V. Von Vergebung und Loslassen

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Im Bus zücke ich aufgebracht mein Handy und wähle Katrinas Nummer. Ich muss es selbst von ihr hören.
Nach den ersten zwei Freizeichen geht sie schließlich ran.
"Magnus, schön dich zu.."
"Du kanntest also Alexander bereits, bevor ich ihn kannte?" bringe ich stockend und zähneknirschend heraus.

Stille.

"Also stimmt es?" fauche ich.
"Magnus, bitte lass mich erklären. Wir haben uns Sorgen.."
Doch ich lasse sie ihren Satz nicht zu Ende sprechen und lege einfach auf. Ich will es nicht hören. Kurz darauf versucht sie im zwei Minuten Takt, mich zu erreichen. Wütend schalte ich mein Handy aus.

Als ich es abends im Bett wieder anstelle, um zu sehen, wie oft ich es ihr wert bin, mich anzurufen lese ich '30 Anrufe in Abwesenheit' und 'eine neue Nachricht' auf dem Display.
Inzwischen habe ich mich wieder etwas beruhigt und bin bereit, ihre Nachricht zu lesen, ich muss ja nicht darauf antworten..

"Magnus, es tut mir leid, dass ich dir nicht von Anfang an die Wahrheit erzählt habe, aber wir wollten wirklich nur das Beste für dich. Wir kennen uns schon solange, du bist wie ein Bruder für mich und ich liebe dich. Ich hoffe, dass du unsere Entscheidung eines Tages verstehst. Und auch wenn du mich jetzt vielleicht hasst, du kannst immer auf mich zählen, wenn du eine starke Schulter brauchst.
Ich habe für morgen früh um 10.00 Uhr einen Tisch zum Frühstück in unserem Lieblingscafé reserviert. Ich würde dir das alles gern persönlich erklären. "

Katrina

Am nächsten Morgen treffe ich mich tatsächlich mit Katrina, zum Frühstück in unserem Lieblingscafé Hunters Moon. Ich kann ihr einfach nicht lange böse sein. Außerdem brauche ich dringend jemanden zum Reden und jemanden, der mir sagt, wie ich mit dieser ganzen Situation umgehen soll. Während wir unseren heißen Red Eye trinken, erzähle ich ihr die ganze Geschichte von Alexander und mir.

"Du magst ihn also?" hakt Katrina nach.
"Ja, aber er hat mich angelogen.. und du auch. "
"Wir haben nicht direkt gelogen, wir haben vielleicht ein paar kleine Details ausgelassen."
Argwöhnisch betrachte ich Katrina. "So kann man es natürlich auch ausdrücken."

"Ach komm' schon, Magnus. Hätte ich dir damals nicht diesen Flyer in die Hand gedrückt und dich immer wieder damit genervt, wärst du doch nie dort hingefahren."
"Mag sein, aber ich..ich hab mich total lächerlich vor ihm gemacht."
"Weil du verprügelt wurdest, weil du auf Männer stehst, aber vorgegeben hast überfallen und ausgeraubt worden zu sein? Weil du vorgegeben hast, hetero zu sein?"

"Wenn du es so sagst, klingt es.."
"Idiotisch?"
"Katrina?"
"Tut mir leid, Magnus, aber einer muss dir ja den Kopf waschen."
"Und dabei gehst du wie immer sehr sanft vor."
"Ich bin nicht hier um dir deinen Hintern zu pudern, Magnus. Ich weiß, du hattest eine harte Zeit, aber du kannst dich nicht ewig hinter deiner Angst verstecken."
"Ich weiß. Was sage ich denn jetzt Alexander? Ich war furchtbar zu ihm."

"Mach dir nicht so viele Gedanken darüber. Am besten ist es, wenn du einfach aussprichst, was du fühlst."
"Das sagst du so einfach. Ich bringe bestimmt kein Wort heraus. Kann ich ihm nicht einfach eine Nachricht schicken?"
"Nein, kannst du nicht. So etwas macht man nicht über Textnachrichten, das regelt man persönlich und jetzt hast du die Gelegenheit dazu."
"Was?" frage ich verdutzt.
„Ich geh' mal kurz für kleine Mädchen." Katrina zwinkert mir zu und verschwindet in Richtung der Damen Toiletten.

