❁Kapitel 5❁

478 61 20
                                    

╔╦══• •✠•❀•✠ • •══╦╗
T A E H Y U N G
╚╩══• •✠•❀•✠ • •══╩╝

∴ ════ ∴ ❈ ∴ ════ ∴

Taehyung stand da. Er stand da und schaffte es einfach nicht, das Zimmer von Jeon Jeongguk zu betreten. Stattdessen beobachtete er still und heimlich seinen Patienten vom Flurgang aus durch das Fenster.

Jeongguk war längst wieder wach und es schien ihm in dem Moment recht gut zu gehen. Gedankenverloren sah der Patient aus dem Fenster, während seine Finger mit der Decke herumspielten.

Taehyung wollte reingehen. Das Verlangen zerrte regelrecht an ihm, aber dennoch hielt ihn irgendetwas davon ab. War es Angst? Nervosität? Fürchtete er sich davor, dem Mann gänzlich zu verfallen, nachdem er den Raum betreten und in das viel zu hübsche Gesicht gesehen hatte?

Jimin meinte, dass Taehyung einfach nur verliebt war. Dass sein Herz deswegen so verrückt schlug und ihn daran hinderte, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber war es denn wirklich möglich, sich in einen Menschen zu verlieben, obwohl man diesen gerade mal einige Minuten gesehen hatte? Und den man um Himmelswillen auch noch wiederbeleben musste?

Taehyung schüttelte seufzend den Kopf und schloss für einen Moment die Augen in der Hoffnung, so wieder besser denken zu können. Doch noch immer herrschte Chaos in seinem Kopf. Innerlich verfluchte Taehyung seine Hormone und sich selbst dafür, dass er sich mal wieder in eine aussichtslose Lage geritten hatte. Wenn Dr. Kim Seokjin ihn noch erwischen würde, dann konnte er gleich einpacken und woanders hingehen.

Vielleicht hätte Taehyung lieber in Richtung der Psychologie gehen sollen, anstatt die Chirurgie zu wählen. Von wegen Medizin wäre eine gute Entscheidung. Leben retten tat man zwar auch, aber Taehyung hatte das Gefühl, dass viel mehr Menschen starben als überlebten. Und er hatte Arzt werden wollen ...
Innerlich lachte Taehyung sich selbst aus bei den Gedanken daran, was er sich immer eingeredet hatte. Dass er gerne Arzt war, um Menschenleben retten zu können. Um dadurch die Freude der Patienten und Angehörigen zu sehen und um seinen eigenen Stolz zu fühlen.

Aber wann war der letzte Moment, and dem er wirklich stolz auf sich gewesen war? Schon viel zu lange her ...

»Du solltest zu ihm reingehen, anstatt hier draußen zu stehen und ihn heimlich zu beobachten.«

Vollkommen unerwartet stand der Oberarzt der Kardiologie plötzlich neben Taehyung. Erschrocken quiekte der Assistenzarzt auf und sprang zurück, seine Hand lag vor Schreck auf seiner Brust, unter der das wild klopfende Herz zu spüren war.

Seokjin lachte leise auf und steckte seine Hände in die Taschen des Kittels.

»Tut mir leid, dich erschreckt zu haben, das war nicht meine Absicht. Das ist aber ein Beweis dafür, dass du ziemlich in Gedanken versunken warst.«
Ein schräges Lächeln zierte Seokjins Lippen, während Taehyung sich allmählich wieder beruhigte.

»Schon gut ... Eigentlich bin ich derjenige, der sich bei Ihnen entschuldigen sollte. Ich bin bei einem Notfall einfach weggelaufen ...«, murmelte Taehyung reuevoll und senkte beschämt den Kopf. Er hatte seinen Oberarzt einfach im Stich gelassen. Weil er ein Feigling war. Und dafür schämte Taehyung sich zutiefst, denn Ärzte sollten nicht weglaufen. Sie mussten doch stark für ihre Patienten bleiben ...

