Wir gehen auf den Tausch ein

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Die eintreffenden Polizisten befragen uns kurz, ich erwähne jedoch nichts von der Gang oder der Ähnlichkeit zu Kyle. Im Anschluss fahren wir alle zur Bergwachtzentrale, wo auch Steffen und Jake kurze Zeit später eintreffen. Diese werden von der Polizei vernommen, doch auch von ihnen erhalten sie keine brauchbaren Informationen.

„Da es sich um eine Polizeiangelegenheit handelt, werden wir uns noch ein bisschen hinlegen. Solltet ihr auch", meint Markus.

„Na klar, machen wir", verspreche ich ihm und Tobias.

Kaum haben die Beiden die Zentrale verlassen, schicken Ryder und Steffen eine Nachricht an ihre Mitglieder, die kurz darauf in unser Gebäude stürmen. Unser kleiner Aufenthaltsort ist jetzt schon voll, als es wieder an der Tür klopft. Verwundert öffne ich sie, vor mir stehen Dyan, Lukas, Fabian, Kristine und Tom.

„Kommt rein", fordere ich sie auf und führe sie ebenfalls in den Aufenthaltsort.

Steffen, Ryder und ich bleiben vorne stehen, alle anderen sitzen in den Gangs zusammen. Wir erklären kurz, was passiert ist und welche Beobachtungen wir machen konnten.

Kyle wird bleich. „Das heißt, ich sollte eigentlich entführt werden?", fragt er etwas unsicher.

„Wir vermuten ja", teilt ihm Ryder mit.

Es entstehen heftige Diskussionen innerhalb der drei Gruppen, bis ich um Ruhe bitte: „Jungs, hört bitte alle her. Ich weiß, wir sind drei Gangs, drei Bosse, aber es geht jetzt um Steven, der zu keiner einzigen gehört. Hat jemand eine Idee, wo er sein könnte?"

„Ihr spracht davon, dass Jackson und Ryders Vater zusammen arbeiten und er euch gedroht hat. Wir sollten dort anfangen zu suchen", schlägt Hunter vor.

„Aber wir sind in Garmisch. Ich glaube nicht, dass er ihn in seine Halle nach Murnau bringt", gibt Dyan zu bedenken. „Dafür wissen wir noch etwas. Am Mittwoch soll wieder eine Versteigerung stattfinden."

Ich fange an zu schnauben. „Das auch noch", murmele ich.

„Warum eigentlich Kyle?", fragt Timo uns. Damit stellt er die Frage, die ich mir auch nicht beantworten kann.

Dafür hat Ryder eine Erklärung: „Mein Erzeuger und seine Handlanger kommen an Paddy und mich nicht ran. Auch nicht an Lara, David ist bei ihr. Kyle ist ebenfalls sehr gut mit uns befreundet, ihn hat mein Erzeuger schon öfters daheim gesehen. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten."

„Ok, das Motiv ist Rache. Kyle ist die einzige Person, die er dazu verwenden kann. Aber offensichtlich hat er ihn nicht oft gesehen, sonst wäre Steven jetzt nicht entführt worden", meint Jason.

„Nein, mein Erzeuger war fast nie zuhause", teilt Ryder ihm mit.

„Aber warum entführt er nicht dich oder Paddy, wenn er gegen eure Beziehung ist oder sie einfach nur kaputt machen will?", fragt ihn Jason.

„Ich glaube, er will uns beide kaputt machen. An Paddy oder gar an mich kam er nicht ran, also musste er mit unserem Freund vorlieb nehmen. Wenn er mit Jackson zusammenarbeitet – wovon ich übrigens ausgehe – weiß er, dass wir zwar in zwei Gangs sind, aber trotzdem zusammenhalten", antwortet mein Freund nach kurzen Nachdenken.

Von allen erhält er Zustimmung, es ist naheliegend.

Gerade möchte ich etwas sagen, als Ryders Handy vibriert. „Mein Erzeuger, ein Bild von Steven mit der Unterschrift: ‚Schöne Grüße von Kyle'." Ryder reicht sein Handy herum.

Auf dem Bild sieht man Steven, der gefesselt auf einer alten, verdreckten Matte sitzt. Er lehnt gegen eine Wand, dessen Putz bereits abblättert. Seinen Kopf hält er gesenkt, seine Augen geschlossen. Seine Kleidung ist zerstört, durch die Löcher schimmern Blutergüsse. An mehreren Stellen sind Schnittwunden erkennbar, die die Kleidung und Haut rötlich färben. Kurzum, er sieht einfach grauenhaft aus. Besonders Kyle ist schockiert, schließlich sollte er eigentlich dort sitzen. Aber auch Jake weicht die Farbe aus dem Gesicht, als er seinen Bruder so dort sitzen sieht.

Steffen räuspert sich: „Er hat jetzt drei Gangs gegen ihn. Darf ich ihm schreiben?"

Ryder nickt und schlägt vor, dass sich jeder die Nummer einprogrammiert. Man könne nie wissen, wofür das einmal gut wäre.

