„Du sollst mir vertrauen!"

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Die Familien unterhalten sich – ich halte mich daraus, höre aber trotzdem zu. Der Abend fliegt wie eine Wolke an mir vorbei, ohne dass ich etwas richtig mitbekomme. Ich bleibe die ganze Zeit über auf meinem Stuhl sitzen – um mich herum die Mädels – und schaue durch die Gegend. Nicht einmal habe ich Samet angeschaut oder ihm näher gekommen, aber seinen Blick spüre ich die ganze Zeit über auf mir. Wie immer bohren sich die blauen Augen in meinen Körper, doch nie nehme ich Blickkontakt mit ihm auf. Es wurde dunkler, deswegen werden die Lampen angemacht. Auf einmal erheben sich unsere Familien, worauf ich sie verwirrt anschaue. Erst als meine Schwiegermutter - ich glaube es immer noch nicht – vor mir stehen bleibt, stehe ich auch auf. Alle Blicke sind auf uns gerichtet. Sie holt mehrere Kisten aus ihrer Tasche heraus und gibt sie Beyza, um sie nacheinander aufzumachen und Goldarmreifen rauszuholen. Ganze fünf Stück macht sie an meinen Arm ran, sodass ich meine Augen aufreiße. Als sie auch noch ein goldenes Halsband herausholt, wäre mein Herz fast stehen geblieben. Warum bekomme ich Gold? Das möchte ich nicht! Wir haben keine richtige Hochzeit gefeiert, also möchte ich auch kein Gold. Gerade wollte ich meinen Mund aufmachen, als ich unbewusst Blickkontakt mit Samet habe. In seinen ernsten Augen sehe ich die Warnung nichts zusagen, was ich ausnahmsweise auch tue.

Deshalb bücke ich mich und küsse die Hand meiner Schwiegermutter. Sie geht zur Seite und lässt Samets Oma, Opa, Tanten und Onkel durch, die mir ebenfalls viel Gold schenken. Als nächstes kommen meine Onkel und Tanten. Zusammen machen sie mir einen Goldgürtel um die Hüften und geben mir dünnere Armkettchen. Das erste was ich gleich machen werde, ist dieses Scheißgold wegzulegen. Ich hasse soviel Schnickschnack. Meine Eltern wissen das, deshalb kommen sie lächelnd auf mich zu und überreichen mir ein blaues Medaillon in der Form eines Herzens. Das Medaillon ist klein, aber fein und genau das richtige für mich.

„Öffne es, Songül.", sagt meine Mutter auf einmal, was ich direkt tue und ein Bild sehe. Es wurde an meinem 20. Geburtstag aufgenommen. Meine Eltern und ich haben in der Türkei Urlaub gemacht. Wir strahlen glücklich in die Kamera. Gerührt füllen sich meine Augen mit Tränen. Dankbar falle ich meinen Eltern um den Hals und murmele ein leises ‚Danke'.

„Damit du dich ohne uns nicht so einsam fühlst.", lächelt mich mein Vater an, worauf ich dankbar nicke. Auf einmal verschwindet das Lächeln meiner Eltern und machen der Trauer Platz.

„Wir sollten langsam aufbrechen, Songül. Es ist schon spät."

Erschrocken schaue ich meine Familie an. Auch die anderen schauen mich traurig an. Sie wollen jetzt schon gehen und mich alleine bei dieser Familie lassen? Plötzlich überkommt mich das Gefühl, was ich als kleines Kind hatte. Es ist das Gefühl der Einsamkeit, wenn meine Eltern mich manchmal einen Tag gönnen wollten und mich bei meiner Oma gelassen haben. Ich habe ihnen immer hinterher geweint, bis mein Opa mich beruhigen konnte.

Genau das gleiche spüre ich gerade auch. Nur dass mein Opa mich diesmal nicht beruhigen und meine Eltern nicht wieder kommen werden. Da ich mir vor den Zaferoglus nicht die Blöße geben wollte, nicke ich tapfer und biss mir auf die Lippe. Ich werde sie jetzt eine Zeitlang nicht mehr sehen. Die Zaferoglus wohnen eine Stunde von unserem Haus weg. Zwar werde ich den Weg trotzdem fahren, aber ich habe nicht immer Freizeit durch meinen Beruf als Krankenschwester.

Tapfer umarme ich meine Tanten und Onkel, meine Oma und Opa, die mich warm anlächeln und ihre Tränen wegwischen. Dann umarme ich meine Cousins, die mich sanft angrinsen.

„Tja, Kleine, hoffentlich schafft es Samet dich zu bändigen. Wir haben es nicht geschafft.", lächelt mich Burhan abi traurig an, was die anderen ihm gleich tun. Das bringt mich zum Kichern.

„Vergiss es, Abi. Das schafft keiner."

Zwar höre ich von irgendwo ein Brummen, ignoriere es aber. Es hat noch keiner geschafft mich ruhig zu stellen, da wird es ein dahergelaufener Typ auf jeden Fall nicht schaffen. Da bin ich mir zu Hundertprozent sicher. Als letztes umarmen mich meine Eltern, die mich gar nicht mehr loslassen wollten. Mein Vater drückt mir einen langen Kuss auf die Stirn.

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