DAVOR

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Dean ~

„Herzlich Willkommen beim Johnson & Johnson Verlag. Wie kann ich ihnen behilflich sein?", fragte mich die blonde, viel zu aufgetakelte, Sekretärin. Sie schaute mich über ihren sorgfältig aufgeräumten Schreibtisch, mit einem aufgesetzten Lächeln, an.

„Ich habe einen Termin bei Mr. Johnson", antwortete ich, worauf sie mich über ihre Brille hinweg musterte.

„Ach wirklich?" Die Sekretärin lachte, doch es klang nicht echt. „Ihr Name?"

„Dean Rodriguez."

Sie tippte etwas in den Computer ein und rümpfte die Nase, als sie mich wieder ansah. „Hier steht, dass sie erst in einer dreiviertel Stunde einen Termin haben."

„Das ist korrekt", bestätigte ich und straffte die Schultern.

„Dann können Sie hier Platz nehmen und warten oder kommen später wieder", schlug die Dame, mittleren Alters, vor und fast gleichzeitig wandten wir unsere Köpfe zu den riesigen Glastüren. Draußen tobte ein eisiger Schneesturm und ein paar der Sicherheitsmänner versuchten gerade den Schnee von draußen nicht hereinzulassen.

„Ich werde wohl hier warten."

„Natürlich", sagte sie knapp und wandte sich wieder ihren Unterlagen zu, als wäre das Gespräch nun beendet.

Ihnen auch noch einen schönen Tag, dachte ich und verdrehte innerlich die Augen.

Ich nahm auf einem der dunkelbraunen Sessel platz, die vereinzelt im großen Foyer standen. Meine Hand zuckte automatisch zu der Innentasche meines Jacketts, doch schnell ließ ich sie wieder sinken.

In der Tasche befand sich ein Glücksbringer, den ich schon seit der ersten Klasse besaß. Ich hatte ihn einmal von meiner Mutter bekommen. Er erinnerte mich jedes Mal schmerzlich daran, wie es früher einmal zwischen uns gewesen war. Trotzdem konnte ich mich nicht von ihm trennen. Der Anhänger gab mir Sicherheit, obwohl sein Anblick kein leichter war.

Ich rieb mir mit den Fingern über die Augen und hätte am liebsten laut aufgestöhnt. Nicht einen Tag schaffte ich es, die Gedanken und Dämonen auszusperren. Immer und immer wieder schafften sie es, sich ungewollt Zutritt zu verschaffen.

Um mich abzulenken betrachtete ich das Empfangsfoyer genauer. Es gab hohe Decken und die teure Ausstattung konnte man nicht übersehen. Aber wen wunderte es. Dieser Verlag war schließlich der Reichste und Bekannteste der ganzen Stadt.

Nicht weit entfernt von mir stand ein Tisch, auf dem Zeitschriften verteilt waren. Doch ich nahm keine in die Hand, um sie mir genauer anzusehen oder zu lesen, stattdessen kramte ich mein Handy aus meiner Hosentasche.

Genau in dem Moment blinkte der Bildschirm auf. Eine Nachricht von Mom.

Ohne die Nachricht zu öffnen schaltete ich das Gerät aus.

Nervös strich ich meine schwitzigen Hände an meiner grauen Stoffhose ab. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die lächerlich aussehenden Anzugträger, die in die Fahrstühle stiegen oder sich die Treppen hinauf kämpften, weil sie auf die Idee kamen, mal wieder etwas für ihre Gesundheit zu tun.

In diesem Moment musste ich an meinen Vater denken. Wie gut er doch hier reinpassen würde. Eigentlich würde es mich nicht wundern, wenn er jeden Moment an mir vorbeimarschieren würde. Mit seiner hässlichen Aktentasche unter dem Arm, die zu meinen Füßen stand.

Als Kind hatte war ich ihr einmal zu nahegekommen, da kleine Kinder eben alles anfassten, was ihnen in die Finger kam. Ich erinnerte mich noch gut an diesen Tag. Die Schmerzen waren unvergesslich gewesen. Sowohl körperlich als auch psychisch.

Es hatte keinen Sinn hier zu warten, dachte ich, als ich mich erhob und die Aktentasche vom Boden hochhob. Dabei spiegelte ich mich in dem schwarzen Marmorboden.

Ich war selten wirklich nervös, jedoch brauchte ich dieses Praktikum unbedingt. Hier ging es um die Chance, etwas aus meinem Leben zu machen. Hier ging es darum, von meinen Eltern loszukommen.

Ich lief zu den Aufzügen, vor denen bis vor kurzem noch eine Menge Leute gewartet hatten, jetzt jedoch alles leer war und drückte den Knopf, damit der Aufzug zu mir herunterfuhr.

Die Türen öffneten sich und ich trat in den, vielleicht fünf Quadratmeter, großen Raum. Bevor sich die Türen jedoch wieder schlossen, konnte ich noch einen Blick durch die Glastüren auf den Schneesturm werfen, der von Zeit zu Zeit, die Oberhand über die Stadt gewann.

DeadrosesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt