Nach einer sehr langen, schlaflosen Nacht, werde ich aus meinem losen Schlaf gerissen, als jemand an die Holztür klopft.
Alarmiert sehe ich mich um und kann erst nach wenigen Sekunden verstehen, wo ich mich eigentlich befinde.
Im nächsten Moment öffnet sich auch schon die Tür und Ellen Chriswood sieht hindurch.
„Guten Morgen", grüßt sie mich, „Ich wollte nicht stören, jedoch bin ich bereits fertig mit dem Frühstück. Du kannst natürlich gerne noch liegen bleiben, aber falls du etwas Speck und Ei magst, solltest du runterkommen, bevor es kühl ist." Sie zwinkert mir zu und zieht den Kopf aus dem Spalt.
„Ach so", sie guckt mich wieder an. Ihre grauen Haare sind am Hinterkopf zusammengesteckt und sie trägt eine rotes Bluse mit weißen Blumen. „Handtücher findest du im Bad, ebenso wie alle möglichen Hygieneartikel. Bedien dich ruhig."
Sie lächelt mir ein letztes Mal ermutigend zu und zieht dann die Tür hinter sich ins Schloss.
Ich bleibe noch liegen, bis ihre langsamen Schritten verebben, dann erhebe ich mich langsam und öffne die Balkontür. Die frische Frühlingsluft zieht hinein und jagt mir im ersten Moment eine schwache Gänsehaut über die Unterarme.
Die Gärten der gegenüberliegenden Anwesen sind ordentlich gepflegt und ich sehe einige Gestalten dort herumwandern und das Unkraut heraus zupfen.
Die ruhige Idylle wird gestört von zwei Silhouetten, die schneller näher kommen. Sie spazieren den Gehweg hinunter, ohne nach rechts oder links zu schauen. Der Größere von beiden ist schlank, hat blonde, wilde Haare und noch sehr jugendliche Gesichtszüge. Der Breitere jedoch hat einen drei Tage Bart, muskulöse Schultern und einen bestimmten Gang. In der linken Hand trägt er einen schwarzen Aktenkoffer.
Das Bild der beiden wirkt dermaßen abstrus auf mich, dass ich nach einer Weile meinen Blick kopfschüttelnd abwende und ins Badezimmer spaziere.
Nachdem ich das Frühstück zu mir genommen habe, habe ich beschlossen Ellen Chriswood nach einem Laptop mit Internetzugang zu fragen. Meine Flatrate ist heute morgen abgelaufen, da ich kein Geld überwiesen habe. Das Einzige, was ich mit dem Teil noch machen kann, sind 300 SMS und genau so viele Freiminuten zu telefonieren.
Als ich dann meinen Wunsch zu Ende gestammelt habe, hat Ellen Chriswood mir bereitwillig ihr MacBook zu Verfügung gestellt. Sie hat mich gebeten nicht in ihren Ordnern zu schnüffeln und in den nächsten Nebensatz erwähnt, dass sie mir vertraue.
Tja, und wer wäre ich, wenn ich dieses neu gewonnen Vertrauen gleich aufs Spiel setzten würde?
Als ich die Preise für die Flüge sehe, bekomme ich fast eine Krise und bin drauf und dran vor Wut das Notebook aus dem Fenster zu werfen. Ich kann mich aber im letzten Moment noch zügeln und verkloppe nur das Kopfkissen.
Dann sinke ich zusammen, umarme meine Beine und überlege, wie zur verdammten Hölle ich an 365 Doller kommen soll. Der billigste Flug geht am ersten Juni von Salt Lake City nach New York.
Das ist meine Chance pünktlich in der Millionenstadt zu sein.
Es gibt nur zwei Haken. Wie soll ich nach Salt Lake City kommen? Und woher soll ich die 365 Dollar für den Flug nehmen?
Würde ich nur jemanden kennen, der mir das Geld leihen oder gar schenken würde...
Auf legalem Wege, werde ich es vielleicht gerade so in einer Woche schaffen, das Geld zu erarbeiten.
„Gin", die alte Stimme kämpft sich durch meinen Gedankensturm und ich spüre die Wärme einer Hand auf meiner linken Schulter. „Schau mich an."
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Amaro
Teen FictionGin's Bruder kommt bei einem Autounfall ums Leben. Sie als Fahrer des PKWs fühlt sich schuldig, hält es zu Hause nicht mehr aus und verschwindet kurzerhand. Ihr Ziel: Australien - das Land, das ihr Bruder als freistes gepriesen hat. Doch wie weit ko...