Ich bin bei dir

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|Zwei Jahre circa nach dem zweiten Teil|

Es war ein dunkler Tag auf Berk. Nicht dunkel im Sinne vom Wetter, sondern die Stimmung im Dorf war nicht wie sonst. Denn es war etwas Schlimmes passiert, es gab einen traurigen Verlust. Valka, die zuvor so lange verschwunden war, war gestorben. Der Tod ihres Mannes hatte ihr wohl doch sehr zugesetzt, wodurch ihre Lebenserwartung gesunken war. Das ganze Dorf war sehr betrübt durch ihren Verlust. Jeder fand, sie war eine wundervolle Frau gewesen. Sie hatte immer so viel Fröhlichkeit ins Dorf gebracht. Leider hatten sie diese nur so kurz auskosten können. Immerhin war sie nur etwas mehr als zwei Jahre auf Berk gewesen. Eine viel zu kurze Zeit.
Es war gerade Abend auf Berk. Man hatte zur Mittagszeit von ihrem Tod erfahren und gleich darauf alles für die letzte Ehre vorbereitet. Diese Zeremonie hatte das Ganze nur noch trauriger und emotionaler gemacht.
Vor allem war es bedrückend gewesen, Hicks, dem Sohn von Valka, dabei zuzusehen, wie er todunglücklich einen Pfeil zum Brennen brachte und ihn auf das Boot schoss. Er hatte sich nach der letzten Ehre sofort aus dem Staub gemacht, niemand hatte ihn an diesem Tag mehr gesehen. Es war klar, dass ihn der Tod am allermeisten traf. Es war seine Mutter gewesen. Er war so glücklich gewesen, sie wiederzuhaben, doch nun war sie weg. Genauso wie sein Vater. Seine Eltern waren nun beide nicht mehr bei ihm. Der Wikinger hatte sich in seiner Hütte verschanzt und war nicht mehr rausgekommen. Niemand wollte Hicks stören, er brauchte unbedingt seine Ruhe.
Astrid war sich sehr darüber bewusst, doch langsam machte sie sich extreme Sorgen um ihren Freund. Er war schon seit Stunden nur in seiner Hütte eingesperrt. Nicht einmal Ohnezahn ließ er hinein. Er wollte nur alleine sein, was Astrid für nicht sehr gut hielt. Man brauchte in solchen Momenten viel Liebe und Aufmerksamkeit, sonst versank man alleine in der ganzen Traurigkeit. Damit kannte Astrid sich ganz genau aus, denn vor einem Jahr hatte sie selbst die Erfahrung gemacht. Ihr Vater war gestorben und ohne die Unterstützung ihrer ganzen Freunde, hätte sie es niemals geschafft, sich von dem Tod loszureißen. Am Anfang denkt man zwar, man wollte alleine sein, doch man täuschte sich. Außerdem war Hicks jetzt sowieso schon lange genug alleine gewesen.
Etwas Nervosität machte sich in Astrid breit, als sie Hicks Hütte betrat. Sie hatte absolut keine Ahnung, wie Hicks Zustand gerade war. Er hatte schon seinen Vater verloren und jetzt auch noch seine Mutter. Vielleicht war sein Schmerz diesmal noch schlimmer, da er sich darüber bewusst wurde, dass er beide Elternteile verloren hatte.
Leise kletterte Astrid die Stufen zu Hicks' Zimmer hinauf. Angekommen, bemerkte sie ihn sofort, wie er an seinem Tisch saß. Er hielt etwas in seiner Hand. Astrid konnte es nicht erkennen, da sie ihn von hinten sah. Auf einmal erhob sich seine Stimme: ,,Wer auch immer da ist, lass mich in Ruhe.“ Er klang so wütend und verzweifelt, was Astrid nur noch besorgter machte. Er musste sich so miserabel fühlen. Eigentlich war die Blondine ohne Plan zu ihrem festen Freund gegangen, sie wusste nicht genau, wie sie ihn am besten aufheitern konnte. Sie wollte es einfach spontan auf ihre eigene Art machen.
Ohne irgendetwas zu sagen, ging sie auf Hicks zu. ,,Ich sagte, lass mich-“, wollte Hicks noch mal verdeutlichen, doch er brach ab, als er fühlte, wie Astrid von hinten ihre Arme um ihn legte. ,,Ich werde dich sicher nicht in Ruhe lassen. Du warst jetzt schon lange genug alleine hier oben.“ Die Wikingerin merkte, wie Hicks sich unter ihrer Berührung versteifte. Sie sah in seine Hände. Sie hielten eine Zeichnung von ihm und seiner Mutter, beide lächelnd und glücklich. ,,Astrid, ich weiß, du möchtest mir helfen, aber das kannst du im Moment nicht. Ich will wirklich nur alleine sein.“ ,,Hicks, ich lasse dich nicht alleine. Du brauchst jetzt Unterstützung und-“ ,,Astrid, ich brauche nichts! Ich will einfach meine Ruhe haben!“ Hicks war nun richtig laut geworden. Astrid merkte seiner Stimme an, dass er kurz vorm Weinen war, es sich aber zurückhielt. Er wirkte so gebrochen.
Als Hicks sich noch mehr versteifte, ließ Astrid von ihm ab. Normalerweise hätte Hicks sich sofort entschuldigt, wäre er laut geworden. Doch nun kam keine Entschuldigung. Es ging ihm wirklich schlecht. Er war nicht mehr ganz derselbe. Astrid würde sicher nicht lockerlassen. Sie wollte wieder ihren fröhlichen, lebensfrohen Hicks sehen. Sie wollte, dass er wieder glücklich war. Die 22-Jährige schob den Stuhl, auf dem Hicks saß, mit einem Ruck nach hinten. Schockiert durch diese plötzliche Aktion fuhr Hicks Astrid an: ,,Was soll das, Astrid? Wieso kannst du nicht einfach wieder verschwinden?“
Die Angesprochene ließ sich von diesen Worten nicht beirren. Sie war damals, nach dem Tod ihres Vaters genauso gewesen, hatte genauso, wenn nicht noch aggressiver, reagiert, als Hicks sie besänftigen wollte. Man musste es einfach ignorieren und weiterhin versuchen, der Person zu helfen, bis sie es endlich zuließ.
Sie ging um den Stuhl herum und kniete sich vor Hicks hin. Sie nahm ihm sanft die Zeichnung ab und legte sie auf den Tisch hinter sich. Es tat ihm nicht gut, das Bild anzuschauen, es würde ihn innerlich nur immer mehr zerfressen. 
Astrid legte ihre Hände auf Hicks Knie und blickte ihm ins Gesicht. Keine Tränen, aber ziemlich rote Augen. Er versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Er wollte stark bleiben. Astrid kannte das Gefühl nur zu gut. Doch sie hatte gelernt, dass es manchmal gut tat, sich auszuweinen. Und erst danach, wenn man den Schmerz durch das Weinen etwas gelindert hatte, konnte man wieder normal weitermachen. ,,Astrid, bitte-“, setzte Hicks an und seine Stimme klang noch brüchiger als zuvor. Er mied den Augenkontakt mit seiner Freundin. ,,Hicks“, sagte die Kriegerin. ,,Du darfst nicht alles in dich hineinfressen. Bitte, rede mit mir. Das wird dir guttun.“ ,,Nein, Astrid, ich will nicht darüber reden“, entgegnete er entschlossen und entfernte ihre Hände von seinen Knien. ,,Bitte lass mich einfach in Ruhe. Ich brauche Zeit für mich alleine und danach wird es mir wieder bessergehen, dann können wir meinetwegen reden.“ Astrid schüttelte ihren Kopf. Sie nahm Hicks' Hände, die einfach von den Seiten des Stuhls hingen, und legte ihre eigenen wieder auf seinen Knien ab. Er wollte seine Hände ihren entziehen, doch sie hielt ihn fest und ließ nicht los. ,,Ich hab doch dasselbe vor einem Jahr durchgemacht. Hast du es etwa vergessen? Du warst derjenige, der mir geholfen hat. Du hast mir gezeigt, dass es nicht gut ist, bei so einem tragischen Vorfall alleine zu sein. Durch deine Unterstützung ist es mir wieder besser gegangen. Alleine wäre es mir bestimmt nicht besser gegangen.“ Sie streichelte seine Handrücken. ,,Aber, Astrid, ich-“ ,,Kein Aber, Hicks“, betonte die Drachenreiterin. ,,Lass mich dir helfen, so wie du mir damals geholfen hast.“ Astrid erinnerte sich noch zu gut daran, wie Hicks ihr damals geholfen hatte. Sie hatte sich ebenfalls in ihrer Hütte eingeschlossen und er war zu ihr gekommen und hatte alles versucht, um sie zu besänftigen.
,,Hicks, lass mich einfach! Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich brauche überhaupt keine Hilfe. Mir geht es gut!“, schrie Astrid ihren festen Freund wütend an. Für mehrere Sekunden sagte Hicks nichts. Vielleicht hatte Astrid ihn genug angeschrien und er würde nun endlich weggehen. Doch stattdessen zog er sie plötzlich in eine Umarmung. ,,Hicks, was soll das?!“, fuhr die Blondine ihn an und wollte sich losreißen, doch der Wikinger hielt sie mit aller Kraft fest. ,,Astrid, hör mir zu“, sagte er und entfernte sich etwas, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. ,,Ich bin bei dir, okay? Du musst das jetzt nicht alleine durchstehen.“ Er fuhr mit seiner einen Hand durch ihre Haare. ,,Ich bin dein Freund, ich möchte, dass es dir gut geht. Also bitte, lass mich dir helfen.“
,,Ich bin bei dir, Hicks. Ich bin deine Freundin und möchte nicht, dass es dir schlecht geht. Lass mich dir helfen, bitte“, meinte Astrid leise. Hicks verstand sofort die Anspielung auf seine eigenen Worte vor einem Jahr. Die Kämpferin merkte, dass Hicks' Anspannung sich etwas löste. ,,Ich“, begann er stockend. ,,Ich hab meinen Vater verloren. Und jetzt auch noch meine Mutter. Was...Was soll ich machen, Astrid? Sie sind beide tot. Ich habe keine Familie mehr“ Er musste sich die Tränen angestrengt zurückhalten und starrte nur auf ihre Hände hinab. ,,Sag das doch nicht“, kam von Astrid, die etwas schockiert durch seine Worte war. ,,Ich weiß, du hast jetzt keine Eltern mehr und es ist auch sehr schwierig, das zu akzeptieren. Aber Familie ist doch nicht immer nur Blut. Du hast Ohnezahn, du hast Grobian, du hast die ganzen Drachenreiter.“ Die Blonde legte sich eine Hand an ihre Brust. ,,Und du hast mich.“ ,,Ich weiß, Astrid, aber...wieso musste es so kommen? Ich wollte doch nur schöne Jahre mit meiner Mutter verbringen. Aber das kann ich jetzt nicht mehr.“ Astrid blieb für ein paar Sekunden stumm, nicht wissend, was sie als Nächstes sagen sollte. Hicks wischte sich mit einer Hand kurz über sein Auge, um die eine aufkommende Träne nicht zum Fallen zu bringen. Dann ließ er wieder Astrid die Hand nehmen. Diese sagte schließlich: ,,Denk doch mal, wie glücklich deine Mutter jetzt wohl ist.“ Hicks gab ihr kurz einen verwirrten Blick mit einem ,,W-Was?“ Astrid lächelte ihn milde an. ,,Sie ist jetzt in Walhalla, gemeinsam mit Haudrauf. Sie sind beide bestimmt ganz außer sich vor Glück. Sie können jetzt für immer zusammen sein, Zeit miteinander verbringen und die ganzen 20 Jahre, die sie verpasst haben, nachholen.“ Hicks sah wieder betrübt auf ihre Hände hinab, sagte aber nichts. ,,Ist das nicht das Schönste? Zeit mit seinem Geliebten verbringen?“, fragte Astrid und neigte ihren Kopf etwas zur Seite. Kurz hob sich Hicks' Mundwinkel, doch das kleine Lächeln verschwand gleich darauf wieder. ,,Aber trotzdem, ich...ich will nicht wahrhaben, dass sie jetzt tatsächlich beide weg sind“, schluchzte Hicks und wollte sich wieder eine Träne wegwischen, doch Astrid hielt ihn am Handgelenk fest. ,,Nicht, Hicks“, sie sah ihn mitleidig und besorgt an. ,,Du darfst nicht alles in dich hineinfressen. Lass es doch einfach raus.“ ,,Aber...ich will keine Schwäche zeigen.“ ,,Hör zu, ich habe vom letzten Jahr eine Sache gelernt. Und zwar, dass Weinen keine Schwäche ist. Klar, wenn man wegen jeder Kleinigkeit weint ist das ziemlich erbärmlich. Aber wenn ein Elternteil stirbt, das bereitet so viel Schmerzen. Da ist doch klar, dass man weint. Also bist du genauso stark wie zuvor, auch wenn du weinst. Das bedeutet echt was, wenn ich, Astrid Hofferson, das sage“, besänftigte die Wikingerin ihn. Bei dem letzten Satz musste Hicks wieder kurz lächeln, aber eben nur kurz. Trotzdem sah Astrid das als gutes Zeichen. ,,Na, komm“, sagte sie und stand auf. Sie nahm Hicks' Hand und zog ihn langsam auf seine Beine. Seine Bewegungen wirkten allesamt so schwach, als hätte er überhaupt keine Energie mehr. Astrid führte ihn zum Bett, gab ihm einen kleinen Schubser, damit er darauf Platz nahm und legte sich dann neben ihn. Die Berkianerin legte die Decke über sie beide und platzierte Hicks' Kopf dann auf ihrer Schulter. ,,Weine dich aus, so viel wie du willst. Ich habe genug Zeit“, flüsterte Astrid und schlang ihren Arm um Hicks. Zuerst kam nur Schluchzen von ihm, bis sich schließlich immer mehr Tränen in seinen Augen formten und runterfielen. Es wurden immer mehr und Astrids Oberteil wurde an einer Stelle ganz nass, was ihr aber nichts ausmachte. Für sie zählte nur, dass Hicks sich bei ihr ausweinen konnte, damit es ihm so bald wie möglich besserging. Die Blondine streichelte ihm beruhigend durch die Haare, ab und zu wischte sie auch eine Träne von seiner Wange. Sie flüsterte ihm oft beruhigende Worte wie ,,Ich bin bei dir“ zu oder gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Astrid hatte keine Ahnung, wie lange sie da nun gelegen waren. Irgendwann jedenfalls war Hicks eingeschlafen. Die junge Frau beobachtete ihn kurz beim Schlafen und war froh darüber, dass er wenigstens nun Ruhe beim Schlafen gefunden hatte. Sie drückte ihm noch einen Kuss auf die Stirn auf und wisperte: ,,Alles wird gut werden, keine Sorge. Dir wird es wieder besser gehen.“ Dann schlief sie ebenfalls ein, Hicks fest mit ihren Armen umschlossen.

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I know, Valka und auch Astrids Eltern leben alle im dritten Teil von Drachenzähmen Leicht Gemacht, aber dieser Oneshot hat sich eben nicht ganz dran gehalten.😅 Ich hoffe, euch hat dieser Oneshot gefallen!
Ich würde mich auch sehr darüber freuen, wenn ihr bei meinem neusten Buch ,,Hiccstrid ~ Rote Bilder“ vorbeischaut😉

☆Hiccstrid ~ Oneshots☆Donde viven las historias. Descúbrelo ahora