5 - ein neues Jahr beginnt

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Hermine sitzt am Gryffindor Tisch in der großen Halle, Ginny neben ihr redet begeistert von Quidditch und dreht den Kopf dabei andauernd zwischen Luna, die sich nicht darum kümmert, dass sie eigentlich bei den Ravenclaws sitzen sollte, und Hermine hin und her, die anderen Schüler erzählen sich gegenseitig von ihren Erlebnissen in den Ferien und sogar die Lehrer unterhalten sich. Während die ganze Halle auf die Erstklässler wartet, ist die Stimmung wie auch schon vor dem Krieg immer sehr heiter und locker, alle Anwesenden sind entspannt, leben fröhlich in den Moment hinein und freuen sich auf das kommende Schuljahr, sei es wegen der Zeit mit Freunden, Quidditch, oder dem Unterricht.

Doch auch wenn sich Hermine liebend gerne dem Augenblick hingeben würde, ist da immer dieses erdrückende, dunkle und kalte Gefühl, das sie umklammert, außerdem kann sie nicht aufhören, über die kurze Begegnung im Zug nachzudenken. Über Malfoys seltsames Verhalten, seine veränderte Ausstrahlung, den flüchtigen und doch irgendwie bedeutungsvollen Blickkontakt, den Ausdruck in seinen Augen für den sie keine Worte finden kann... leer? Verletzt? Fast schon... bedauernd? Das alles waren Begriffe, die Hermine durch den Kopf geschossen waren, die sie aber sofort wieder verworfen hatte. All diese Ausdrücke stimmen nicht wirklich, es scheint keine Worte zu geben, die diese Stimmung erfassen können... aber ist Stimmung überhaupt das richtige Wort? Vielleicht Gefühl? Was war es überhaupt, das sie da gesehen hat? Alles ist so unglaublich kompliziert und seltsam... Und dann Malfoys Auftreten, bisher hatte er doch darauf immer so viel Wert gelegt, doch im Zug wirkte er nicht mehr so elegant und zurechtgemacht, sondern vielmehr... verwahrlost... heruntergekommen... seine Haltung war auch nicht mehr stolz und aufrecht, sondern zusammengesunken, als trüge er auf seinen Schultern eine tonnenschwere Last, die ihn nach unten drückt, aber auch als würde er sich schämen, unsichtbar werden wollen... er wirkte... geknickt... irgendwie... Erneut fehlen Hermine die Worte. Was hat er überhaupt vor ihrem Abteil gemacht? Und warum ist er nach ihrem kurzen Blickaustausch verschwunden? Immer tiefer verstrickt sich Hermine in ihren Gedanken und lässt dabei ihren Blick über den Tisch der Slytherins schweifen, ertappt sich dabei, wie sie nach dem Gesicht des jungen Malfoys sucht - als sie nicht fündig wird, lässt sie das stutzig werden... warum ist er nicht da? Eigentlich ist die Eröffnungsfeier Pflicht, man darf nicht einfach fehlen, außer man hat einen guten Grund, das könnte schwere Konsequenzen nach sich ziehen. Aber was wenn er einen Grund hat? Malfoy würde nicht einfach aus einer Laune heraus eine Schulstrafe riskieren, andererseits hat er sich im Zug auch nicht so verhalten, wie er es sonst tun würde. Und als sie genauer darüber nachdenkt, ist er schon länger nicht mehr so wie man es von ihm erwarten würde... im sechsten Jahr hat er kaum noch mit Harry gestritten und auch Hermine hat er ziemlich lange nicht mehr beleidigt. Schon damals ist ihr das manchmal kurz aufgefallen, aber sie hat dem keine Bedeutung geschenkt, doch jetzt... Auch als sie im Malfoy Manor gefangen waren, hat er sie nicht verraten, obwohl er Harry erkannt hat... Aber halt Stopp! Was interessiert sie das überhaupt?! Seit wann kümmert es Hermine Granger, was Draco Malfoy tut, oder ob er eine Strafe bekommt?! Sie hasst dieses dumme arrogante Arschloch doch! Sie hasst ihn seit er sie das erste Mal als Schlammblut bezeichnet hat. Er ist für sie nur das feige, eingebildete Frettchen, das versucht hat, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Er hat sie beleidigt und ausgelacht, hat sie deutlich seine Abscheu spüren lassen, und ist dann feige davongelaufen als sie sich gewehrt hat. Nur wegen einer kurzen Begegnung im Zug wird sie ihre Meinung nicht ändern! Er ist kein besserer Mensch geworden, nur weil er sie eine Zeitlang nicht mehr beleidigt hat! Er ist keinen einzigen ihrer Gedanken wert.

Hermine schüttelt entschlossen den Kopf um ihn frei zu bekommen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, was ihr sehr erstaunt-gekränkte Blicke iher Freundinnen einbringt. "Was ist denn?" Fragt Hermine deshalb "Ach nichts, jeder hat schließlich seine eigene Meinung und darf diese auch kundtun!" Erwiedert Ginny mit einem beleidigten Unterton. "Aber ich hab doch nich-" setzt Hermine an als ihr plötzlich das Missverständnis klar wird und sie erleichtert aufseufzt "achso, ich habe den Kopf geschüttelt und du hast das auf die Unterhaltung bezogen! Tut mir echt leid, Ginny, ich war in Gedanken woanders und habe deswegen meinen Kopf geschüttelt, das hat nichts mit dir zu tun! Ähm... über was habt ihr denn geredet?" Gegen Ende läuft Hermines Gesicht rot an und sie schaut etwas verlegen auf ihre Hände, aber Ginny lacht nur "macht nichts, ich verstehe das, aber sag mal: an wen hast du denn gedacht, dass du gar nichts mehr von deiner Umgebung mitbekommen hast?" Als Hermine noch röter wird und nur irgendwas wie "an niemand bestimmtes" antwortet, beginnt Ginny bis über beide Ohren zu grinsen und setzt zum Sprechen an als zu Hermines Erleichterung Professor McGonnagal die Erstklässler in die Halle führt und Hermine damit eine Ausrede liefert, das Gespräch nicht weiterzuführen.

Magie, so wundervoll und schrecklich (abgebrochen)Where stories live. Discover now