I. Geschädigt

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"Your trauma is not your fault,
but healing is your responsibility."

~Unknown

Bis heute erinnere ich mich noch genau an die liebevollen Worte meiner Mutter, an ihre sanfte Stimme dabei und den sanftmütigen Blick, mit dem sie mich damals bedachte als sie zu mir sagte: "Wenn dich Menschen nicht so akzeptieren wie du bist, lass sie los, denn sie haben dich nicht verdient."
Ob sie damals schon ahnte, welche Richtung mein liebendes Herz einmal einschlagen wird?
Zwar haben wir nie darüber gesprochen, doch ich bin mir sicher die Erkenntnis über meine Homosexualität hätte die Liebe zu mir in keinster Weise geschmälert.

Meine beste und langjährige Freundin Katrina kennt mein Geheimnis und war mir nach dem Tod meiner Mutter eine besonders große Stütze. Sie ist jetzt meine Familie, denn ich habe sonst niemanden, dem ich mehr Vertrauen und Liebe schenke als ihr.

Glücklicherweise hat meine Mom gut für mich gesorgt und mir damit eine Zukunft geebnet. Ihre Eigentumswohnung ist nach ihrem Tod an mich übergangen, sowie enorme Rücklagen, die mir bis heute mein Studium finanzieren. Ein schwacher Trost für die Tatsache, dass ich sie nie wieder sehen werde...

Mittlerweile bin ich zweiundzwanzig und im sechsten Semester meines Anglistik Studiums auf Lehramt. Katrina und ich haben vor drei Jahren gemeinsam unser Studium begonnen und sind immer noch unzertrennlich.

Nebenbei arbeitet sie in einer Bar für bekanntlich homosexuelle Gäste. Sie selbst hat dadurch schon die ein oder andere heiße Bekanntschaft gemacht. Ihre Vorliebe gilt dabei langem braunen Haar und weiblichen Rundungen. Ich beneide sie oft um ihre Unbeschwertheit, ihre innere Balance und den Mut, zu sich selbst zu stehen.

Ich habe erst kürzlich diesen Mut gefunden und mich geoutet. Die Angst vor Ablehnung pulsiert noch tief in meinen Gliedern, beeinflusst mein Handeln und mein Wesen. Ich versuche jede Tag einen kleinen Schritt zu machen und nicht vom Weg abzukommen. An der Ziellinie steht ein selbstbewusster erwachsener Mann, der mit sich im Reinen ist und zu wahrer Selbstliebe gefunden hat. Vor mir liegt noch ein langer Weg...

Immer wieder habe ich mit mir gehadert, mein Studium nicht einfach als offenkundig Hetrosexueller durchzuziehen. Doch Selbstverleugnung wiegt schwer auf den Schultern und irgendwann ist man es leid, vorzugeben jemand zu sein, der man nie sein wird.

Mittlerweile haben die Semesterferien begonnen und ich habe mir nun endlich ein Herz gefasst und mich auf einer Dating Website für Homosexuelle angemeldet. Katrina hat mir geholfen mein Profil einzurichten und dabei nur ein wenig geflunkert.

Ich muss zugeben, es hat mich schon stark verunsichert zu lesen, was andere Menschen für Neigungen oder Fetische haben. So offen über seine Sehnsüchte zu sprechen ist ein großer Schritt für mich. Dabei bin ich nicht mal sonderlich wählerisch. Ich möchte lediglich einen Mann finden, dessen Herz am richtigen Fleck sitzt und der mir allein mit seiner Anwesenheit ein Gefühl von Zuhause vermittelt. 'Ist das zu viel verlangt?'
Ich hoffe nicht...

Als ich schließlich schon die Hoffnung aufgeben will, so jemanden zu finden, bekomme ich eine Nachricht von einem jungen Mann. Sein Name ist Will, vierundzwanzig Jahre alt und ein echter Hingucker. Ich weiß, ich muss damit rechnen, dass niemand so aussieht, wie er vorgibt, aber noch möchte ich mich an die schöne Vorstellung klammern, vielleicht schon jetzt den Richtigen gefunden zu haben.

Das Glück scheint seit langer Zeit wieder auf meiner Seite zu sein. Will und ich schreiben uns über mehrere Wochen täglich und lernen einander ganz ohne Druck kennen. Mir gefällt seine offene und humorvolle Art. In den letzten Unterhaltungen fällt immer wieder das Stichwort Date. Will möchte mich unbedingt treffen.

Angriff & Verteidigung (Wird derzeit überarbeitet!) Where stories live. Discover now