal bemerkt.

Ein kleiner Junge hatte die Aufmerksamkeit eines Rüpels auf sich gelenkt, der ihn mindestens um einen Kopf überragte. Er war auch größer als Harley, was ihn aber nicht davon abhielt, den kleinen Jungen zu beschützen. Er hatte den Großen weg geschubst und sich vor den Kleineren gestellt. Als Belohnung wurden sie dann beide verprügelt.
Aber immerhin zusammen, dachte sich Harley, während er auf dem Boden lag und sich zusammen krümmte.
Sie beide waren ganz still und gaben kein Ton von sich. Nachdem der Rüpel, von Harley auf den Namen Troll getauft, genug hatte und verschwand, begann der kleine Junge zu weinen. Harley streckte sich nach der kleinen kalten Hand aus und drückte sie. Sie wussten beide nicht, wie lange sie dort lagen. Aber als sie sich wieder beruhigt hatten und vorsichtig aufstanden, wurde es schon dunkel.
"I-ich muss n-nach Hause", stammelte der kleine Junge, "D-danke"
Harley wusste immer noch nicht seinen Namen.
Er nickte nur und sah ihm nach.
Dann entschied er sich doch anders.
"Warte", rief er und spurtete zu ihm hin, "Wie heißt du eigentlich?"
Der Junge sah zu Boden und räusperte sich.
"Peter und du?"

Als Harley dann nach Hause kam und sich fragte, wie er dem Freund seiner Mama am besten erklären könnte, wieso er so blaue Flecken hatte, begann sein Knie zu zittern.

Harley kaut nervös auf seinem Fingernagel herum. Er versucht, den Blicken der Doktorin aus zu weichen. Mit eher mäßigem Erfolg.
"Du bist okay", sagt sie mit ruhiger und vor allem beruhigender Stimme.
Obwohl er sie hasst, kann er nicht leugnen, dass ihre Stimme doch etwas sanftes und friedvolles an sich hat.
Er lässt seine Hand sinken und setzt sich drauf.
Er hasst es, wenn ihm jemand sagt, dass er okay war. Natürlich ist er okay. Er ist in einem Gebäude. Alles ist ruhig. Körperlich ist er okay. Es fehlt trotzdem was. Und wäre er tatsächlich so okay, wie es die Doktorin immer behauptet, wäre er doch gar nicht hier, oder?

"Sie müssen mir nicht immer sagen, dass es mir ach so toll geht", sagt Harley und starrt auf den Tisch vor ihm.
"Das hab ich nie gesagt", erwidert sie. "Nur, dass Du in Sicherheit bist"
"BIN ich aber nicht" Er wird zum Ende hin wieder ruhiger.
"Ich bin es nicht"
"Du bist hier...dir passiert nichts mehr" Harley lacht leise auf. Er beugt sich vor und nimmt das kleine Notizbuch, das dort nur wenige Minuten zuvor achtlos hingeworfen wurde.
"Sie...Sie haben mal gesagt, dass Sicherheit nicht nur ein einfach definierter Zustand ist, sondern...eher subjektiv ist." Er beginnt zu blättern, bis er die richtige Seite gefunden hat. Er zieht geräuschvoll die Nase hoch.
"Ein Gefühl von Sicherheit oder Sicherheit im Allgemeinen kann nicht nur ein Zustand sein, sondern von einer Person ausgehen.", ließt er vor.
"Da haben Sie's" Er klatscht das Buch triumphierend vor ihre Nase. Er lehnt sich wieder zurück und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Also entweder: Sie widersprechen sich selber und würden sich dann im Umkehrschluss auch als nicht kompetent geschweige denn als vertrauenswürdig erweisen oder aber Sie haben bei einem der beiden Lebensweisheiten gelogen. Was dann auch nicht unbedingt für Ihre Vertrauenswürdigkeit spricht" Zufrieden mit sich selbst atmet Harley aus und wartet geduldig auf eine Reaktion.
"Bei welcher würdest du am ehesten sagen, dass ich nicht gelogen habe?" Er schweigt.
"Harley?"
"Beim letzten", flüstert er.
"Wie bitte?"
"Beim letzten", sagt er laut und deutlich.
"Ich werden nie wieder in Sicherheit sein" Er presst die Lippen aufeinander, als wollte er so zeigen, dass er nicht mehr vor hatte zu sprechen.

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