39. Mina

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Entnervt werfe ich den Hörer auf den Schreibtisch, ich habe das Gefühl, sämtliche Firmen wollen mich verarschen.

„Na, hast du Glück gehabt?", will Alex wissen. Frustriert schüttele ich den Kopf.

„Man könnte meinen wir brauchen eine komplett neue Tür inklusive Wand, dabei brauchen wir lediglich ein neues Schloss inklusive Klinken. Die Firma wollte fast 500€ haben, plus Anfahrt, plus eventuelle Zulagen, die spinnen doch. Dann bleibt die Tür vom Büro jetzt einfach dauerhaft auf, alles andere ist doch Wahnsinn."

Vor ein paar Tagen ist die Türklinke unserer Bürotür abgebrochen, seitdem versuche ich verzweifelt jemanden zu finden der das repariert ohne ein Vermögen dafür zu verlangen, vielleicht muss ich es doch selbst versuchen, das kann doch eigentlich nicht so schwer sein.

„Bis wann bist du heute im Laden?", will Alex wissen. Ich werfe einen Blick auf die Akten die sich auf dem Schreibtisch türmen, Renate ist nun bereits zum November in Rente gegangen und ich bin noch dabei mich irgendwie in den Schreibkram einzuarbeiten, während ich nebenbei unsere neue Verkäuferin anlerne. „Ich denke ich bleibe heute Abend noch ein Weilchen um endlich mal den ganzen Aktenkram wegzuarbeiten, damit ich ab nächster Woche voll im Laden mitarbeiten kann.", seufze ich. Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür und ich denke, dass wir ab nächster Woche jede helfende Hand im Laden gebrauchen können.

„Mach langsam Mina! Du arbeitest in letzter Zeit für zwei. Mach doch früh Feierabend und gönne dir einen ruhigen Abend.", meint Alex besorgt.

Ich schüttele den Kopf. „Was soll ich zu Hause? Es wartet schließlich niemand auf mich und ob ich nun hier sitze oder da ist doch auch egal."

„Du weißt dass jemand auf dich warten würde, wenn du..."

Ich schnaube und schüttele den Kopf. „Ist gut Alex! Bitte lass das!" Ich habe es ihm tatsächlich übel genommen, dass er ohne ein Wort zu sagen mit Paddy und den Kindern für eine Woche in den Urlaub gefahren ist, wie konnte er mir nur so in den Rücken fallen? Er ist sich keiner Schuld bewusst und meinte nur, dass er sich in unsere Streitigkeiten nicht einmischen würde, Paddy hätte ihm in der Not geholfen und die Woche hätte allen gut getan. Ich seufze, ich will nicht an ihn denken, ich bin viel besser ohne ihn dran und er ohne mich, er soll einfach mit Merle glücklich werden. Wobei Carina und Alex mir beide erzählt haben, dass er sich getrennt hat, was sofort mein schlechtes Gewissen auf den Plan gerufen hat, das wollte ich nicht. Zumindest tut er mir den Gefallen und meldet sich wirklich nicht, vielleicht vergisst er mich ja einfach irgendwann.

Kopfschüttelnd wende ich mich wieder meinen Rechnungen zu, ich habe jetzt keine Zeit mir über ihn Gedanken zu machen. In den nächsten zwei Stunden versinke ich in meinen Rechnungen und Bestellungen, habe endlich das Gefühl voran zu kommen. Ab und an höre ich das Gemurmel von Alex der Heidi, unsere neue Kollegin, einarbeitet und ihr das Kassensystem erklärt. Irgendwann höre ich die Türglocke, dann ein gemurmeltes Gespräch, meine die Stimme zu kennen, aber er wird es ja wohl nicht wagen hier aufzutauchen oder doch? Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und versuche einen Blick in den Laden zu werfen, aber ich sehe nichts. Nur Heidi, die sich ihre Tasche und Jacke holt und sich in den Feierabend verabschiedet. Kurz überlege ich, dann rufe ich sie. „Heidi, sag mal, wer ist in den Laden gekommen?"

Irritiert sieht sie mich an. „Äh... Ein Kunde, Alex kümmert sich, ich muss los, sonst verpasse ich meinen Bus. Das ist doch okay oder? Also Alex hat gesagt, dass er ihn berät und ich..."

Müde winke ich ab. „Schon gut, sorry, so war das gar nicht gemeint, ich dachte ich würde den Kunden kennen aber... Nicht so wichtig, schönen Feierabend!" Heidi wirft mir noch einen fragenden Blick zu, dann zuckt sie mit den Schultern und geht. Ich wende mich wieder meinem PC zu und mache die Zeitschriftenbestellungen für die nächste Woche fertig. Theoretisch könnte ich tatsächlich Feierabend machen, der Schreibtisch ist leer, alle Mails sind bearbeitet, es gibt tatsächlich nichts zu tun. Aber der Gedanke an meine leere Wohnung ist nicht wirklich angenehm, ich könnte die Schaufenster neu dekorieren, ja genau, das werde ich machen. Sobald Alex weg ist werde ich mich um die Schaufenster kümmern, Staubwischen, vielleicht die Regale neu sortieren, ich werde mich schon beschäftigt kriegen. Irgendwo hinter dem Schreibtisch muss die Kiste mit der Weihnachtsdeko sein, ich krabbele unter den Tisch und schiebe den Mülleimer und einige Kisten mit undefinierbarem Kram zur Seite, hier könnten wir auch mal wieder aufräumen, eigentlich gleicht das Büro auch eher einer Rumpelkammer, das könnte ich morgen tun.

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