..34 - Gin [23.05.]

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Seine schimmernden Augen durchbohren mich mit einem undeutbaren Blick, während meine Atemzüge sich verlangsamen. Er wird mich umbringen. Ich habe sein Vertrauen missbraucht, stelle ich fest, und meine Beine beginnen zu zittern.

Schnell senke ich den Blick, um seinen Ausdruck von Wut, Ratlosigkeit und Enttäuschung nicht länger ertragen zu müssen.

„Wieso?", fragt er mich mit kratzigen Stimme. Ich beiße unsicher auf meiner Innenwange herum.

„Gin?"

„I-ich..."

„Nun red' schon", unterbricht Gracon mich schnippisch. Augenblick spüre ich seinen festen Griff wieder um meinen linken Oberarm. Er quetscht mir den Arm ab, sodass ich leise nach Luft schnappe. Er setzt an, mich zu schütteln.

Gracon, lass sie los!" Remy kommt noch einen Schritt näher und umfasst Gracon beim Handgelenk, um dieses von meinem Arm zu entfernen. Ich wage es immer noch nicht aufzusehen.

„Kümmere dich um die Taschen, morgen früh wollen wir weiter!"

Gracon grummelt nur noch etwas vor sich hin, dann merke ich wie seine Präsenz verschwindet. Ein Glück. Wobei ich trotzdem Angst habe, was Remy nun mit mir machen wird.

„Ich helfe ihm", murmelt eine andere Stimme und erst jetzt bemerke ich, dass Levis hinter Remy steht. Er wirft mir einen mitleidigen Blick zu, scheint aber wundersamerweise nicht weiter auf mich sauer zu sein...

„Komm mit", sagt Remy kurz angebunden zu mir nach unten und ich vernehme sich entfernende schwere Schritte. Ich linse auf und sehe wie er die Halle durchquert. Ich folge ihm vorsichtig mit leisen Sohlen, bis wir an einer Leiter ankommen. Er deutet mir, diese hinaufzuklettern und ich beiße die Zähne zusammen.

Ich erklimme die vielen Stufen der Leiter und wir stehen schließlich sehr weit oben. Von hier aus hat man einen hervorragenden Blick auf die gesamte Halle. Remy scheint den Ausblick allerdings nicht so sehr zu interessieren, denn er deutet mir an eine weitere Treppe hinaufzusteigen. Oben befindet sich eine Luke, die ich mit vereinten Kräften aufzustoßen versuche. Als es mir allerdings nichts gelingt, spüre ich wie Remy sich neben mich stellt und mit einigen Handgriffen die Luke mit einer Hand öffnet. Er sieht mich dabei nicht an, aber als er sich wieder zurückzieht, streift seine Nasenspitze meine rechte Wange. Ich halte umgehend inne und spüre wie das Blut durch meine Adern prescht.

Ich beiße mir auf die Lippe und versuche das Prickeln zu ignorieren, das sich auf meiner Wange langsam ausgebreitet hat. Tief durchatmend klettere ich durch die Luke und stehe schließlich auf dem Flachdach der Fabrik.

Die Aussicht ist faszinierend. Im Westen ist die Sonne bereits unter dem Horizont getaucht, der Himmel jedoch zeigt seine schönsten Farben. Im Süden leuchtet bereits eine strahlende Halbmondsichel und die ersten Sterne sind ebenfalls zu sehen.

Ein lauer Wind weht über das Dach und mir fallen einige Haarsträhnen ins Gesicht, die ich leicht lächelnd wegschiebe. Die Aussicht ist echt atemberaubend schön.

Für einen kurzen Moment vergesse ich alles, und es gibt nur die dezenten Farben, die auf mich einwirken.

Ich vergesse, das Coljah gestorben ist, dass ich so sehr unter seinem Tod leide, dass ich ein anderer Mensch geworden bin, dass ich Ellen kennengelernt habe, dass ich meine Eltern verlassen habe und dass ich von Remy vermutlich gleich gelyncht werde.

„Dieser Ort ist fast so schön wie..."

Ich werde aus meinen verträumten Blicken gerissen, als Remy sich direkt vor mich stellt. Nur vernebelt erinnere ich mich an seine Worte, doch bin mir nicht sicher, ob er den Satz nicht beendet hat, oder so leise geredet hat, dass ich es nicht verstehen konnte. Vielleicht habe ich es mir aber auch ganz eingebildet.

AmaroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt