7. Kapitel

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Als ich an diesem Morgen die Eingangstür der Schule aufstieß und mir neben der warmen Luft leises Getuschel entgegenschlug und mir die Blicke der anderen Schüler auffielen, wusste ich gleich, dass etwas nicht stimmte.
Also spitzte ich die Ohren, während ich durch den Gang lief und versuchte so viele Gesprächsfetzen mitzuhören wie es ging, was gar nicht so leicht war, da jeder mit gesenkter Stimme sprach.
,,Letzte Nacht....Alpha Levan..'' ,,Ja...soll..selbst...schrecklich..'' ,,..Junge...Schule...weißt du..wer?''
Mehr verstand ich nicht. Aber das musste ich auch nicht wirklich. Ich hatte im Groben begriffen, worum es ging. Anscheinend war ich nicht die einzige gewesen, die letzte Nacht diese Schreie gehört hatte. Und endlich, endlich schien mal darüber geredet zu werden. Es hat mich nämlich verdammt gewundert, dass niemand auch nur ein Wort über diese Horrornächte verloren hatte. Für einen Moment hatte ich mich echt gefragt, ob wirklich nur ich es bin, die diese Geräusche hörte und somit irgendwie unter halluzinärer Einbildung oder so litt.
Ich zog leicht die Augenbrauen zusammen, während ich weiter ging. Alpha Levan. Schon wieder war dieser Name gefallen und anscheinend brachten sie ihn mit dem Vorkommnis von letzter Nacht in Verbindung. Aber wer oder was war das? Und war letzte Nacht wirklich ein Mord geschehen? Hatten die Wölfe, die ich die ganze Zeit gehört hatte, etwas damit zu tun? Das wäre doch eigentlich ziemlich ungewöhnlich, oder? Ich hatte noch nie von einem derartig aggressivem Wolfsrudel gehört, das quasi nachts die Stadt durchströmte und Menschen riss. Und sollte es so sein, müsste dann nicht schon längst etwas dagegen unternommen worden sein?
So viele Fragen und keine Antworten. Und das war erst mein vierter Tag hier.
Einen ruhigen Neuanfang hatte ich mir wirklich anders vorgestellt.
Ich entdeckte ein bekanntes Gesicht in der Menge und steuerte auf sie zu. Dayna stand an einen Spind gelehnt neben einem blonden Jungen und flirtete ganz offensichtlich mit ihm. Als ich mich zu ihnen stellte, legte der Junge einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.
,, Hi, Dayna'', begrüßte ich sie und erwiderte den auf mich gerichteten musternden Blick des Jungen. ,,Dein Freund?''
,,Ja. Das ist Zander.'' Sie lehnte sich verliebt lächelnd gegen ihn. ,,Zander, Jallyne. Sie ist neu hier.''
Er nickte nur knapp. Dayna schlug ihn leicht gegen die Brust und schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln. ,,Nimm's ihm nicht übel. Er ist normalerweise nicht so unfreundlich. Nur war Nick ein guter Freund von ihm.''
Ich runzelte die Stirn. Eine schlechte Vorahnung überkam mich. ,,Nick? Fynnick? Was ist denn mit ihm?"
,,Hast du es noch nicht gehört? Er ist tot. Man fand seine Leiche heute morgen in seiner Wohnung. Oder zumindest das, was von ihr noch übrig war. Und damit meine ich von beiden - Nick und Wohnung.'' Gegen Ende hin flüsterte sie immer mehr.
In meinen Ohren fing es an zu rauschen. Die Sicht vor meinen Augen verschwamm.
Nick war tot? Der Nick mit den schönen goldenen Locken? Der freundliche, süße Junge, mit dem ich mich so gut verstanden hatte? In dem ich gehofft hatte, einen guten Freund zu finden? Der mir wie die einzig normale Person in diesem Ort vorgekommen war? Tot? Ermordet?
Die männlichen Schreie, die ich in der Nacht gehört hatte, es mussten seine gewesen sein. Oh Gott. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und taumelte leicht.
Ich nahm alles um mich herum nur noch dumpf war.
Es war eine Sache, wenn eine fremde Person umgebracht wurde, es war aber eine ganz andere, wenn es eine Person war, die man kannte. Ich kannte Nick zwar nicht sehr gut, aber ich kannte ihn. Und ich hatte ihn vom ersten Moment an gemocht.
Warum sollte man jemanden wie ihn ermordet haben und so wie Dayna es gesagt hatte, gab es keinen Zweifel daran, dass es Mord gewesen war. Oh mein Gott.
Du wirst dich von ihm fernhalten. Plötzlich erinnerte ich mich an Lane's Worte. Seine Stimme geisterte durch meinen Kopf. Glaub mir, besser du tust es, bevor jemand anderes dafür sorgen wird.
Mir wurde schwindlig. Nein, das konnte nicht sein.
Eine Hand berührte vorsichtig meinen Arm und ich schreckte zusammen. ,,Jallyne? Ist alles okay? Kanntest du ihn?''
Ich biss mir auf die Zunge, der Schmerz half mir meine Konzentration wieder zu erlangen und mich ein wenig zu sammeln. ,,Ich - ein wenig. Nicht sehr gut, aber ich mochte ihn. Er war sehr nett.'' Ich senkte den Blick und ballte meine zitternden Hände. ,,Er hatte es nicht verdient zu sterben.'', flüsterte ich.
,,Nein. Nein, das hatte er nicht.'', vernahm ich Zanders Stimme zum ersten Mal genauso leise. Sie klang rau. So als hätte er geweint. Als ich ihn genauer musterte, erkannte ich auch noch eine leichte Rötung um seine Augen. Sein Gesicht war blass. Er umarmte Dayna fester, so als wäre sie sein einziger Halt.
Ich zwang mich zu einem kleinen, ehrlichen Lächeln. ,,Tut mir leid für deinen Verlust.''
Zander nickte nur wieder. Ich wusste, wie er sich fühlte. Ich hatte diesen Schmerz um einiges stärker schon selber durchlitten. Ich spürte ihn immer noch. Aber ich sagte nicht, dass ich verstehen würde, wie er sich fühlte, denn ich wusste aus eigener Erfahrung, dass einen solche Sätze alles andere als halfen. Im Gegenteil, sie machten einen wütend. Denn in diesem Moment fühlte es sich so an, als könnte niemand diesen unsagbaren Schmerz in einem nachempfinden. Die meisten, die das sagten, konnten es auch gar nicht. Sie dachten es nur. Und glaubten, sie würden damit irgendwie helfen. Dem war nicht so.
Ich wollte genauer wissen, was mit Nick passiert war, aber ich käme mir ziemlich unsensibel vor, wenn ich in Zanders Beisein nachhaken würde, der um seinen Freund trauerte. Ich würde es auch irgendwie anders herausfinden. Und das musste ich. Ich musste wissen, ob Nicks Tod meine Schuld war, so wie Lane mit seinen Worten indirekt angedeutet hatte. Zumindest kam es mir jetzt im Nachhinein so vor. Seine Worte, die ich gestern noch nicht richtig verstanden hatte, erschienen mir jetzt wie eine Warnung. Eine Warnung, die ich ignoriert hatte. Eine Warnung, die irgendwie wahr wurde. Nur würde das bedeuten, dass entweder Lane oder einer, den er kannte, etwas damit zu tun hatte.
Das galt es nun herauszufinden.
Ich wollte mich gerade zum Gehen abwenden, als Dayna mich zurückhielt. Ernst und durchdringend sah sie mir direkt in die Augen. ,,Du erinnerst dich doch noch an meine Worte in der Mensa, oder?'' Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. ,,Ja?''
,,Es war ein gutgemeinter Ratschlag, aber auch eine ernstzunehmende Warnung. Schnüffler sind hier nicht erwünscht, Jallyne. Versuch nicht, herauszufinden, wer Nick ermordet hat. Es ist besser, du belässt es einfach dabei, dass er tot ist.'', sagte sie leise, aber hart. Ich schluckte schwer, erwiderte ihren Blick aber fest. ,,Das kann ich nicht.''
Ihre Miene verschloss sich. ,,Ich habe dich gewarnt.''
Damit wandte sie sich von mir ab und ging mit Zander davon. Ich sah ihnen nach. Ein wenig besorgt über ihre Worte war ich schon, aber ich gehörte nicht zu der Kategorie Mensch, die so etwas auf sich beruhen lassen konnte.
Ich würde ihre Warnung im Hinterkopf behalten, aber sie würde mich nicht davon abhalten können, herauszufinden, was hier vor sich ging.

Alaska Legends - Alpha Levan  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt