Vorspiel | ✓*

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
Vorspiel

Der Feenpalast war erfüllt von einem dezenten Violinenspiel, das von Flöten und Harfen begleitet wurde. Draußen säuselten frische Windböen still und heimlich durch die Gebirgspässe des Feenbergs. Sie waren kaum mehr als ein Flüstern. In ihren heiligen Hallen, die versteckt hinter vielen kleinen Wasserfällen lagen, musizierten die Feen selbst in tiefster Nacht noch, wenn alles Leben verstummt war und sich die anderen Inselbewohner in einen zauberischen Traum zurückgezogen hatten.

Nansir, der Gott allen Lebens, war einst der Erschaffer der ersten dieser Feen gewesen. Nach ihm wurde der uralte Palast benannt. Der Gott hatte den Feen die Ausübung der Magie gelehrt und diese gaben ihr Wissen wiederum an andere Wesen weiter.

Die strahlenden Hallen Nansirs waren seit jeher ein heiliger Ort für die Feen gewesen, da das magische Licht der Mondlande die Lebensquelle der Feen darstellte. Ihm hatten sie ihre Unsterblichkeit zu verdanken. Zudem spürten sie die fürsorgliche Aura ihres Schöpfers Nansir zu jeder Sekunde.

***

Pflanzen kletterten die Marmorwände von Nansirs Hallen entlang, Baumknollen spalteten die Felsböden und breiteten sich ungehindert aus, und zwischen den edelweißen Nelkenbetten rankte so manch eine nachtblaue Königskerze in die Höhe und schien schwerelos wie eine Wolke über dem Untergrund zu schweben.

Lange, hohe Gänge zogen sich labyrinthartig durch den gesamten Palast. Hinter den Wasserfällen glitzerte nachts das Licht der zahlreichen Monde. Scheinbar unsichtbar wandelten die weisen und schönen Feen durch die Flure und Hallen ihrer Heimat und kamen in den Gärten, Kapellen und den frei stehenden Rankpavillons zusammen.

»Was seht Ihr, Hoheit?«, zwitscherte eine Stimme neugierig. Die Feenhoheit Saahr wandte ihren Blick von dem Brunnenwasser ab und sah mit Wehmut auf. Ihre Augen waren auf das dunkelbraune Flughörnchen gerichtet, das soeben auf dem Ratstisch der Feen im weißen Turm von Mirija gelandet war.

Mondlicht blitzte zwischen den Rundsäulen hervor, welche die eindrucksvolle Kuppel des Turms stemmten. Im Hintergrund rauschten die Wasserfälle.

»Ich sehe die Welt unter der Gier der Menschen zerbrechen. Im Schatten ihrer Sünden erlangt Skadi ihre einstige Macht wieder.« Der Körper der Hoheit zitterte unwillkürlich. Ihr Gesicht lief leichenblass an und plötzlich wurde ihr schwer zumute.

»Hoheit!«, stieß ihr Gegenüber besorgt aus und sprang von dem Tisch, um zu ihr zu eilen. Für einen Augenblick hatte Saahr jegliche Kraft verlassen. Schwer atmend sank sie zu Boden.

»Uns stehen dunkle Zeiten bevor, sollte die Unternehmung des Hexenmeisters scheitern, hörst du, mein lieber Zito?«, brachte die Hoheit mit brüchiger Stimme hervor, die kaum mehr als ein Flüstern war, und kniete erschöpft neben dem Tier, als zehrte das Böse buchstäblich an ihr.

Die kugelrunden Knopfaugen ihres engen Vertrauten flimmerten aufgeregt. Verunsichert legte das Flughörnchen seine kleinen Hände aufeinander und rieb sich nachdenklich über seine Handrücken. Zitos Atmung beschleunigte sich so rasant, dass sein kleiner Brustkorb ganz aufgeregt flatterte. Ein ihm unbekanntes Gefühl keimte in ihm auf. Angst.

Das kleine Zauberwesen hatte selbst miterlebt wie die Feenhoheit beinahe daran zugrunde gegangen war, als das Böse das letzte Mal über Gehinna gewütet hatte. Er sorgte sich um die Feen und um all die anderen Bewohner der Mondlande. Es würde nicht lange dauern, bis sich die Dunkelheit auch über ihren Gefilden ausbreitete.

Ein Schauer überkam Zito. »Was können wir dagegen tun, Hoheit?« Er wagte es kaum die Frage laut auszusprechen.

»Es gibt nur einen, der es vermag den Letzten von ihnen zu finden und ihn zu der Auserkorenen zu leiten. Schick' Thyrol zu mir! Wir benötigen seine Gabe der Gedankenübertragung.«

Heute gab es kaum mehr männliche Feen wie Thyrol einer war. Die meisten von ihnen starben während des großen Kriegs, der damals vor langer Zeit in Gehinna wütete. Feen hatten sich zu lange dort aufgehalten. Denn eins musste man über die Feen der Mondlande wissen: Sind sie zu lange von ihrer heilige Insel und dem magischen Licht ihrer Heimat entfernt, sterben sie.

Thyrol gehörte nicht nur zu den letzten verbliebenen Feenmännern, sondern er war auch einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige, der gegen die Dunkelheit erfolgreich anzukämpfen wusste. Lange Zeit war er durch die Menschenlande gereist, ohne dass das Licht in seinem Herzen jemals verblasste.

Thyrol studierte die Pflanzen und Tiere, und er lernte alles Mögliche über die Lande jenseits der Meerenge, sowie über deren Bewohner. Lange Zeit lebte er sogar wie ein Mensch unter Menschen. Doch Thyrol hatte während seiner Zeit in Gehinna auch schrecklichen Herzschmerz erleiden müssen. Schrecklicher Schmerz, der ihn letzten Endes wieder zurück in die Mondlande geführt hatte.

»Seid Ihr sicher, dass es klug ist den Professor hinzuzuziehen? Seine Seele ist in einem sehr fragilen Zustand seit er sich dazu entschieden hat Gehinna und all seinen Erinnerungen von dort den Rücken zu kehren.«

Zito hatte sich oft mit Thyrol zusammengesetzt und sich seine Gedanken und Sorgen angehört. Darum wusste er auch, dass es Thyrol bereute eine besondere Gabe zu besitzen. Ziti wusste auch, dass der Professor nie mehr in die Menschenlande zurückkehren wollte. Mochte er dies auch nur im Geiste tun.

Die Hoheit nickte jedoch entschieden. Ihr Entschluss schien festzustehen. »Wir haben keine andere Wahl, fürchte ich. Aber sei versichert, liebster Zito, tief in seinem Herzen wusste Thyrol seit dem Augenblick seines damals gefassten Entschlusses, dass ihn seine Vergangenheit eines Tages einholen wird. Dieser Tag ist nun gekommen.«

Zito nickte verständnisvoll und machte sich sofort auf den Weg zu Thyrols Haus. Auch Feenhoheit Saahr verließ den weißen Turm. In Gedanken vertieft spazierte sie noch einige Zeit ziellos durch die Flure von Nansir. Eine unendliche Stille umgab sie. Bloß das aufgeregte Pochen ihres Herzschlag war zu hören. So bald würde ihr Herz nicht aufhören in Rage versetzt zu schlagen. Jedenfalls nicht solange die Angelegenheit mit Skadi geregelt war.

Die Feenhoheit konnte nur sehnsüchtig beten und hoffen, dass das Schicksal ihnen gewogen war. Anderenfalls würde die gesamte Welt Skadis frostklirrende und mit Sicherheit kataklystische Rache zu spüren bekommen ...


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Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt