Abschied

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Den Rest der Nacht bekam ich kein Auge zu. Während Luke neben mir tief und fest schlief, lag ich wach und starrte an die Decke. Was ich getan hatte, war grausam. Im Prinzip hatte ich Luke betrogen, Liam falsche Hoffnungen gemacht und mich selbst belogen. Ich wusste, dass ich nie aufgehört hatte, Liam zu lieben. Dafür brauchte ich keinen Beweis. Was ich für Luke empfand, war ebenfalls Liebe. Aber eine ganz andere Art. Auf ihn konnte ich mich verlassen, er war mein bester Freund. Durch die viele Zeit die wir im letzten halben Jahr miteinander verbracht hatten, waren wir uns wie selbstverständlich irgendwann wieder näher gekommen. Und dennoch war es nicht mehr s wie früher. Denn im Gegensatz zu unserer gemeinsamen Zeit bevor Luke nach Afrika gegangen war, gab es nun noch jemanden in meinem Herzen. Trotz all der Schmerzen, die mir dieser jemand zugefügt hatte, war es mir nicht gelungen, ihn aus meinen Gedanken zu vertreiben. War es also Luke und auch mir selbst gegenüber fair, so zu tun, als sei alles in bester Ordnung? Für ein paar Monate hatte ich mir eine gemeinsame Zukunft mit Luke gut vorstellen können. Aber seit meinem Wiedersehen mit Liam, konnte ich kaum an etwas anderes denken, als an ihn. Vermutlich wusste ich bereits seit mehreren Tagen, was ich tun musste. Aber Liam hatte Recht: ich war zu feige, um es tatsächlich umzusetzen.

Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete den friedlich schlafenden Luke. Ich konnte ihn nicht anlügen. Er hatte mir so sehr geholfen und war immer für mich da gewesen. Ich schuldete ihm die Wahrheit. Auch wenn diese unsere Freundschaft womöglich für immer zerstören würde.

Es dauerte nicht lange, bis schließlich Lukes Wecker klingelte, den er ursprünglich für uns beide gestellt hatte. Unsere Koffer waren gepackt und ich saß bereits komplett angezogen auf der Bettkante. Luke benötigte nur wenigen Minuten um zu merken, dass irgendetwas nicht stimmte. „Was ist los Mia?“, fragte er mit gerunzelter Stirn und setzte sich neben mich. Ich senkte den Blick und betrachtete konzentriert meine Fingernägel. „Ich vertraue dir, Luke. Und ich weiß, dass auch du mir vertraust.“ Aus dem Augenwinkel sah ich wie er zögerlich nickte. „Deshalb muss ich dir etwas sagen. Ich habe einen Fehler gemacht.“ Luke schwieg, aber ich konnte spüren wie angespannt er war. „Ich habe Liam geküsst.“, murmelte ich schließlich und vermied noch immer jeglichen Blickkontakt. Für ein paar Minuten reagierte Luke überhaupt nicht. Dann stand er auf, ging zur Tür, drehte wieder um und blieb mitten im Raum stehen.“Wieso, Mia?“ Er klang derart verzweifelt, dass es mir buchstäblich das Herz brach. Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Natürlich könnte ich ihm den Grund nennen, den ich auch Liam genannt hatte. Aber ich wusste, dass dieser Grund nur eine Ausrede mir selbst gegenüber war. „Ich weiß es nicht. Es war… bescheuert von mir. Ich habe nicht nachgedacht und es einfach getan.“ – „Du liebst ihn noch immer.“ Das war keine Frage, es war eine Feststellung. „Aber dich liebe ich auch! Und ich bin dir so dankbar für alles, was du für mich getan hast. Ich weiß nur nicht… ich weiß nur nicht ob meine Gefühle für dich ausreichend sind, um dich glücklich zu machen. Du verdienst etwas Besseres.“ Schritt für Schritt kam Luke zurück zum Bett und setzte sich wieder. „Du machst also Schluss mit mir?“, fragte er leise und nun war er es, der mich nicht ansah. „Ich glaube nicht, dass mir eine andere Wahl bleibt.“, entgegnete ich.  Für eine Weile blieben wir einfach nur schweigend nebeneinander sitzen. „Gehst du jetzt wieder zurück zu ihm?“ Natürlich wusste ich von wem er sprach. Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein. Es spielt keine Rolle, was ich für Liam empfinde. Er hat mich aus einem absolut absurden Grund verlassen und ich werde ganz bestimmt nicht so tun, als sei das nicht passiert.“ Luke nickte und wirkte erleichtert. „Ich denke ich werde mit Paul sprechen, damit er mir einen Flug nach Deutschland buchen kann.“ – „Du musst nicht gehen! Ich möchte dir diese Reise nicht wegnehmen.“, widersprach ich, aber Luke hob die Augenbrauen. „Mia, der einzige Grund weshalb ich hier bin, bist du. Und um ehrlich zu sein… auch wenn du mir wahrscheinlich widersprechen wirst, wissen wir beide, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis du Liam doch verzeihst. Und ich kann mir wirklich schönere Dinge vorstellen, als dann in eurer Nähe zu sein.“ Ich schluckte, nickte jedoch. „Tut mir leid.“, murmelte ich entschuldigend. Luke schien zu wissen, dass ich nicht nur von meinem idiotischen Widerspruch sprach. „Es ist nicht deine Schuld. Ich habe dich bereits verloren, als ich nach Afrika gegangen bin. Gegen Liam habe ich absolut keine Chance und ich selbst hätte das früher realisieren müssen.“

Als der Privatjet zwei Stunden später zum Starten bereit war, betrat ich ihn als allerletzte. Caro war die einzige, die genau wusste weshalb Luke uns nicht länger begleitete. Sie respektierte meine Entscheidung, war jedoch alles andere als begeistert. Die anderen ahnten vermutlich was passiert war. Aber sie waren höflich genug, um mich nicht darauf anzusprechen. Liams Blick wich ich so gut es ging aus, nur ganz selten sah ich doch kurz in seine Richtung. Und jedes Mal erwiderte er meinen Blick. Es war unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu interpretieren. Ich hatte damit gerechnet, dass er sich freuen würde. Aber noch nicht einmal das kleinste Anzeichen eines Lächelns war auf seinem Gesicht zu sehen. Nach nur wenigen Sekunden, wandte ich meinen Blick wieder ab und sah aus dem Fenster. Ich spürte wie eine einzelne Träne meine Wange hinunter rollte. Schnell wischte ich sie weg. Und obwohl ich nicht mehr in seine Richtung sah, wusste ich, dass Liam mich noch immer beobachtete.

Wenige Stunden später hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen. Schweigen holte ich meinen Koffer aus der Ablage über unseren Köpfen und verließ das Flugzeug. Caro schien zu verstehen, dass mir momentan nicht nach reden zumute war, weshalb sie stumm neben mir her ging. Wir hatten das Flughafengebäude bereits erreicht, als eine Stimme hinter uns rief: „Mia, bitte warte!“ Am liebsten wäre ich einfach weitergegangen, aber ich wusste, dass das kindisch war. Caro sah mich fragend an. Ich nickte ihr kurz zu, woraufhin sie mich halbherziges anlächelte und weiter ging. Sobald Liam mich eingeholt hatte, setzte auch ich mich wieder in Bewegung. „Ich möchte wirklich nicht mit dir reden.“, murmelte ich und sah stur nach vorne. Liam ging neben mir her. „Ich weiß.“, entgegnete er. „Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leid tut.“ – „Das muss es nicht. Du hast absolut nichts damit zu tun. Ich habe mich von Luke getrennt, weil ich letzte Nacht endgültig eingesehen habe, dass er zu gut für mich ist.“, erklärte ich. „Trotzdem. Ich hasse es, dich so traurig zu sehen.“ – „Dann sei froh, dass du mich nicht nach unserer Trennung gesehen hast.“, murmelte ich und beschleunigte meine Schritte. Liam folgte mir nicht.

Aufgrund Lukes Abwesenheit, teilte ich mir nun ein Zimmer mit Caro. Nachdem wir unsere Koffer ausgepackt hatten, setzten wir uns auf den Balkon und redeten über alle möglichen Dinge, nur nicht über Liam und Luke. So kam ich zumindest halbwegs auf andere Gedanken.

Die Jungs wollten natürlich auch an diesem Abend wieder feiern gehen. Es kostete Caro allerlei Anstrengung mich zu überreden mitzukommen, doch letztendlich schaffte sie es. Vermutlich war es keine sonderlich schlechte Idee, für einen Abend alles loszulassen. Und das würde mir nur mit der Hilfe von Alkohol gelingen. Viel Alkohol.

Don't let me go..Donde viven las historias. Descúbrelo ahora