Schwelgen in Erinnerungen

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"Damals war alles viel einfacherer", sagte ich und nahm einen Schluck Whiskey. Dad und ich lungerten auf einem Sofa, die mittlerweile dritte Flasche Whiskey wanderte zwischen uns hin und her. Wären wir keine Engel, wären wir jetzt sturzbesoffen. Seine Blondine war schon vor einigen Minuten angepisst, weil Dad nicht zurück gekommen war, gegangen. Eva allerdings hatte sich nicht wieder blicken lassen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass auch sie sehr sauer auf mich war, weil ich ihr ihren Freund weggenommen hatte. Tja, juckte mich kein bisschen.

"Als es nur uns beide gab", fuhr ich fort. "Uns beide, die Hölle, die Dämonen und die qualvollenden Schreie der verdammten Seelen."

"Ja, es war schon schön, aber ich hätte mir einen besseren Ort vorstellen können. Wir beide, wenn wir den Himmel unsicher gemacht hätten." Er grinste und legte einen Arm um mich.

"Amenadiel wäre verrückt geworden." Lächelnd lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter.

Er lachte leise. "Ja, vermutlich."

"Einmal haben Azrael und ich..." Bei dem Gedanken daran musste ich kichern. "...wir haben Amenadiel gesagt, er hätte eine geheime Verehrerin unter den Seelen und dass sie sich gerne mit ihm treffen würde."

"Und das hat er geglaubt?"

"Erstaunlicherweise ja", kicherte ich. "Ich hatte ihm eingeredet, dass sie am Boden zerstört wäre, wenn er sich nicht mit ihr treffen würde und natürlich konnte der feine Engel das nicht zulassen. Er wollte ihr schonend beibringen, dass er ihre Liebe nicht erwiderte. Azrael und ich haben ein Treffen mit der vermeintlichen Verehrerin arrangiert und es war wirklich zum Totlachen, wie er versucht hatte, ihr schonend klarzumachen, dass er ihre Liebe nicht erwiderte und dass eine Beziehung zwischen Engel und Seele nicht existieren durfte. Sie bestritt natürlich ihre Liebe, aber Amenadiel dachte nur, dass sie zu schüchtern war, um es zuzugeben. Nachdem das eine Weile hin und her gegangen war und langweilig wurde, bin ich zu den beiden hingegangen und hab Amenadiel ins Ohr geflüstert, dass, wenn er sie küssen würde, sie über ihn hinwegkommen könnte."

"Oh nein, hat er nicht wirklich gemacht." Dad verdrehte lächelnd die Augen.

Ich grinste breit. "Doch!"

"Wie kann man nur so naiv sein?"

"Du hättest seinen Blick sehen müssen, als sie ihm eine geschellt hatte."

Dad lachte leise in sich hinein. "Ich kann es mir vorstellen."

"Es hat ewig gedauert, bis er verstanden hatte, dass Azrael und ich dahinter steckten", lachte ich und nahm die Whiskey-Flasche von Dad entgegen.

"Er hatte noch nie ein richtiges Gespür dafür gehabt, wann er verarscht wird. Einmal, bevor ich in die Hölle musste, habe ich ihm eine falsche Nachricht von Dad überbracht. Darin stand, dass er eine Seele von der Erde in die Hölle bringen sollte. Natürlich ist er dem Befehl sofort nachgekommen - alles für den lieben Dad." Er strich mir nachdenklich über die Haare und ich fühlte mich, als wäre ich wieder sieben Jahre alt. "Dad ist natürlich ausgerastet, als er mitbekommen hatte, wie mein Bruder eine unschuldige Seele in die Hölle bringen wollte. Erst war seine Wut gegen Amenadiel gerichtet, aber nur weil er so dumm war, mir zu glauben, dass die Nachricht von ihm persönlich stammen könnte. Der größte Teil seiner Wut galt mir." Er schnaubte. "Das war der Anfang meiner kleinen Rebellion. Dad versteht einfach keinen Spaß." Lächelnd wandte er den Kopf zu mir. Irgendwie hatte ich Mitleid mit ihm wegen der ganzen Sache mit seiner Verbannung in die Hölle. Plötzlich kam er mir nicht mehr, wie der Teufel vor, als den ich ihn immer gesehen hatte, sondern nur als gefallenen Engel. Mir war bewusst, dass noch mehr hinter der Rebellion steckte, als ein kleiner Streich, aber nachfragen wollte ich auch nicht - das Thema war ein echter Stimmungskiller. Anscheinend wollte er es mir trotzdem erzählen.

"Die ersten Jahre in der Hölle waren hart, die Dämonen hatten mich zuerst nicht akzeptiert - teilweise tun sie es ja immer noch nicht", fügte er murmelnd hinzu und erschrocken musste ich an Asmo denken. "Ich war wütend auf Dad, dass er mir das antun konnte und..." Er stockte tief in Erinnerungen versunken - schmerzhafte Erinnerungen. Sein Blick war verzerrt und ich drückte liebevoll seine Hand, die auf meiner Schulter lag. Er lächelte mir dankbar zu, bevor er weiter erzählte: "Als du geboren wurdest, war ich zum ersten Mal wieder glücklich." Ich merkte, wie mir Tränen der Rührung in die Augen traten. Warum war er nicht immer so süß?

"Och, Dad!" Ich legte meine Arme um seinen Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Er lächelte mich an und erwiderte die Umarmung. "Hab dich lieb, meine Kleine", murmelte er.

"Ich dich auch, Dad!"

Er drückte mich sanft ein Stück von sich weg. "Ich weiß noch ganz genau, wie ich dich das erste Mal in meinen Armen gehalten habe - du warst so winzig. Es war wirklich das schönste Gefühl..." Schnell strich ich mir eine Träne weg.

Das wurde mir hier gerade viel zu emotional. "Die Dämonen wurden natürlich schnell auf dich aufmerksam, wollten mit dir spielen... oder Schlimmeres." Mich umbringen, um dem Herren eins auszuwischen. Sie waren noch nie sehr folgsam gewesen. "Ich hab alles gegeben, um dich zu beschützen. Je älter du wurdest, desto schwieriger wurde es." Ich lachte leise auf. Das konnte ich mir gut vorstellen. Ich hatte schließlich Dads rebellische Ader geerbt. "Und jetzt..." Er lachte überfordert auf. "Jetzt bist du plötzlich erwachsen und hast einen Freund."

"Ich dachte, das würde dir nichts ausmachen?"

Er sah mich vorwurfsvoll an. "Natürlich macht mir das was aus, ich bin dein Vater."

Ich verdrehte schmunzelnd die Augen. "Keine Sorge, er ist wirklich der liebevollste Kerl, den ich kenne." Ja, das war vielleicht ein bisschen gelogen, aber ich wollte ihm keine Sorgen bereiten und ihm keinen Grund geben, ihn besuchen zu gehen. Asmo war zwar liebevoll, aber wenn Dad wüsste, wer er war, würde er das ganz anders sehen. Ich hatte es bis vor Kurzem ja auch nicht so gesehen.

"Das kann nur ich beurteilen", meinte Dad lächelnd. "Ich hoffe, ich kriege bald die Chance dazu." Nein, nein, nicht schon wieder dieses Thema! Er würde Asmo, beziehungsweise Blake, nicht kennenlernen. Das würde nur alles zerstören. Er wäre sauer auf mich, weil ich ihm verschwiegen hatte, dass mein Freund ein Dämon war. Außerdem würde er mir ihn wegnehmen und... das wäre wirklich das Schlimmste. Ich vermisste ihn ja jetzt schon - vor allem seinen Geruch -, wie sollte ich es dann ertragen, wenn er zurück in die Hölle musste und ich ihm nicht folgen konnte.

"Mal schauen", murmelte ich und kuschelte mich an seine Schulter. Die beste Taktik aus einem Gespräche zu kommen, war immer so zu tun, als wäre man müde. In diesem Fall war ich das sogar...

Tochter des Teufels (Lucifer ff)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora