VI . Sicher

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Erst die darauffolgende Woche gehe ich wieder zum Training, da ich mir über einiges klar werden muss. Vor allem über meine Gefühle für Alexander und seine möglichen für mich.. Ich habe zwar bisher nur zwei Theoriestunden verpasst, trotzdem ängstigt es mich, hinterher zu hinken, weil ich weiß, wie viel Alexander auch während der praktischen Übungen erklärt. Netterweise borgt mir Simon seine Mitschriften, sodass ich mir den Stoff in den Pausen  einzuprägen kann.

Doch der Gedanke an die Praxisstunde mit Alexander beunruhigt mich. 'Wie soll ich mich ihm gegenüber verhalten? Soll ich so tun, als wäre nichts passiert?'

Nachdem sich die anderen Kursteilnehmer verabschieden, bleiben nur Alexander und ich zurück.
Ich werde nervös und bin unschlüssig, was ich sagen soll.

"Ich freu' mich, dich wieder in meinem Kurs zu sehen, Magnus." durchbricht Alexander schließlich die Stille.
"Ich freue mich, dass du mich zurücknimmst." versuche ich locker zu entgegnen. Doch mein Herz hämmert wild in meiner Brust.
"Immer." antwortet Alexander mit einem aufrichtigen Lächeln.

Schlagartig erröte ich bei diesem Anblick.
"Wollen wir starten?"
"Gern." erwidere ich und atmete erleichtert auf.

Alexander geht mit mir nochmal die letzten beiden Praxisstunden durch, die ich verpasst habe. Ich genieße die Nähe seines Körpers, seine Berührungen. Vollkommen in der Materie vertieft, vergessen wir die Zeit und ich stellen verblüfft fest, dass es draußen bereits dunkel und es nach neun Uhr abends ist.
Ich muss doch noch aufräumen und die Geräte desinfizieren. Das wird verdammt eng werden..

"Komm' schon, ich fahr dich nach Hause." bietet Alexander an.
"Das musst du wirklich nicht.", versichere ich ihm, als ich an der Haltestelle vor dem Studio stehe und die Abfahrtszeiten meines Busses, auf dem Anzeigenschild, überblicke.
,Fuck.'
"Magnus, es schüttet in Strömen und wie es aussieht, hast du gerade den letzten Bus verpasst."

Leider hat er Recht, aber ich möchte ihm wirklich keine Umstände machen. Doch schon jetzt ist meine Kleidung völlig durchnässt und ein Taxi zu mir nach Hause wird mich ein Vermögen kosten.
"Na gut." gebe ich schließlich nach.

Wir schweigen die gesamte Autofahrt. Es ist nicht komisch oder so, ich genieße einfach Alexanders Nähe. Er hat mir gefehlt.

Meine nasse Kleidung klebt mittlerweile unangenehm an meiner Haut und ich spüre die Kälte meinen Körper durchziehen.
Es gelingt mir nur kläglich, das unkontrollierte Zittern zu unterdrücken, obwohl es im Auto wohlig warm ist.

Besorgt blickt Alexander zu mir rüber und mustert mich besorgt.
"Magnus du zittert ja, ich stell' die Heizung mal auf Maximum."
"Danke." murmele ich leise.
"Du musst aus diesen nassen Klamotten raus. Wie lange noch bis zu deiner Wohnung?"
"Es ist nicht mehr weit, da vorn an der Kreuzung musst du rechts abbiegen.", erkläre ich ihm.
"Okay." entgegnet er erleichtert.
Die letzten letzten Kilometer fährt Alexander auffällig schneller, sage aber nichts.

"Willst du noch mit raufkommen?" frage ich ihn jetzt schüchtern, als wir vor meinem Wohnblock parken.
Mir fehlt der Mut, ihn bei der Frage  anzusehen. Ich befürchte, dass er mit einem Blick all die Emotionen, die ich gerade empfinde, in meinen Augen lesen kann.
Meine Gesichtsfarbe wechselt vermutlich gerade von goldbraun zu scharlachrot.

"Wenn du möchtest?", antwortet Alexander ruhig.
Ich nicke stumm, immer noch den Blick auf meine zitternden Hände geheftet.

