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"Diese heiße Schokolade bitte zu Tisch vier", sprach ich zu Jungkook, während ich die Tasse auf dem Tresen abstellte und mich sogleich daran machte, Vanille-Milchshakes für zwei weitere Gäste zu machen. Der Dunkelhaarige nickte mir mit einem liebevollen Lächeln zu, ehe er die heiße Schokolade nahm und diese, wie ich ihn beordert hatte, zu Tisch Nummer vier brachte.

Mit einem verträumten Blick betrachtete ich meinen wunderschönen Freund, der in der Schürze mit dem Logo des Cafés einfach unglaublich süß aussah. Wie jedes Mal, wenn er Schicht hatte, waren auch heute seine Haare zur Seite gestylt, sodass seine Stirn freilag. Ich liebte diesen Style, aber egal welche Frisur er letztendlich auch trug, er war einfach immer der Hingucker des Ladens.

Es war mittlerweile zur Routine geworden, dass ich mich um die Getränke kümmerte, während Jungkook diese an die Tische brachte und später die Kunden abbezahlte. Wir waren ein eingespieltes Team und dass das Café mit uns so gut lief, stellte mich vollkommen zufrieden.

Gedankenverloren schaute ich nach draußen. Es war Samstagnachmittag, Frühjahr. Der Himmel war klar und wolkenlos und es war mittlerweile sogar warm genug, um sich vor das Café setzen zu können. Ich entdeckte Jimin, der zurzeit mit uns Schicht hatte und in diesem Moment einen der Tische abwischte und die leeren Tassen und Teller auf seine Arme stapelte, die er gleich zu mir bringen würde.

Ich war glücklich. Die letzten Monate, seit Jungkook beim Libido gekündigt hatte, bei mir lebte und er mit mir zusammen im Café arbeitete, waren die besten Monate meines ganzen Lebens gewesen.

Es ging uns rundum gut. Es gab keine ekelhaften Perversen mehr, die Jungkook durchnahmen - ich war der Einzige, der mit ihm den verdammt noch mal besten Sex dieser Welt haben durfte -, es gab keine widerwärtigen Mitschüler mehr, die ihn aufgrund seiner früheren Arbeit beleidigten, es gab keine lieblosen Eltern mehr, die in mir nicht den Jungen sahen, der ich wirklich war.

Unsere Leben waren so gut, wie sie nur sein konnten. In wenigen Monaten hätten wir unseren Schulabschluss und würden zusammen in das Studentenheim unserer zukünftigen Universität ziehen, mit Jimin und Yoongi im gleichen Wohnblock. Wie ich es mir schon immer erträumt hatte, würde ich etwas im künstlerischen Bereich machen, während Jungkook sich für Psychologie und Sozialwissenschaften entschieden hatte. Jimin würde genau wie Hoseok Tanz und Choreographie studieren, Yoongi hatte sich wie ich ein künstlerisches Studium ausgesucht, in Richtung Musik, wobei er nebenbei als Produzent tätig sein könnte.

Wir würden nicht mehr nah genug an diesem Café wohnen, um mit Seokjin hier zu arbeiten, aber da wir die Hauptstadt nicht verlassen würden, würden wir uns noch oft genug mit ihm, Hoseok und Namjoon treffen, das stand außer Frage. Zudem hatten wir ja noch ein paar Wochen und die würden wir, so gut es ging, bis zur letzten Sekunde genießen.

Meine Eltern hatten vor, sowohl mich als auch Jungkook finanziell zu unterstützen, wofür ich ihnen mehr als dankbar war, dennoch hatten wir von vornherein beschlossen, dass wir auch während unseres Studiums arbeiten wollten, ob in einem Café, einem Restaurant, einem Club oder sonst wo - Hauptsache, zusammen.

Wir würden Studenten sein und deshalb wollten wir das volle Programm: Neben dem Lernen und Bilden wollten wir auf Feiern gehen und Studentenpartys hautnah erleben, selbst welche schmeißen, uns herumprobieren, aber eben auch arbeiten. Einfach alles, um das Leben so leben zu können, wie wir es uns seit Wochen ausmalten.

Meine Finger kribbelten schon vor Vorfreude, wenn ich daran dachte, im Herbst diesen Jahres kein Schüler, sondern ein Student zu sein und diesen neuen Alltag zusammen mit meinem Freund und meinen besten Freunden erleben zu können.

Es würde großartig werden, das wusste ich einfach.

Vor unserem großen Umzug würde aber noch die Abschlussfeier anstehen, die wir mit allen gemeinsam bei mir Zuhause abhalten würden. Zu dieser hatten wir auch schon Taemin und Jungkooks Freunde aus dem Libido, Winwin, Ten und Danbi, eingeladen und ich freute mich bereits riesig darauf, diesen Tag mit ihnen zu feiern.

Es war verrückt. Das Leben von Jungkook und mir hatte sich innerhalb weniger Monate um 180 Grad gedreht. Im Herbst letzten Jahres waren wir noch zwei einsame und kaputte Seelen gewesen, doch dann hatte uns der Zufall - oder war es doch das Schicksal gewesen? - zusammengebracht und wir hatten uns gegenseitig heilen können.

Jungkook trug innere Narben, die wohl noch Monate, gar Jahre bräuchten, bis sie vollends geheilt sein würden. Es gab immer wieder Augenblicke, in denen er in ein dunkles Loch fiel. Aber genau für diese Augenblicke war ich da und würde auch immer da sein, denn das hatte ich ihm versprochen.

"Die Milchshakes sind für Tisch neun", sprach ich nun zu Jungkook, der wieder bei mir aufgetaucht war. Bevor er die Gläser allerdings nehmen konnte, tauchte Jimin von draußen auf und schnappte sich diese.

"Keine Sorge, ich kümmere mich darum", grinste er. Ich bedankte mich mit einem Nicken bei ihm, ehe ich mich an den Tresen anlehnte und mit Herzen in den Augen meinen Freund anguckte.

"Was ist los?", fragte er mich ein wenig nervös. Manchmal überforderte es ihn immer noch, wenn ich ihn mit all der Liebe, die ich für ihn empfand, überschüttete, aber das brachte mich nur dazu, ihn noch mehr zu lieben.

"Nichts", erwiderte ich schelmisch. "Ich liebe es einfach nur, dich zu betrachten, weil du wunderschön bist."

Seine Wangen wurden rot und er schmollte.

"Kein Flirten auf der Arbeit. Das habe ich dir schon tausendmal gesagt", murmelte er. Ich lachte leise.

"Es tut mir Leid, ich kann nicht anders."

Dann legte ich meine Hand auf seinen Nacken und zog ihn ein wenig zu mir herüber, sodass ich meine Lippen auf seine legen konnte und wir uns zaghaft küssten. Jungkook seufzte zufrieden auf.

"Noch eine Stunde, dann habt ihr es geschafft. Das werdet ihr ja wohl aushalten", kam es auf einmal von hinten, weshalb ich mich von dem Dunkelhaarigen löste und zu Seokjin schaute, der bis jetzt in der Küche gewesen war und sich dort mit Baekhyun und Chanyeol um die Küchlein gekümmert hatte.

"Das lasse ich mir nicht von dir sagen, Julia", erwiderte ich frech. "Ich möchte nur daran erinnern, dass ich dich und Romeo letztens in der Umkleide-"

"Hey!", unterbrach er mich mit roten Ohren. "Ich bin dein Hyung, hab doch wenigstens ein bisschen Respekt vor mir!"

"Das ist echt nicht so einfach", meinte Jimin, der wieder bei uns war, lachend. Sogleich fing eine Diskussion zwischen den beiden an, wobei ich ihnen mit einem breiten Grinsen im Gesicht zuguckte, bevor meine Augen auf Jungkook fielen, der sie ebenfalls amüsiert beobachtete.

Ich liebe dich so sehr.

Ja, unsere Leben waren nicht perfekt und das würden sie wohl auch nie sein. Aber sie waren gut und solange ich all das hier um mich herum behalten könnte, wäre ich glücklich.

Mehr brauchte ich nicht.

Fin.

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Hey, das war's dann wohl mit 'colourful'. Ich will gar nicht so viel sagen, außer:
Danke für eure Reads, Votes und Kommentare. Ich hatte tatsächlich ein wenig Zweifel, diese Story zu veröffentlichen, da hier ein sehr sensibles Thema behandelt wird, von dem ich, so gesehen, keine Ahnung habe. Ich hoffe dennoch, dass das Ganze so realitätsgetreu, wie es eben nur sein kann, ist (oder zumindest wirkt) und es euch gefallen hat!

Ich weiß nicht, ob und wann ich das nächste Mal eine Taekook-Story schreiben werde, tbh fällt es mir ziemlich schwer, eine FF mit diesem Ship als Hauptpairing zu schreiben. Vielleicht ergibt sich in Zukunft ja mal was, mal sehen.

Fühlt euch gedrückt!

𝐂𝐎𝐋𝐎𝐔𝐑𝐅𝐔𝐋 | TAEKOOKWhere stories live. Discover now