Kapitel 36

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Tarjas Erleichterung war deutlich zu hören. Wir unterhielten uns noch ein bisschen, wobei es sich bei unserem Gespräch jedoch eher um einen Monolog als einen Dialog handelte. Tarja übernahm dabei den gesprächigeren Part, ich hörte die meiste Zeit nur zu. Eigentlich hatte ich gerade keine Lust mit irgendjemandem zu sprechen, aber ich wusste, dass es Tarja nur gut meinte und dass sie mir die letzten Tage immer sehr geholfen hatte, also lies ich das Telefonat laufen. Wie eine Leiche lag ich auf meinem Bett, hatte das Handy auf laut gestellt und sah verloren im Raum herum, während mir Tarja von ihren Sylvester-Plänen berichtete.

T: ,,Was machst du eigentlich an Sylvester? Mit wem feierst du?", riss sie mich dann aus meinen Gedanken. Fuck. Sylvester hatte ich komplett verdrängt. Eigentlich war es geplant mit der ganzen Crew zu feiern. Wir hatten die Dachterasse des Holiday In Hotels in Berlin gebucht und hatten uns schon vor Ewigkeiten darum gekümmert, dass es ne mega Party wird. Aber gerade hatte ich alles Andere als Lust darauf. Natürlich würde Kathi auch da sein und ich war mir nicht sicher, ob ich sie wirklich sehen wollte. Vielleicht war es besser einfach zu Hause zu bleiben und nicht nach Berlin zu fahren.

W: ,,Weiß noch nicht.. Denke gar nichts..", antwortete ich deswegen. Am anderen Ende des Telefons vernahm ich ein Seufzen.

T: ,,Man Wincent! Du kannst dich doch nicht ewig zuhause verkriechen. Feier Sylvester mit deinen Freunden und deiner Crew, so wie du es wahrscheinlich eh geplant hattest! Ist ja furchtbar was für Trübsal du bläst.", gab Tarja dann zurück. Es war mir unangenehm, dass Sie mich so schroff anging, aber ich wusste, dass sie recht hatte. Trotzdem war mir aktuell einfach nicht danach zu feiern und schon gar nicht, bevor ich mich nicht auf irgendeine Art und Weise mit Kathi vertragen hatte. Nach einer kurzen Diskussion konnte ich dann meinen Sturkopf durchsetzten und das Thema des Telefonates wechseln, ehe wir wenig später ganz aufhörten. Erschöpft schmiss ich das Handy neben mich und starrte wieder an die Decke. Meine Gedanken kreisten und natürlich landeten sie schlussendlich mal wieder bei meiner Freundin. Oder mittlerweile Ex-Freundin. Immer und immer wieder spielte sich die Szene vor dem Café vor meinen Augen ab und ich warf mir immer wieder vor, was ich alles falsch gemacht hatte. Wieso war ich so eifersüchtig gewesen? Ich hasste mich dafür, dass ich mich in solchen Situationen nicht im Griff hatte und ich musste mir nun wohl eine noch viel größere Entschuldigung überlegen, als eh schon nötig.

Also lag ich die nächsten Stunden grübelnd im Bett und baute mir verschiedene Ideen, die ich allerdings alle wieder verwarf. Irgendwann wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klingelte. Es war bereits nach 22:00 und ich erwartete niemanden mehr, weswegen ich es nicht für nötig hielt aufzustehen und nachzusehen. Nachdem das Klingeln allerdings auch nach einigen Minuten nicht aufhörte, beschloss ich doch nachzusehen, wer das war. Ich griff nach meinem Handy und warf einen Blick darauf, während ich zur Tür schlenderte. 8 verpasste Anrufe von Marco.

W: ,,Fuck..", murmelte ich und sah meine Nachrichten durch, unter denen sich auch einige von Marco befanden. Was zur Hölle musste so dringend sein, dass er mich so dringend versuchte zu erreichen? Bevor ich mich allerdings meinem besten Kumpel widmete, ging ich an die Sprechanlage um erstmal die Person zu befriedigen, die mich scheinbar noch dringender erreichen wollte. ,,Ja?!", sagte ich genervt und wartete ab, wer sich am anderen Ende meldete.

M: ,,Alter Wince! Was ist los mit dir, wieso kann ich dich nicht erreichen?", rief Marco durch die Sprechanlage, sodass mir fast mein Ohr abfiel. Wow, es schien also wirklich wichtig zu sein, wenn er nun sogar persönlich hier auftauchte. Kommentarlos drückte ich den Türsummer und öffnete meine Wohnungstür ein Stück, sodass er hereinkommen konnte. Jedoch schien mein bester Freund nicht alleine zu sein, denn bereits im Treppenhaus hörte ich ganz deutlich, dass gerade nicht nur eine Person die Stufen zu meiner Wohnung hoch stolperte.  Lachend betraten Marco und ein paar andere Kumpels meine Bude und deren übertrieben gute Laune war das Letzte, was ich gerade brauchen konnte. Ich war so genervt von deren bloßen Anwesenheit, dass ich mir gar keine Gedanken darüber machte, was Marco eigentlich hier in Köln machte.

M: ,,Sag mal, was is n los mit dir? Wieso gehst du nicht an dein Handy? Den ganzen Nachmittag und Abend hab ich schon versucht dich zu erreichen, während ich im Zug saß! Hast du die Party vergessen?", sagte er in leicht vorwurfsvollem Ton. Wovon sprach er bitte? Was für die Party? Fragend sah ich ihn an. ,,Die Party von Kayef heute Abend?", fügte er dann hinzu ohne dass ich meine Frage aussprechen musste. Oh man, Kai hatte heute Geburtstag und ich hatte ihm noch nichtmal gratuliert. Und natürlich hatte ich auch nicht an die Party gedacht, auf die ich eigentlich aber auch überhaupt keine Lust hatte. Wie schon gesagt, gerade war mir alles andere als danach feiern zu gehen.

W: ,,Sorry Jungs, aber ich hab heut echt kein Bock und war auch den ganzen Tag nicht wirklich am Handy. Geht mal ohne mich..", murmelte ich desinteressiert und lief wieder zurück ins Schlafzimmer während ich die Jungs im Esszimmer stehen lies. Mir tat es leid, dass ich Marco den ganzen Tag nicht geantwortet und auch nicht wie versprochen am Bahnhof abgeholt hatte, aber ich hatte gerade echt genug mit mir selber zu tun. Ich schmiss nicht wieder aufs Bett und schloss für einen Moment die Augen in der Hoffnung, dass die Jungs wieder gehen würden. Doch Marco wäre nicht Marco wenn er sich von meiner schlechten Laune einfach so abwimmeln lassen würde.

M: ,,Ne ne ne mein Freund, so läuft das hier nicht! Du kommst jetzt mal raus aus deinem selbst gegrabenen Loch und gehst mit uns zu Kai! Das wird n netter Abend und du kannst auch mal wieder bisschen Spaß gebrauchen.", befahl er mir und ich ahnte schon, dass ich kaum eine Chance hatte ihm zu widersprechen.

365 Tage - Wincent WeissWhere stories live. Discover now