II. 15||chest pain

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[24. September 1993, Dienstag]

Von diesem Tag an hatte sie sich verändert. Rückblickend betrachtet war Violett sich nicht so wirklich sicher ob die letzten zwei Jahre sie zu einem guten oder schlechten Menschen gemacht hatten.

...

Nach der letzten Unterrichtsstunde machte sie sich auf den Weg nach draußen, hin zur Raucherecke. Sie ließ sich Zeit, laß noch die neu aufgehangenen Zettel im Info Kasten bevor sie das Schulgebäude verließ.

Ihr nächster Kunde lehnte bereits an der Hausmauer.

„Du bist zu spät." murrte Tobias Bale doch Violett zuckte nur mit den Schultern.
„Solange du pünktlich bist ist das egal."
Er gehörte zum Football Team und war mit seiner gehirntoten bitchy Freundin die wiederum zu den Cheerleadern gehörte ein perfekt klischeehaftes Affenpärchen.

Zwar konnte Violett ihn aus Prinzip nicht leiden, doch war er noch einer der Typen die am wenigsten scheiße waren und da er Geld hatte, hatte sie es nicht abgelehnt ihm etwas zu verkaufen.
Sie musste das Zeug loswerden.

„Hast du das Geld?" fragte sie in normaler Lautstärke doch Tobias blickte sich sofort panisch um und riss leicht die Augen auf, als würde gleich jemand hinter dem nächsten Baum hervorspringen und sie entlarven.

„Ja..." murmelte er, streckte die Hand aus und sie schlug ein, drückte ihm dabei das Päckchen weed entgegen und nahm den zwanzig Dollar Schein an.

Während er sich nun hinkniete und das kleine Tütchen in seine rechte Socke steckte, schaute er sich abermals um.

„Jetzt scheiß dich mal nicht ein." Violett verdrehte die Augen,

„das sind zwei Gramm weed und kein koks."

„Was auch immer." murmelte er und richtete sich wieder auf,
„Schon schlimm genug das ich hier mit Dir stehe."

Sie hob eine Augenbraue.
„Glaub mir Bale, ich hab auch kein Bock mit Dir gesehen zu werden." damit drehte sie sich um und ging.
Violett glaubte das Tobias noch etwas gesagt hatte, doch da war sie schon hinter der Ecke verschwunden.
es interessierte sie auch nicht.

Auf dem nach Hause Weg kam Violett jedes Mal an dem Haus der O'basses vorbei.
Das rote Graffiti was Eliot vor zwei Jahren über der ganzen Hauswand verteilt hatte war zwar mittlerweile etwas verblasst aber immer noch gut Lesbar

Home of the O'Bastards

Violett wusste das sie es hatten entfernen wollen, doch irgendetwas in der Farbe dieser Spraydosen hatte sich so in das helle Gemäuer gefressen das es quasi unmöglich war die Schmiererei wegzuwaschen.

Cameron, der ältere Sohn der O'Basses, und ihr Bruder führten schon seit der Highschool Krieg miteinander und der war mit den Jahren gewachsen.

Sie konnte sich noch daran erinnern wie es sich immer mehr hochgeschaukelt hatte, bis es vor ein bisschen weniger als zwei Jahren den Höhepunkt erreicht hatte.

Kurz nachdem Eliot, Camerons Haus besprüht hatte.

...

Sie stapfte die Stufen des Wohnblocks empor in dessen vierten Stock sie lebte.

Es gab keinen Aufzug und die Treppen waren außen, so das man im Winter jedes Mal Gefahr lief auf den vereisten Stufen auszurutschen und sich das Genick zu brechen.
Einem war das sogar mal passiert, ein älterer Mann den Violett nie wirklich hatte leiden können.
Sein blöder Hund hatte immer in die schmalen Flure geschissen welche ebenfalls an den äußeren Mauern des Gebäudes entlangliefen.

Oben angekommen hielt sie kurz inne und blickte auf die Stadt die man von hier ganz überblicken konnte.

Der Supermarkt, wo sie sich erst vor wenigen Tagen mit Davis angelegt hatte, war nur wenige hundert Meter von dem Plattenbau entfernt.

Lehnte man sich etwas über die Brüstung und blickte dann links an der Hauswand des Blocks vorbei, tat sich dahinter die Welt ihres gleichen auf.

Eine Welt die zwar jetzt gerade in diesem Moment in dieser Zeit und in diesem Städtchen stattfand, um die jedoch der Rest der Bewohner ihrer Kleinstadt einen großen Bogen machte.

Sie machten einen Bogen um den Abschaum, um die Problemkinder und Junkies und Verbrecher und Sozialschmarotzer.
Diebe, Dealer, Schlampen und Illegale Migranten.
So nannte man sie.

Violett fragte sich, was ein Mädchen wie Alice Williams in solch eine Gegend verschlagen hatte.
Sie überlegte angestrengt doch die einzige plausible Antwort auf die sie kam war ihre Naivität.

Ja, Alice war nicht dumm, aber naiv.
So naiv, einer ausgestoßenen zu helfen und dabei selbst Gefahr zu laufen Ärger zu kassieren.
So naiv, der selben ausgestoßenen zu sagen sie solle auf sich aufpassen und dabei nicht mal die geringste Ahnung hatte wer diese eigentlich war.
So unschuldig das sie noch nie geküsst worden war.

Diesen ersten Kuss hatte Violett ihr gestohlen.
Und das tat ihr auf einmal so leid, das sie ein schmerzhaftes stechen in der Brust verspürte.

Es zog so sehr das sie sich kurz krümmen musste und die Luft anhielt, bis der plötzlich aufgekommene Schmerz wieder vorüber war.

Verwirrt richtete sie sich auf und blinzelte ein paar mal.
Merkwürdig.
Vielleicht sollte sie sich demnächst mal bei der Schulkrankenschwester melden und checken lassen ob alles in Ordnung war...

Princess ||girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt