𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟘-𝕃𝕪𝕣𝕒

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Der gelbe Rüschenstoff raschelte,als ich mich nervös zu Athea umdrehte.  »Schön siehst du aus«,kommentierte sie mein Outfit,während sie mich von oben bis unten musterte. Ich blickte in den großen Spiegel vor mir. Sie hatte recht.

Ich fühlte mich in diesem Outfit,das ich nun für das Interview tragen sollte,tatsächlich relativ wohl. Wohler als in dem Teil,das ich bei der Parade getragen hatte,obwohl die beiden Kleider sich optisch sehr ähnelten. Nur diesmal hatte Anthea ein kräftiges Gelb und tiefes,dunkles Blau verwendet. Mir gefiel der entstandene Kontrast der beiden Stoffe sehr gut. Gott sei dank hatte sie diesmal auf einen tiefen Ausschnitt verzichtet. Zwar war ich etwas stärker geschminkt als vorher,aber es fühlte sich nicht mehr so an,als würde ich versuchen krampfhaft etwas zu sein,was ich nicht war.

»Und denk dran: Caesar wird merken,wenn du nicht weiter weißt.« Sie stand hinter mir und lächelte mein Spiegelbild an. Ich knetete nervös meine Hände und nagte auf meiner Unterlippe. »Und wenn ich so aufgeregt bin,dass ich kein Wort herausbekomme?«

»Ach Lyra... sieh dich an. Die Aufregung wird schon vorübergehen,du wirst schon sehen.  Wenn sie merken,wie du hinter deiner schüchternen Fassade bist,werden die Zuschauer dir zu Füßen liegen.«  Sie zwinkerte mir zu.

»Wären die ach-so-freundlichen Kapitolszuschauer besser alle ganz weit weg, dann wäre ich jetzt nicht in so einer Situation. Oder warum  nicht gleich das ganze Kapitol?«  Ich biss mir auf die Lippen. Wieder hatte ich geredet,ohne vorher nachzudenken. In Distrikt 12 scherte sich niemand darum,was ich sagte oder dachte. Aber hier, im Kapitol, war das anders.

Athea packte mich an den Schultern und drehte mich so,dass ich ihr ins Gesicht blicken konnte. Ihre Mine hatte sich in sekundenschnelle verfinstert. »Ach Lyralein...« ,zischte sie und kam mit dem Gesicht näher an meins. Zu nahe.

»Pass auf was du sagst,sonst stirbst du nicht in der Arena,sondern live im Fernsehen.«  Sie ließ von mir ab und drehte mir den Rücken zu, um Fixierspray für meine Haare zu holen. Ich war wie versteinert. Ich hatte gedacht,wenigstens Athea glaubte daran,dass ich eine kleine Chance in der Arena hatte. Ich hatte angenommen,dass sie so etwas wie so etwas wie meine Freundin war. Aber das war ein Fehler gewesen. Ein fataler Fehler.






Ich hatte dafür plädiert, ohne Athea auf das Interview zu warten. Trotzdem hatte sie mich bis zu dem Raum voller wartender Tributen gebracht. Sie hatte es nicht lassen können, mir zum Abschied nochmal den Arm zu drücken und einen warnenden Blick zuzuwerfen. Nun stand ich also da, an der Tür des riesigen Raums. Es sah so aus,als wären schon alle 48 Tribute anwesend. Um einen riesigen Bildschirm verteilt- ich nahm an,es handelte sich um den Bildschirm, auf dem wir gleich  die Interviews mitverfolgen sollten- waren jeweils vier Plastikstühle  in kleinen Gruppen aufgestellt worden. Auf jedem Stuhl stand die Nummer des Dirstrikts von jenem Tribut,der darauf Platz nehmen sollte. Ein paar saßen auf ihren Stühlen,aber die meisten der im Raum Verteilten standen willkürlich herum oder redeten. Ich hatte mich die folgenden Tage kaum für unsere Mitstreiter interessiert,folglich konnte ich auch nicht bestimmen,zu welchem Distrikt sie gehörten.

Aber Madge entdeckte ich. Sie stand unweit von mir neben Gale, in ein Gespräch mit ihm vertieft. Anscheinend hatten sich die beiden etwas angefreundet,denn vor der Ernte hatte Madge Gale nicht ausstehen können. Zwar hatte sie nie etwas gegen ihn gesagt-dafür war sie viel zu freundlich- aber ich hatte die Blicke bemerkt,die sie ihm zugeworfen hatte. Blicke lügen nie- und ihre waren alles andere als freundlich gewesen.

Als ich die beiden betrachtete, fiel mir auf,dass sie optisch sehr gut zusammen passten. Die Stylisten hatten sich anscheinend  Mühe gegeben. Sie hatten ebenfalls wie ich die Outfits der Parade an,die etwas aufgewertet worden waren. Zuerst nahm ich Madge in Betrachtung. Ihr rosé- farbenes Kleid passte sehr gut zu ihrer eher hellen Hautfarbe und ihre hüftlangen blonden Haare waren diesmal offen- am Tag der Parade waren sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt gewesen. Nun aber fielen sie in sanften Wellen den Rücken herab,fast wie ein Wasserfall. Zwei Strähnen an den Seiten waren aber jeweils an den Schläfen entlang eingeflochten worden. Sie trug nicht weniger Make-up als ich,aber ich fand, es stand ihr um Welten besser.

Gale trug denselben dunkelblauen Anzug, den Rory bei der Parade getragen hatte. Aber im Gegensatz zu Rory wirkte er finster und kalt,wie jemand,vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Wäre ich ein Tribut der anderen Distrikte, würde ich Gale auf jeden Fall als Verbündeten in Betracht ziehen,da er sehr wohl Chancen in der Arena hatte.
Ich fragte mich ,wo Rory wohl blieb. Normalerweise hielt es sich immer in der Nähe von Gale auf. Oder war er vielleicht schon da?

Ich suchte mit den Augen den Raum ab. Rory konnte ich nicht ausmachen,dafür blieb mein Blick an einem blonden Mädchen hängen,das sich auffällig laut mit den zwei männlichen Tributen aus 2 unterhielt. Und noch einer stand daneben. Ich kniff die Augen zusammen. Das war Rory.

Nun musterte ich die Blondine genauer. Ich schätzte sie auf ungefähr vierzehn oder fünfzehn,also in meinem Alter. Ihr Kleid glich dem von Madge, nur dass meine Schwester eine freundliche Aura verbreitete. Dieses Mädchen hier wirkte selbstsicher- zu selbstsicher,meiner Meinung nach.

Ich musste aber leider zugeben,dass sie sehr hübsch war. Sie war mir schon am Tag der Parade aufgefallen,weil sie da so ins Publikum gestrahlt hatte. Lächerlich. Sie würde früher oder später trotzdem getötet werden,denn die meisten Tribute waren dieses Jahr über sechzehn.Das hieß,sie waren stärker als andere unter ihrem Alter. Da die meisten auch noch ältere Geschwister hatten,waren viele über achtzehn.

Ich wusste nicht,warum ich diese Blondine nicht mochte. Aber irgendwie heiterte der Gedanke,dass sie bei den Spielen genau so wenig Chancen wie ich hatte, auf. Wenigstens war ich nicht die Einzige,die kläglich versagen würde.

In der Kommunikation aber war sie wohl weitaus geübter als ich. Sie lachte zusammen mit Rory und ihr Gespräch wirkte auf mich sehr vertraut dafür, dass sie sich wohl nicht mehr als zwanzig Minuten kannten. Zu vertraut. Was wollte Rory denn von der?

Gerade als ich mich beschloss,dieses Gespräch "zufällig" zu unterbrechen, ging der monströse Bildschirm im Raum an und die Hymne des Kapitols erklang. Die Interviews begannen.

Die Tribute von Panem-Der Gesang der NachtigallWhere stories live. Discover now