"Katrina, was meinst du?" rufe ich ihr verwirrt hinterher.
Plötzlich fällt mein Blick auf die Eingangstür. Alexander ist gerade zur Tür hereingekommen und blickt nun in meine Richtung. Mein Herz macht einen Satz und hämmert wild in meiner Brust. Ich muss mich zwingen, kontinuierlich weiter zu atmen. Mit langen geschmeidigen Schritten kommt er jetzt auf mich zu.

"Alexander?"
"Hallo, Magnus. Darf ich mich zu dir setzen?" erkundigt er sich vorsichtig.
"Okay."
Alexander scheint irgendwie nervös zu sein, obwohl er sonst immer so ausgeglichen und entspannt wirkt..
"Hör zu Magnus, wegen gestern.."
"Bitte, Alexander, du musst nicht.."
"Doch, bitte lass' mich ausreden.

Ich hätte dir von Anfang an erzählen sollen, dass ich deine Geschichte kannte, dass ich Katrina kannte, dass ich derjenige war, der dich an diesem Abend in der Gasse gefunden hat, aber ich wollte zuerst dein Vertrauen gewinnen. Ich wollte, dass du es mir selbst erzählst. Du warst so furchtbar verängstigt und hast diese riesige Mauer um dich herum errichtet. Ich möchte, dass du weißt, dass du mir sehr wichtig bist und ich mich um dich sorge.

Anfangs habe ich versucht, nicht zu viele Gefühle zuzulassen, aber.. Du brauchst diesen Kurs, Magnus. Du musst in der Lage sein, dich schützen zu können. Du kannst nicht dein Leben lang in Angst leben, dafür ist es zu wertvoll, dafür bist du zu wertvoll. Und wenn du mich jetzt nicht mehr als Lehrer haben möchtest, kann ich das verstehen. Ich vermittle dir einen von meinen Kollegen und du kannst wie gewohnt weiter trainieren, ohne dass es dir unangenehm sein muss. Nur bitte, mach weiter."

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer, dass es mir leid tut." murmel ich mit gesenktem Blick vor mich hin.
"Es war mein Fehler, du hast nichts falsch gemacht Magnus."
„Ich hätte dich nicht so beschimpfen dürfen."
Alexander seufzt schwer. „Magnus, ich bin schon groß, ich kann damit umgehen. Außerdem hatte ich es verdient. "

"Und warum fühle ich mich dann so hundeelend?" Wieder kann ihn nicht ansehen, meine Augen werden glasig, meine Hände zitterten.
"Ich weiß, dass du Zeit brauchst, Zeit zu heilen und dass es dir schwer fällt Menschen zu vertrauen, aber ich verspreche dir, dass du darüber hinwegkommen wirst."

Ganz unerwartet spüre ich plötzlich Alexanders sanfte Lippen auf meiner Wange. Sie sind so warm und weich,  ein schönes Gefühl.
"Gib' nicht auf." flüstert er mir ins Ohr und verlässt das Café. Als die Türklingtel wieder ertönt, laufen mir auch schon meine Tränen. 'Alexander mag mich, ich bin ihm wichtig?'
"Magnus, ist alles okay?" fragt mich Katrina besorgt und nimmt mich schließlich in ihren Arm. Ich vergrabe mein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
"Nicht wirklich."

"Was hat er gesagt, was hast du gesagt?"
Ich versuche, mich etwas zu beruhigen und wische mir meine feuchten Tränen aus dem Gesicht.
"Eigentlich hat er die meiste Zeit geredet, ich hab nicht wirklich viel heraus bekommen."
"Magnus.."
"Hast du dieses Treffen arrangiert?" schniefe ich.
"Natürlich, man muss dich ja immer zu deinem Glück zwingen." verteidigt sie sich.

"Und wirst du jetzt wieder zum Training gehen?"
Ich balle meine Hände auf meinem Schoß zusammen und bemühe mich, meine Emotionen unter Kontrolle zu bringen.
Ich nicke zögerlich und blicke Katrina entschlossen an.
"Ich werde nicht aufgeben."

Angriff & Verteidigung (Wird derzeit überarbeitet!) Where stories live. Discover now