Träumerisches Wiedersehen

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Wasser in meinem Gesicht riss mich, meiner Meinung nach viel zu früh, aus dem Schlaf.
„Das muss ja sehr bequem sein, dass du das einem Bett bevorzugst.", begutachtete James mich kritisch.
„Wie du siehst, habe ich noch geschlafen.", brummte ich ihn an.
„Aber bist nicht erholt.", konterte er mich.
Darauf wusste ich nicht, was ich antworten sollte und schnitt eine Grimasse.
Ich wollte mich wieder hinlegen, aber der putzmuntere James klatschte laut in die Hände. Der Zweck hatte sich erfüllt und ich war definitiv wach.
Mühselig rappelte ich mich vom Boden auf, strich die Kleider und meine Haare zurecht und folgte ihm zur Tür hinaus.

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Fast einen ganzen Monat verfloss und jeden Tag war das gleiche Morgenritual. Die Tage wurden immer kürzer und kälter, was hiess, der Winter war im Anmarsch.
Ich weigerte mich immer noch, im gleichen Bett wie James zu schlafen und so konnte ich in meine Zelle gehen und in der Nacht trainieren. Meine Kräfte waren schon erheblich gewachsen. Naja, die mentalischen. Die Muskeln an meinem Körper wollten nicht grösser werden. Mit meiner Gabe konnte ich schon viel besser umgehen und hatte schon einige Tricks auf Lager.
Nur mit dem Feuer sah es noch aus, wie am Anfang. Jedes Mal, wenn ich mir den Mut gefasst hatte, drängte sich die Angst in den Vordergrund und ich bekam eine Panikattacke.
Letzte Nacht war es mir das erste mal gelungen, eine Erdwand zu errichten! Dies nagte jedoch mehr an meiner Energie, als ich gedacht hätte. Bevor ich fast Ohnmächtig wurde, versank ich die Wand wieder und legte mich völlig erschöpft hin.
Dies war der Grund, wieso es mir heute umso schwerer fiel, aufzustehen.
„Du bist jede Nacht weniger erholt. Du solltest im Bett schlafen, bei mir.", begrüsste James mich heute.
„Neinein, das ist bestimmt nur der bevorstehende Vollmond.", wimmelte ich sein tägliches Angebot ab.
In Gedanken nahm ich mir vor, das Training heute sausen zu lassen und einmal wirklich zu schlafen.
Seit ich das letzte mal von Brian geträumt hatte, hatte ich mir keinen richtigen Schlaf mehr gegönnt. Aber James und seine rechte Hand, Josh, hatten so oft und eindringlich auf mich eingeredet, dass das alles zu ihrem Plan gehörte, dass ich nicht mehr wusste, was ich glauben sollte und was nicht. Das blöde daran war, dass es sich schon fast normal anfühlte, dass ich bei James war.
Er sucht nicht nach dir, hatten sie mir gesagt. Er hat dich nur ausgenutzt. Dieser Mann ist ne Bestie, er kennt keine Gefühle. Du warst ein vorübergehendes Spielzeug. Er hatte dich uns ausgeliefert. Er wollte dich töten und wir haben dich gerettet. Er hat dich schon ersetzt mit einer neuen.
Der letzte Satz hatte mich am meisten verletzt.
Hatte ich ihm wirklich nichts bedeutet?!
Jeden Tag fiel es mir ein bisschen schwerer, dem zuvorkommenden Charme von James zu widerstehen.
Doch dann küsste er mich, egal ob ich mich wehrte und ich wusste, dass er nicht der Richtige war. Es fühlte sich nicht scheisse an, aber ich hatte keine Schmetterlinge im Bauch und mein Körper hatte nicht das Verlangen nach mehr. Aber ich hatte Angst, dass sich das noch ändern konnte.
Ich duldete all das nur, damit ich nicht wieder geprügelt und hungern gelassen wurde.

Am Abend begann es heftig zu stürmen. Starker Wind ging, welcher durch jede Ecke und Lücke pfiff und es regnete, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ich lag in meiner Zelle auf dem Boden und hörte dem plätschern vom Regen zu, welches mich beruhigte und entspannte und allmählich fielen mir die Augen zu.

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Wieder im Wald öffnete ich die Augen. Ich war wieder gleich angezogen, wie letztes Mal, nur gatte ich heute keine Verletzungen mehr. Ein Geräusch hinter einer der Bäume zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

Soll ich hingehen? Kann man sich im Traum ernsthaft verletzen?

Zögerlich begab ich mich in die Richtung, von welcher das Geräusch kam. Doch bevor ich dort hin gelangt war, trat ein Mann hervor. Er lächelte mich mit einem Lächeln an, welches in mir ein warmes Gefühl verbreitete.
„Brian!", rief ich und rannte auf ihn zu.
„Hallo Prinzessin.", begrüsste er mich voller Freude.
Doch die hielt leider nicht lange, denn all die Worte, die James mir immer und immer wieder gesagt hatte, drängten sich in den Vordergrund. Ich begann zu weinen, weil ich verzweifelt und verletzt war und tat ein paar Schritte zurück.

Es ist nur ein Wunschtraum.

Ich spürte, wie starke Arme mich an ihn drückten. „Warum weinst du?", fragte er mich vorsichtig.
Ich schniefte ein paar mal, bevor ich antworten konnte.
„Ach weisst du, ich dachte einen kurzen Moment, dass diese Begegnung echt ist. Aber es ist doch nur ein Wunschtraum.."
Ich konnte nichts dagegen tun und die Tränen flossen wieder.
Sanft legte er eine Hand unter mein Kinn und hob es hoch.
„Sieh mich an.", forderte er und ich tat wie geheissen.
Er wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute mir tief in die Augen.
„Das hier ist echt. Ich versuche schon eine Ewigkeit zu dir zu gelangen, aber es gelingt mir nie. Einzig an den Vollmondnächten ist deine Energie so stark, dass ich dich finde."
„Das könnte an der Fussfessel liegen, die ich tragen muss..", überlegte ich laut.
„Was für ne Fussfessel?", fragte er mich erschrocken.
Ich sah ihn an und wusste nicht, ob ich ihm vertrauen sollte oder nicht. Mein Herz schrie ein deutliches Ja, während mein Kopf sich dagegenstellt.
„Sophie. Was ist los?", drängte er mich zu sprechen.
„Mir wurde eine Fessel angelegt, welche verhindert, dass ich mich verwandeln kann.", das war alles was ich sagte.
„Aber das ist noch nicht alles, oder?", hakte er nach.
Ich schüttelte bloss den Kopf, weil ich mich nicht traute zu reden.
„Sophie, verdammt! Rede doch endlich!", wurde er lauter.
Geschockt sah ich an und wollte schon wegrennen. Doch Brian begriff sofort, dass er das nicht hätte tun sollen, griff nach meinem Arm und drehte mich zu sich.
„Wieso blockst du ab?", fragte er verzweifelt.
„Das solltest du am besten wissen.", antwortete ich vorwurfsvoll.
Ein verwirrter Blick legte sich in sein Gesicht und ich verstand, was los war.
„Du hast gar keinen Deal mit ihm gemacht, oder?", stellte ich eher für mich fest, als ihn zu fragen.
„Mit wem denn?", stocherte er nach.
Ich schluckte hart, bevor ich ihm den Namen nannte. „Mit deinem Bruder."
Ich sah gerade noch, wie er versuchte seine Wut hinter einer freundlichen Fassade zu verbergen. Sein Gesicht war wie eingefroren. Beherrscht und eiskalt.
„Er sagte immer, dass alles geplant gewesen war. Dass du mich nur benutzt hast und mich schon durch eine Neue ersetzt hast. Er sagte, du wolltest mich töten..", ich versuchte ihm zu erklären, doch beim letzten Wort brach ich ab, da der Kloss in meinem Hals zu gross war. „Ich wurde gefoltert, Brian. Er wollte mich küssen.. Meine Wehr wurde hart bestraft. Um zu Kräften zu kommen, musste ich mich bei ihm entschuldigen und mir das meiste gefallen lassen. Und dann erzählen die mir sowas. Er hat mich geküsst.. jeden Tag.", brachte ich gebrochen und mit Tränen in den Augen aus mir heraus.
Brians stählerner Blick geriet ins Wanken und ich konnte sehen, wie stark er litt.
„Es tut mir so leid.. ich hätte dich nicht anschreien und davon rennen dürfen. Du wolltest nur das beste für mich.", entschuldigte ich mich.
Jetzt war es an ihm, die Tränen zu beherrschen, aber hie und da glitt eine seine Wangen hinunter.
„Mir tut es auch leid.", begann er endlich etwas zu sagen. „Ich hätte ein bisschen mehr Rücksicht auf dich nehmen sollen und dir mal eine Pause gönnen."
Wir lächelten uns an und ich wusste, dass vielleicht alles wieder gut werden konnte.
„Er hat dich also geküsst und gefoltert..
Ich hasse ihn..! Niemand tut meiner Prinzessin was an!", sagte er eher zu sich als zu mir.
Ich war froh, dass er nicht mir die Schuld dafür gab.
Wir sassen nebeneinander an einen Baum gelehnt und genossen die Nähe des jeweiligen anderen.
Lange sagte niemand mehr etwas, nachdem auch Brian seine Version erzählt hatte.
Vorsichtig lehnte ich den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.
„Sophie?", riss Brian mich aus den Gedanken und ich schaute zu ihm hoch.
Als er von der Seite sah, dass ich ihn anschaute, drehte er den Kopf zu mir und schaute mir tief in die Augen.
„Ich hab dich schrecklich vermisst."
Ich lächelte ihn an. „Ich hab dich auch schrecklich vermisst, Brian."
Seine Augen fingen an zu strahlen und er kam immer näher zu mir, bis sich unsere Lippen trafen. Sofort legte sich ein angenehmes Wohlgefühl in meinen Körper und es kribbelte an meiner Wange, als er die Hand dort hin legte.
Es war ein sanfter, aber leidenschaftlicher Kuss, der meiner Meinung nach viel zu schnell vorbei war. Denn die Sonne ging auf und wir wurden wieder getrennt.
„Ich liebe dich, Prinzessin. Vergiss das nicht.", war das letzte, was ich in der Dunkelheit hörte, bevor ich aufwachte.
„Ich liebe dich auch.", hauchte ich aus mir, mir bewusst, dass er es nicht mehr hören konnte.

White WolveWhere stories live. Discover now