Anschließend schreibt Steffen Ryders Vater eine SMS von seinem Handy: „Ihnen scheint nicht aufgefallen zu sein, dass sie gar nicht Kyle entführt haben, aber gut. Jetzt haben sie gleich drei Gangs gegen sich aufgehetzt. Glauben Sie mir, früher oder später werden Sie dafür sterben!"

Wir warten noch einige Zeit ab, doch wir erhalten keine weitere Nachricht. So sehr wir auch versuchen heraus zu finden, wo Steven versteckt wird, wir kommen keinen Schritt weiter. Außerdem geht bereits die Sonne auf; die Gefahr, dass ich einen Einsatz bekomme, steigt. Daher verabschieden sich alle Gangmitglieder bis auf Ryder, Steffen, Ryan und Kristine. Wir überlegen gemeinsam weiter, aber niemand hat eine entscheidende Idee.

An diesem Samstag erhalte ich gleich mehrere Einsätze, die aber schnell und ohne Probleme abgearbeitet werden: Herzinfarkt auf dem Osterfelder Kopf, gebrochener Fuß auf dem Hupfleitenjoch, blockierendes Knie auf dem Jägersteig und zu guter Letzt noch einen Fahrradsturz auf der Forststraße Kreuzeck. Unseren geplanten Ausflug auf die Partnachalm und Graseck hätten wir aber sowieso nicht gemacht.

Am Abend stürmt Steffen in unsere Zentrale. „Ich habe eine Nachricht bekommen. Er will Steven gegen Paddy tauschen!"

„Was?!", schreien wir alle gleichzeitig und schauen uns geschockt an.

Gerade als ich etwas sagen möchte, brummt Ryders Handy. Auch er hat eine Nachricht seines Vaters erhalten, die er jetzt vorliest: „Wenn nicht ein Unschuldiger sterben soll, gehst du auf meine Forderung ein. Übergabe morgen Abend in Murnau auf dem alten Industriegelände. Tricks kannst du vergessen." Die Augen meines Freundes sind geweitet, so als würde er das Gelesene nicht glauben.

Dyan ist der Erste, der sich fängt. „Das wäre aber Paddys Tod."

„Verdammter Arsch", flucht Ryder. „Ich werde dich nicht tauschen, das kann nicht sein Ernst sein!"

Ich lege meine Hand auf seine Schulter. „Aber ich würde meines Lebens nicht mehr froh, wenn Steven etwas passieren würde. Wir gehen auf den Tausch ein und..."

„Was? Nein!", unterbricht mit Ryder. Auch die Anderen sehen mich geschockt an.

„Ich möchte doch nur zum Schein auf den Tausch eingehen", erkläre ich. „Wir sind drei Gangs. Also wird es uns doch möglich sein, die Gangster einzukreisen und notfalls zu erschießen."

Die Jungs und Kristine denken sichtlich nach.

„Ich finde ihren Vorschlag gut", räuspert sich meine Freundin.

„Also ich auch", stimmt Steffen mir zu. „Ich würde gerne Steven retten. Er hat mit der Sache gar nichts zu tun."

Dyan und Ryder sehen mich sorgenvoll an.

„Wir sind drei Gangs, wir schaffen das", versuche ich die Beiden zu überzeugen.

Dyan nickt schließlich, während Ryder eine Bedingung hat: „Oberstes Ziel ist Paddy zu schützen. Natürlich auch deinen Kumpel retten, aber wir müssen alle zusammen arbeiten. Jeder muss sich auf jeden verlassen können." Eindringlich sieht er allen in die Augen, die daraufhin nicken.

Dyan informiert Carlos, ich sage Tobias Bescheid, dass ich leider schon nachhause müsse. Nach diesem Gespräch fahren wir alle zu Ryder.

Im Auto äußert mein Freund seine Bedenken: „Ich habe Angst, dass wir versagen und er dich tötet."

„Das wird er nicht schaffen. Wir werden keinen Fehler machen", beruhige ich ihn.

Zuhause angekommen, besprechen wir uns mit Steffen, Hunter, Carlos, Dyan, Ryan und Kristine. Eine Stunde später kommen alle Gangmitglieder, sodass das Wohnzimmer allmählich voll wird. Wir erläutern ihnen unseren Plan. Jeder ist einverstanden. Auch Jake, der nicht mitkommen darf, weil es sich um seinen Bruder handelt, und stattdessen auf Lara und Elena aufpasst, sodass David mit uns kommen kann.

Es ist bereits 4 Uhr morgens, als wir schlafen gehen. Natürlich habe ich Angst vor heute Abend, aber diese darf ich nicht zeigen. Würde Ryder davon etwas mitbekommen, würde er die ganze Sache abblasen. Er ist jetzt schon in größter Sorge um mich. Dies zeigen mir auch seine muskulösen Arme, die mich fest an ihn drücken. 

Paddy, ist Liebe berechenbar?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt