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Es war ein ganz gewöhnlicher Sonntagmorgen, wie jeder andere auch und doch lag etwas ungewöhnliches in der Luft, dass mich zuerst zurück in die Vergangenheit bringen und dann in die Zukunft katapultieren würde...

Der Regen, der vom Wind gegen meine Scheibe gedrängt wurde, rüttelte mich aus meinen Träumen zurück in mein Zimmer. Pünktlich zum Ende vom August, verabschiedete sich der Sommer. Er machte Platz für den Herbst - meiner absoluten Lieblingsjahreszeit. Was gab es schöneres, als mit einer warmen Tasse Tee am Fenster zu sitzen, dem Spiel des Wetters zu lauschen und in einem guten Buch zu versinken?

Nachdem ich mich lange genug davor gedrückte hatte, mein warmes, weiches Bett zu verlassen, rollte ich mich auf die rechte Seite und stand auf. Mein Blick fiel auf die Uhr, welche auf meinem Nachttisch stand - 11:32 Uhr zeigten die schwarzen Zeiger an. Eine Schwere lag in der Luft, die ich nicht beschreiben konnte. Als würde mir die Luft zum atmen fehlen. Normalerweise schlief ich nicht so lange, doch diese Nacht plagte mich eine ungewöhnliche Schlaflosigkeit, die mich keine Ruhe finden ließ. Immer wieder drehte ich mich von links nach rechts und wieder zurück. Kopfschüttelnd lief ich zu meinem Schrank und zog mir einen warmen Pullover über meine Schlafsachen. Danach tapste ich in die Küche, in welcher ich begann, mir eine Tasse Tee zu kochen. Mein morgentliches Ritual sozusagen. 

Während das Wasser vor sich hin köchelte, schwebte mein Blick aus dem Fenster. Niemand war zu sehen - weit und breit keine Menschenseele. Nicht einmal mein Nachbar und sein Dalmatiner, die für gewöhnlich ihre Sonntagsrunde drehten. Es war fast so als wäre ich alleine auf der Welt. Bei dem Wetter verließ niemand freiwillig das Haus. Seit Freitag hatte sich der Himmel nicht einmal aufgelockert, ununterbrochen regnete und stürmte es. Die Wolken hingen tief und tauchten die ganze Stadt in ein graues, düsteres Licht. Ich liebte dieses Wetter.

Meine Wohnung lag nicht weit vom Meer entfernt - in einer kleinen Stadt am Rande von England. Hier gab es nicht viel, doch alles, was man brauchte. Neben den essentiellen Sachen wie Supermarkt, Tankstelle und Schule, gab es ein kleines Café am Rande der Stadt - direkt am Wasser. Dahinter begann ein Wald, der dem ganzen Ort einen mystischen Touch verlieh und dafür verantwortlich war, dass die Alten zahlreiche Mythen über die dunkelgrünen Baumkronen erzählten. Ich hing ihnen oft an den Lippen und hörte ihren alten Geschichten zu. Dabei versuchte ich, so viele wie möglich festzuhalten, damit sie nicht in Vergessenheit geraten würden.

Das Café war mein absoluter Lieblingsort und ich war quasi Stammkundin. Oft arbeitete ich dort, um aus meinen vier Wänden zu fliehen, oder um den neuesten Kleinstadt-Tratsch nicht zu verpassen. Denn egal was passierte, innerhalb weniger Stunden wusste der ganze Ort bescheid. Dennoch mochte ich die Atmosphäre. Sie erinnerte mich an ein Café aus meinen Studienzeiten, in dem ich unzählige Nachmittage verbracht und über Gott und die Welt philosophiert hatte. Außerdem hatte ich dort damals jemand ganz Besonderen kennengelernt.

Ich schüttelte meinen Kopf, als könnte ich so die Gedanken aus meinem Kopf verbannen und goss das heiße Wasser in meine Tasse. Lange hatte ich schon nicht mehr zurück gedacht, an mein Studium, die Verlorenheit, die ich Tag ein - Tag aus fühlte und wie Sie mir dabei half, meinen Weg zu finden und letztendlich auch zu gehen. Ich nahm einen Schluck von meinem dampfenden Tee und schloss die Augen. Für eine Sekunde fühlte ich mich in mein jüngeres ich zurückversetzt, für eine Sekunde fühlte ich den inneren Druck und all meine Zukunftsängste in mir aufflammen. Doch bevor ich tiefer in meinen Gedanken versinken konnte, klingelte es an meiner Haustür.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Eine dumme Angewohnheit von mir, mit der mich meine Mutter immer aufzog  - das gibt Falten Olivia, hörte ihre Stimme in meinem Kopf widerhallen doch verdrängte sie sofort wieder.

Auf meinem Weg zur Tür fragte ich mich, wer das sein könnte. Besuch erwartete ich keinen und bei dem Wetter würde auch niemand "spontan" vorbeikommen. Ich legte meine Hand auf das kalte Metall und öffnete gespannt die Tür. Doch nichts - keiner war zu sehen. Ich schaute mich etwas verloren um, selbst auf der Treppe war niemand. Es war mucksmäuschenstill. Gerade als ich einen Schritt aus meinem Türrahmen gehen wollte, um die Stufen, die nach draußen führten, zu checken, stieß mein Fuß gegen etwas hartes. Mein Blick fiel nach unten - dort lag ein kleines, braunes Päckchen, auf dem in krakeliger Schrift - Für Olivia Green, stand.

Olivia & KateWhere stories live. Discover now