In meiner Wohnung angekommen, schalte ich das gedimmte Licht an. Alexander folgt mir ins Wohnzimmer, wo er sich neugierig umschaut.
"Bin gleich wieder da." entschuldige ich mich und steuere auf mein Badezimmer zu. Dort hole ich zwei große flauschige Handtücher aus dem Schrank, um eins davon Alexander zu reichen.

"Danke. Du hast eine sehr schöne und gemütliche Wohnung." kommentiert Alexander, während er sich seine Haare trocken rubbelt. 'Er hat wirklich schöne Haare.' , schießt es mir durch den Kopf.
Verwirrt schüttel ich den Kopf.
"D-Danke." stottere ich auf einmal verlegen. Warum bin ich nur so aufgeregt, ich wollte schließlich, dass er mit hochkommt.

"Sie gehörte meiner Mutter.." erzähle ich ihm.
Mein Blick ist auf den Boden geheftet. Der Verlust meiner Mutter nagt immer noch an mir, sie war einfach eine wunderbare Frau.
"Es tut mir sehr leid, Magnus." höre ich seine sanfte Stimme.
"Danke." Plötzlich wird es beängstigend still. Noch immer stecke ich in meinen nassen Klamotten und blicke an mir herab.

"Ich hol' uns mal was Trockenes zum Anziehen." unterbreche ich die unangenehme Stille.
Alexander nickt zustimmend und lächelt dankend.
Hastig wühle ich in meinem Kleiderschrank und ziehe eine dunkelblaue Jogger und ein graues T-Shirt für Alexander heraus.
"Ich hoffe, es passt."
"Wird schon. Ich ziehe mich kurz im Badezimmer um. Ist das in Ordnung?", vergewissert er sich.
"Ja, klar."

Ich gehe zurück in mein Schlafzimmer und schlüpfe schnell aus meinen nassen Sachen, um sie gegen trockene einzutauschen. Gerade als ich mir mein T-Shirt überstreifen will, betritt Alexander den Raum.
Augenblicklich errötete ich. Noch nie ist ein Mann in meinem Schlafzimmer gewesen.

"Tut mir leid, ich wollte nicht.." beginnt Alexander, sich zu entschuldigen.
"Schon gut." Eilig streife ich mir mein Shirt über und stehe nun etwas unschlüssig mit Alexander in meinem Schlafzimmer.

Nervös beiße ich mir auf die Lippen und nehme meinem ganzen Mut zusammen, um die nächsten Worte zu Alexander zu sagen.
"Kannst du noch etwas bleiben?"
Überrascht schaut er mich jetzt an.
" .. Nur solange bis ich eingeschlafen bin?", erkläre ich mich.
"Okay.", stimmt er zu.

Während ich mich in mein Bett lege, steht Alexander noch zögerlich am Bettende und wartet.
Mit zittriger Hand schlage ich die Decke zurück und gebe ihm somit die Erlaubnis, sich zu mir zu legen. Kurz hält er inne, bevor er zu mir ins Bett schlüpft und sich dicht hinter mich legt.
Mein Bett ist nicht sonderlich groß. Da ich allein wohne und mein Bett bisher mit niemanden teilen musste, brauche ich nicht sonderlich viel Platz.

"Alexander?"
"Mmhh?", summt er.
"Stört es dich, wenn ich das Licht anlasse?"
"Nein, gar nicht ...Wie lange schon?" fragt er mich zögerlich. 
"Seit dem Überfall. Ich kriege Panik im Dunkeln, es schnürt mir förmlich die Luft zu."
Alexander atmet ruhig hinter mir und ich fasse erneut Mut.

"Alexander, kannst du vielleicht ..?"
Als ob er meine Gedanken lesen kann, legte er jetzt seinen starken Arm um mich, seine Hand sanft auf meiner Brust und zieht mich noch dichter an sich. Seufzend schmiegt er sein Gesicht an meinen Nacken und ich genieße diesen Moment voller Geborgenheit.

Seit langer Zeit fühle ich mich wieder sicher. Meine Augenlider werden allmählich schwerer und ich nehme Alexanders Stimme nur noch gedämpft wahr.
"Gute Nacht, Magnus." höre ich noch, bevor sich meine Augen für die nächsten Stunden unweigerlich schließen.

Angriff & Verteidigung (Wird derzeit überarbeitet!) Where stories live. Discover now