»Du kannst mich ruhig duzen, Taehyung, bei dir mach ich gerne eine Ausnahme«, gab Seokjin augenzwinkernd zurück und legte eine Hand auf die Schulter seines Assistenten.
»Und falls du denkst, dass ich dich aus dem Fall entlasse, irrst du dich gewaltig. Ich hab schon so einiges von dir gehört und ich habe nur auf den Tag gewartet, an dem du endlich mir zugeteilt wirst.«

Überrascht sah Taehyung den Oberarzt an, nicht ganz realisierend, was er soeben gesagt hatte. Dr. Kim Seokjin wollte ihn schon immer als seinen Assistenzarzt haben? Ihn? Einen Idioten, bei dem es so aussah, als würde er gerne Schmerzen verspüren wollen und deswegen immer und immer wieder Bindungen mit den Patienten einging?

»Hör mal, Taehyung, wir Chirurgen sind keine Roboter ohne Emotionen. Wir sind auch nur Menschen, die an ihre Grenzen stoßen können. Aber auch Menschen, die dazu geneigt sind, Bindungen mit anderen einzugehen. Es ist vollkommen natürlich. Dafür brauchst du dir doch keinen Kopf zu machen, nur weil du Patienten schneller ins Herz schließt als manch andere. Man empfiehlt nur, es nicht zu oft zu tun, da es einem Arzt Entschlossenheit und Motivation rauben kann, sollte man versagen. Außerdem kann es in kritischen Situationen dein Urteilsvermögen einschränken.«

Taehyung nickte daraufhin nur leicht und biss sich auf die Lippe, während er wieder durch das Fenster zu Jeongguk sah. Noch immer sah dieser verträumt aus dem Fenster. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, das Taehyungs Herz ungewollt mit Wärme füllte.

»Er ist wirklich ein besonderer Patient, nicht?«, sprach Seokjin weiter und sah nun ebenfalls zu Jeongguk. Kurz zögerte Taehyung, was er darauf antworten sollte, nickte jedoch anschließend ehrlich und seufzte.
»Ich weiß auch nicht ... Aber irgendwie zieht er mich in seinen Bann ...«

»Ist er der Grund, warum du weggelaufen bist?«, fragte Seokjin neugierig nach und sah leicht zu seinem Assistenzarzt zurück. Taehyung kaute nervös auf seiner Lippe herum und senkte seinen Blick zu Boden, nicht wissend, wie er darauf reagieren sollte.

»Ich nehm's dir wirklich nicht übel, dass du weggelaufen bist. Vor allem, weil du echt gute Arbeit geleistet hast. Nachdem du weg warst, habe ich ihn nur noch stabilisiert. Mehr musste auch nicht getan werden. Naja, und er ist ja wieder wach, aber ...«

»Aber ...?«, hakte Taehyung misstrauisch nach, als er den leicht besorgten Ton in Seokjins Stimme erkannte. Sein Oberarzt seufzte leise und nahm die Hand wieder von Taehyungs Schulter, während sein Blick zur Decke glitt.

»Stimmt, ich habe dir die Krankenakte noch gar nicht gegeben ...«, Seokjin machte eine kurze Pause und schob sich die Brille wieder hoch, ehe er tief Luft holte.

»Jeon Jeongguk leidet an einer Hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie. Die Therapien, die er macht, scheinen keine Wirkung gezeigt zu haben. Er bekam dennoch Kammerflimmern, was sogar in einem kurzen Herzstillstand endete. Die Herzmuskeln sind einfach zu verdickt ...«

Taehyung schluckte. In einem so jungen Alter mit einer Herzkrankheit leben zu müssen, war bestimmt nicht einfach. Jeongguk hatte in seinem Leben doch bestimmt noch so einiges vor sich.
»Und wie werden wir fortfahren?«

»Was denkst du denn?«, stellte Seokjin die Gegenfrage und Taehyung überlegte.

»Ich würde zunächst ein MRT machen, bevor wir weiter vorgehen«, gab Taehyung sein Urteil preis und Seokjin nickte zufrieden.

»Da stimme ich dir zu. Aber vorher solltest du vielleicht erstmal unseren Herrn Jeon aufklären. Denn eigentlich ist er noch gar nicht so lange wach und er weiß nicht wirklich, was passiert ist. Und da er dein Patient ist, wird es deine Aufgabe sein, ihn aufzuklären.«

∴ ════ ∴ ❈ ∴ ════ ∴

𝐇𝐞𝐚𝐫𝐭𝐛𝐞𝐚𝐭ᵏᵒᵒᵏᵛ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt