Überraschung

819 34 1
                                    

Grandpas ausgeklügelter Plan ließ auf sich warten - lange. Mit der Zeit vergaß ich meine Nervosität und die Anspannung, sodass mein Leben wieder anfing, sich zu normalisieren. Normalisieren in dem Sinne, dass ich mich wieder regelmäßig mit Ella traf und Asmo und ich fast jeden Tag ausgingen. Man könnte meinen, wir würden uns langsam auf die Nerven gehen, weil wir jeden Tag 24 Stunden aufeinandersaßen, aber eigentlich war genau das Gegenteil der Fall. Ich liebte ihn und er liebte mich. Wir hatten es uns sogar endlich gesagt. Es war wirklich einer der schönsten Momente meines Lebens gewesen und glaubt mir, viele gab es davon nicht. Wir waren abends ausgegangen in ein schickes, teures Restaurant (ich hatte ab und zu immer mal wieder etwas Geld von Dad mitgehen lassen, sodass wir uns das leisten konnten). Das Essen war gut und der Abend noch jung, als wir das Lokal verließen. Wir machten einen Spaziergang durch unseren kleinen Park, in dem wir uns zum ersten Mal näher gekommen waren (von dem One-Night-Stand mal abgesehen). Wir unterhielten uns über unser Leben hier und damalige Erlebnisse aus der Hölle und lachten ausgelassen über jeden Scheiß. Als wir bei unserer Stammbank angekommen waren und uns eng nebeneinander darauf gesetzt hatten, war es dann soweit gewesen. Er hatte meine Hände in seine genommen und mir dabei tief in die Augen gesehen. Ich konnte mich noch haargenau an seine Worte erinnern:

"Lilith, ich bin wirklich froh, dass wir uns wiedergetroffen haben. Ich würde dich für nichts auf der Welt mehr hergeben." Ich weiß noch genau, wie warm mir ums Herz geworden ist, als er das gesagt hatte, und ein breites Lächeln erschien auf meinen Lippen. "Du machst mich echt glücklich, Engel, und ich hätte es dir schon viel früher sagen sollen..." Er hatte eine kleine, unsichere Pause gemacht. Ich vermutete, er hatte Angst, dass meine Reaktion nicht so positiv ausfiel, wie er es erwartete. Dann sprach er es aus und alles in mir zog sich erfreut zusammen. "Ich liebe dich!" In diesem Moment konnte ich nicht anders, als bis über beide Ohren zu grinsen und mich in seine Arme zu werfen.

"Ich liebe dich auch!", hauchte ich und vergrub meine Nase in seiner Halsbeuge. In dem Moment war ich der glücklichste Engel der Welt... und Asmo der glücklichste Dämon.

Heute hatten wir uns wieder einmal zum Frühstück in einem kleinen Lokal getroffen. Er saß mir gegenüber und hatte ein dämliches, geheimnisvolles Grinsen aufgesetzt. Irgendwas hatte er geplant und dass ich nicht wusste, was es war, machte mich nervös. Es machte mich ganz hibbelig, wie er mich so wissend beobachtete, während ich mein Rührei aß. Er selbst rührte in seinem Kaffee, während sein Blick allerdings die ganze Zeit auf mir ruhte. Langsam begann ich, auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen und als es mir dann zu viel wurde, ließ ich die Gabel klirrend auf den Teller fallen und forderte ihn genervt auf: "Hör auf mich so dämlich anzustarren!" Wir waren mit einem älteren Ehepaar die einzigen in dem Lokal, weshalb sofort jeder in der Nähe mich hören konnte. Ich ignorierte die Blicke der Bedienungen und des Ehepaars und Asmo tat es mir gleich.
"Willst du mir nicht was sagen?", fragte er und lehnte sich grinsend zurück.

Warum sollte ich das wollen? Es gab nichts, was er nicht wusste. "Nein...", antwortete ich langsam.

"Nicht?" Er grinste immer noch und schien etwas zu wissen, was ich nicht wusste. "Welcher Tag ist denn heute?"

Ich runzelte die Stirn. Er konnte doch nicht wissen...? "Donnerstag", entgegnete ich stumpf und ließ mir nicht anmerken, dass ich ahnte, worauf er hinauswollte.

"Ach, Engel, jetzt sei doch nicht so. Du kannst das doch nicht einfach ignorieren."

"Ich will es aber nicht an die große Glocke hängen. Ist ja nicht so, dass ich alter."

"Na und. Ich hab trotzdem ein Geschenk für dich!" Er griff - immer noch breit grinsend - in seine Jackentasche und holte ein kleines, in rotes Geschenkpapier verpacktes und mit einer weißen Schleife verziertes Päckchen hervor.

Ich stöhnte laut und verdrehte die Augen. "Muss das sein?"
"Ja! Alles Gute zum Geburtstag!" Er reichte mir das Päckchen und lehnte sich über den Tisch, sodass er mir einen kleinen Kuss auf die Wange geben konnte. Dabei hätte er fast seinen Kaffee umgeschüttet.

Als er die Worte ausgesprochen hatte, die ich so sehr verabscheute, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Sie erinnerten mich immer an meinen ersten Geburtstag zurück, den ich ohne Dad verbracht hatte. Azrael hatte oft versucht mich aufzuheitern, aber die Erinnerung, wie ich immer mit Dad gefeiert hatte, war zu nah. Er hatte mich an meinen Geburtstagen immer früh geweckt und mich zuerst gedrückt, mir ein Küsschen gegeben und mir dann sein Geschenk überreicht. Er hatte sich immer extra für mich freigenommen, hatte alle seine Pflichten als Höllenfürst beiseite gelegt und sich voll und ganz auf mich konzentriert. Wir hatten viele Spiele gespielt - was man halt so in der Hölle spielen konnte. Meistens waren wir einfach durch die Gänge gerannt und hatten Fangen gespielt oder sowas in der Art. Ich erinnerte mich gerne daran. Nur er und ich, kein Dämon, der dazwischen funkte, kein Engel, der uns störte. Als wir dann getrennt wurden und mein 13. Geburtstag dann war, wurde ich traurig, weil sofort jene Erinnerungen hochkamen. Seitdem hatte ich diesen Tag nie mehr gefeiert - Azrael hatte einige Male versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen, aber ich hatte sie abblitzen lassen - und das würde sich jetzt auch nicht ändern.

"Asmo...", begann ich, um ihm zu erklären, warum ich sein Geschenk nicht annehmen würde, aber er unterbrach mich sofort.

"Nein! Ich will nichts hören! Öffne das Geschenk! Es wird dir gefallen! Und dann gehen wir zu deinem Vater."

Ich sah ihn erst verwundert und dann wütend an. "Ich...", versuchte ich es erneut, aber er funkte mir wieder dazwischen.

"Nein, mein Engel! Keine Widerrede!"

Ich verengte die Augen zu Schlitzen. Das war doch jetzt nicht sein Ernst!?

Er hob eine Augenbraue und sah mich auffordernd an, sodass ich schlussendlich grummelnd nachgab. Mit einem Ruck riss ich das Papier von dem Kästchen und darunter kam - Überraschung - ein kleines Schmuckkästchen hervor. Ich hob, doch ein klein wenig neugierig, den Deckel an und machte große Augen.

"Oh...", murmelte ich und hielt vorsichtig mit zwei Fingern eine Kette mit einem silbernen Engels-Flügel-Anhänger. Er war mit kleinen, roten Rubinen versetzt.

Ich blickte Asmo in die dunklen Augen und er lächelte schief. "Gefällt es dir?"

"Ja", hauchte ich etwas überwältigt. "Ja, sie ist... wunderschön." Ich lächelte.

"Ich hab das Gegenstück." Er griff unter sein Hemd und holte den Anhänger seiner Kette hervor. Ein Teufels-Flügel, ebenfalls mit Rubinen versetzt. Ein paar Dämonen haben auch Flügel - allerdings nur wenige und Asmo gehörte nicht zu ihnen. Das war kein Verlust, denn das Einzige, was sie mit diesen Lederlappen anfangen konnten, war ein paar Millimeter über dem Boden zu schweben und ein bisschen Wind damit zu verursachen. Trotzdem passte der Anhänger perfekt zu Asmo... und meiner zu mir.

"Danke!", lächelte ich und stand auf, um ihn zu umarmen und einen Kuss zu geben. "Machst du sie mir um?", fragte ich danach und er tat es, ohne zu zögern.

Ich schob meine Haare weg und zärtlich schloss er den Verschluss in meinem Nacken, bevor er langsam mit seinen Fingern an meinem Hals entlang fuhr. Ein Schauer breitete sich unter seinen Berührungen auf meiner Haut aus.

"Und jetzt gehen wir zu deinem Vater", sagte er grinsend, bevor die Situation sich intensivieren konnte. Schade. Doch ich ließ es zu, dass er mich aus dem Lokal zog (natürlich ließ er etwas Geld für unser Essen und Getränke auf dem Tisch zurück - ganz der brave Dämon).

Tochter des Teufels (Lucifer ff)Where stories live. Discover now