37. Kapitel

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,,Worüber denkst du nach?''
Ich schaute auf, als Katy sich zu mir setzte und eine Tasse Kakao vor mir abstellte.  Ich rückte ein wenig zur Seite, damit sie mehr Platz hatte und griff nach der Tasse. ,,Danke.'' 
Ich nahm unüberlegt einen Schluck und war erleichtert, dass das Getränk mir nicht die Zunge verbrannte. Dennoch stellte ich die Tasse daraufhin wieder zurück. ,,Den Seelenbund.'', antwortete ich ehrlich auf ihre vorher gestellte Frage.
,,Ah.'' Sie nickte wissend. ,,Unio animae. Wenn ich meinen Mate gefunden habe, möchte ihn auch unbedingt eingehen.''
,,Eigentlich hast du ihn doch schon gefunden, oder was läuft da mit dir und Elaya?'', wollte ich neugierig wissen.
Katy wich unbehaglich meinem Blick aus. ,,Ich weiß nicht.'', nuschelte sie. ,,Es ist nur so ein Gefühl, aber - ach keine Ahnung.'' Sie seufzte. ,,Sein Verhalten im Moment verwirrt mich auch total. Früher war ein super nerviger, gemeiner Idiot, sobald Levan nicht hingeschaut hat, und jetzt....jetzt...'' Sie gestikulierte wild mit den Händen in der Luft herum, als ihr die Worte fehlten.
Ich lächelte belustigt.
Es waren jetzt einige Tage seit dem Angriff vergangen und während Katy sich schnell erholt hatte, war Elaya im Alphahaus Stammgast geworden und war immer in ihrer Nähe aufzufinden gewesen. Es war echt amüsant mitanzusehen gewesen, wie er Levan damit auf die Nerven gegangen war. Aber egal wie oft er Elaya rausgeschmissen - oder sogar, als ihm die Nerven endgültig gerissen waren, als Wolf am Kragen seines Pullovers rausgezerrt hatte -, er war immer wieder zurückgekommen. Auch die Androhung von sich ziemlich brutal anhörenden Bestrafungen hatte Elaya nicht fern halten können - von den Umsetzungen dieser hatte ich Lev zu seinem Glück aber immer abhalten können. Ich bewunderte Elayas Sturheit und Hartnäckigkeit wirklich. Und sie war für mich der klare Beweis, dass die beiden einfach Mates sein mussten.
,,Wie auch immer.'', kam sie wieder zurück um eigentlichen Ausgangspunkt unseres Gesprächs. ,,Ich weiß, dass mein Bruder es kaum abwarten kann, den Bund mit dir einzugehen. Also musst du ihn nicht wollen, sonst hättet ihr ihn schon längst gemacht.''
Ich griff wieder nach der Tasse, einfach um etwas in den Händen zu haben, da das Thema gerade, mich ein wenig unwohl fühlen ließ. ,,Es ist nicht so, dass ich ihn nicht machen will'', versuchte ich es zu formulieren und überlegte, wie ich Katy am besten meine Gefühle übermitteln konnte. ,,Nur..'' Doch Katy schien auch so zu verstehen. ,,Nur du hast Angst davor, keine Privatsphäre mehr zu haben, da mit dem Seelenbund auch ein Gedankenöffnen für den Gefährten einhergeht.'', brachte sie es auf den Punkt.
Ich nickte. ,,Ja.'', meinte ich leise.
,,Aber du kannst doch jederzeit deine Gedanken vor ihm verschließen.'', verriet sie mir und ließ mich damit aufhorchen. Überrascht sah ich sie an. ,,Das geht?''
Sie schmunzelte. ,,Natürlich. Hat dir das denn niemand gesagt? Du kannst mit ein bisschen mentalem Training Barrieren ziehen, die jede andere Person aus deinem Kopf ausschließen, und kannst sie auch jederzeit wieder fallen lassen, sodass deine Gedanken wieder zugänglich sind.''
Fasziniert sah ich sie an. ,,Das hört sich echt krass an.''
Katy lachte. ,,So krass wie Werwölfe?''
Ich musste ebenfalls lachen. ,,Stimmt.''
,,Ich kann verstehen, dass es für dich eine viel schwerere Entscheidung ist, den Seelenbund einzugehen als für uns. Denn während es für jeden Werwolf das Lebensziel ist, muss es sich für dich beängstigend und einschränkend anhören.'', meinte sie, nachdem unser Lachen verklungen war.
Ich nickte wieder. ,,Hm.''
Katy lächelte und erhob sich. ,,Ich an deiner Stelle würde nicht allzu lange zögern. Der Vollmond naht schon wieder. Und nur an diesem kann der Seelenbund vollzogen werden.''
,,Ah ja?'', fragte ich überrumpelt und mir fiel auf, dass ich gar nicht wusste, wie dieser Seelenbund überhaupt vollzogen wurde. Was für eine Voraussetzung. ,,Gibt es dafür ein bestimmtes Ritual oder so?''
Katy sah mich für einen Moment sprachlos an. ,,Gott, Levan, dieser Reinfall!'' Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute an die Decke. ,,Was hast du mir da angetan, Luna? Womit hab ich so einen unnützen, dämlichen Bruder und Alpha verdient?''
Perplex und auch ein wenig fassungslos sah ich sie an.
Sie stieß einen dramatischen Seufzer aus und setzte sich wieder zu mir. ,,Okay, Jal. Da mein Bruder anscheinend verpeilt hat, dir mitzuteilen, wie der Seelenbund überhaupt abläuft, übernehme ich das jetzt für ihn.''
Ich wollte gerade etwas sagen, da fuhr Katy schon fort. ,,Also zuerst einmal kann der Seelenbund, wie ich bereits sagte, nur an Vollmond stattfinden. Das Ritual an sich besteht aus einem Blutaustausch und-‚''
Ich unterbrach sie mit hochgezogener Augenbraue. ,,Seit ihr nun Werwölfe oder Vampire?''
,,Es gibt keine Vampire.'', stellte Katy klar und ich hob bei ihrem Tonfall entschuldigend die Hände.
,,Also das Ritual besteht aus einem Blutaustausch und-‚''
Ich unterbrach sie erneut. ,,Wie Vampire?''
Ihre Augen erdolchten mich beinahe. ,,Ich sagte doch, es gibt keine Vampire.''
,,Ich meine, wie Vampire? Also so gegenseitig in den Hals beißen und Blut trinken?'' Bei der Vorstellung schauderte es mich. Nein. Never. Das würde ich nicht machen. Auch nicht für Levan.
Sie verzog das Gesicht. ,,Zugegeben, früher lief das in der Tat so ab, aber heute geht das ganze meist gesitteter vor sich. Beide schneiden sich ganz einfach in die Hand und dann wird das Blut in einem Glas vermischt und beide trinken es. Also du siehst, keine große Sache -‚''
Nun war ich diejenige die ihr Gesicht verzog. In die Hand schneiden? Sein und mein Blut aus einem Glas trinken? Das hörte sich für mich irgendwie sehr wohl nach einer großen Sache an. ,,Ihr habt sie doch alle nicht mehr'', murmelte ich leise vor mich hin, doch Katy mit ihrem verfeinerten Gehör hatte mich natürlich ausgezeichnet und überdeutlich gehört.
Ihr Blick sprach Bände. Ich schrumpfte ein wenig in mich zusammen. ,,Sorry, meinte ich so nicht.''
Kritisch zog sie eine Augenbraue hoch, schüttelte dann aber einfach nur den Kopf und sah großzügig über meine Worte hin weg. ,,Wenn ich dann endlich meinen Satz beenden darf? - Das Ritual besteht also aus dem Blutaustausch und-‚''
,,Ist der wirklich notwendig? Kann man den nicht auch irgendwie anders machen?''
Sie schloss die Augen. ,,Jallyne Hill, verdammt nochmal!'', platzte ihr der Kragen und ich biss mir auf die Lippe.
,,Sorry'', nuschelte ich wieder.
,,Ja, er ist notwendig und nein, man kann ihn nicht anders machen.'', beantwortete sie bemüht ruhig und gelassen meine Fragen. ,,Also...der andere Teil des Rituals ist wesentlich einfacher. Die Seelenverwandten müssen nur den Mondschwur aufsagen.''
Mondschwur? Was war denn das jetzt schon wieder?
Katy las mir meine Frage von den Augen ab. ,,Ein Schwur, der Luna geschworen wird. Es geht um verschiedene Versprechen einander gegenüber, aber auch gegenüber der Mondgöttin selbst, wie ewige Treue und Liebe. Mit ihrer Segnung verschmelzen dann eure Seelen. Und das war's eigentlich auch schon.'' Sie zuckte mit den Schultern, aber ihre Augen leuchteten begeistert und voller Sehnsucht. Langsam erhob sie sich nach einem Moment des Schweigens. ,,Und beim darauffolgenden Vollmond wirst du dann ebenfalls zu einem Mondkind - falls du das auch noch nicht wissen solltest. Wäre vielleicht ganz wichtig.'' Damit ging sie.
,,Ja, danke.'', meinte ich ironisch angehaucht und sah ihr hinter her, bevor ich einen großen Schluck meines mittlerweile schon ziemlich abgekühlten Kakaos trank.
Wieso hatte Lev mir das eigentlich nicht schon mal früher sagen können? Mit dem Wissen, meine Gedanken vor ihm abschirmen und somit zumindest einen wichtigen Teil meiner Privatsphäre behalten zu können, fühlte ich mich gleich nicht mehr so ablehnend gegenüber dem Seelenbund. Jetzt gab es eigentlich nichts mehr, was dagegen sprach. Die Verwandlung in einen Werwolf, oder Mondkind, empfand ich jedenfalls nicht als Hindernis oder Problem, was mich davon abhalten könnte. Eher im Gegenteil. Zu dieser übernatürlichen Welt zu gehören, ein richtiger Teil von ihr und diesem Rudel zu sein, hörte sich für mich eigentlich ziemlich aufregend und spannend an. Werwolf sein? - wer hatte sich nicht schonmal vorgestellt, eine Märchengestalt zu sein? Und bei Filmen wie Twilight, gab es ja auch immer zwei Seiten: Die der Vampire sprich Edward und die der Werwölfe sprich Jacob.
Und jetzt bot sich mir die Möglichkeit selber einer zu werden.
Entschlossen raffte ich mich auf, brachte meine Tasse in die Küche und machte mich dann auf die Suche nach Levan.
Im Haus war er jedoch nicht aufzufinden.
Ich schnaubte. So sah das also aus. Während ich gefühlt schon Rede und Antwort stehen durfte, wenn ich nur die Terassentüre zum Lüften aufmachte, verließ er einfach das Haus und ging wer weiß wohin, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen.
Ich verschränkte empört die Arme vor der Brust. Der Hund würde kein sehr freundliches Willkommen kriegen, wenn er es geschafft hatte, wieder zurück nach Hause zu trotten. Da konnte er noch so sehr mit dem Schwanz wedeln, winseln und süße Welpenaugen machen. Und das, wo ich ihm doch eigentlich seine heiß ersehnte Nachricht mitteilen hatte wollen. Nichtmal verabschieden hatte er sich können.
Ich schmollte, vielleicht, aber nur ein ganz kleines bisschen.
Was ich bei meiner Suche nach meinem Mate auch hatte feststellen dürfen war, das sich neben mir niemand anderes im Haus aufhielt. Etwas, was seit meinem Einzug, nicht einmal vorgekommen war. Nicht das es mich stören würde.
Ich entschloss mich nach kurzer Überlegung, ein Bad zu nehmen. So richtig entspannend.
Als ich das Wasser einließ, erinnerte ich mich an das letzte und erste Mal, als ich in dieser Badewanne lag.
Ich schmunzelte bei der Erinnerung, die mir schon so lange her erschien. Kaum zu glauben, dass ich damals richtige Angst und Panik vor Levan und den Mondkindern geschoben hatte. Jetzt erschien es mir gerade zu lächerlich, sich vor ihnen zu fürchten und ich schämte mich teilweise für mein Verhalten.
Langsam ließ ich mich in die Wanne gleiten und schloss die Augen.

,,Jallyne?'' Gedämpft hörte ich seine Stimme zu mir durchdringen und blinzelte. Ich war kurz davor gewesen einzuschlafen, war schon halb eingedöst. Mein Bewusstsein war jedoch bei dem Klang seiner Stimme sofort wieder hellwach.
Erneut rief er meinen Namen und suchte anscheinend nach mir.
,,Ich bin hier'', rief ich zurück und hievte mich aus der Wanne. Schnell wickelte ich mich in ein Handtuch ein und ließ das Wasser ab. Dann tapste ich noch mit nassen Füßen zur Badezimmertür und öffnete sie, nur um beinahe mit Levan zusammenzustoßen.
Seine Arme schlossen sich sofort um mich, ungeachtet meiner Nässe, die ihn nicht ansatzweise zu stören schien.
Zu jeder anderen Zeit hätte ich es genossen, heute jedoch drückte ich ihn sanft von mir weg.
Ich bemühte mich um einen strengen Blick. ,,Wo warst du?''
,,Im Rudelhaus. Ein paar Angelegenheiten klären.'' Es dauerte einen Moment, bis bei Levan der Groschen zu fallen schien. ,,Es tut mir leid, ich hab vergessen, dir Bescheid zu sagen.''
Ich nickte. ,,Und verabschiedet hast du dich auch nicht.'', schmollte ich fast.
Levans Mundwinkel zuckten verräterisch. ,,Kommt nicht wieder vor.''
Ich lächelte zufrieden. ,,Gut.''
,,Kannst du mir Klamotten raussuchen?'', fragte ich ihn, wehrend ich zurück ins Badezimmer trat und den Föhn herausholte.
Während ich anfing mir die Haare trocken zu föhnen, reichte Levan mir einen schlichten Slip, einen dicken Pulli von ihm und eine Leggins von mir. Ich schmunzelte über seine Auswahl.
Als er dann weiter einfach nur im Bad herumstand und mich anschaute, hielt ich ihm auffordernd den Föhn hin. Zögerlich griff er danach und stellte sich dichter hinter mich. Entspannt ließ ich mir von ihm die Haare trocken föhnen.
Durch den Spiegel beobachtete ich ihn dabei und war mir noch sicherer mit meiner Entscheidung als zuvor.
Nachdem ich vollkommen trocken und angezogen war, stellte ich mich zu Levan ans Fenster. Sofort legten sich seine Arme um mich und seine warme Brust wärmte meinen Rücken. Schweigend sahen wir auf die beschneite Landschaft herunter.
Schließlich räusperte ich mich und hatte sofort Levans volle Aufmerksamkeit. ,,Ich will den Seelenbund mit dir eingehen.'', teilte ich ihm direkt und entschlossen mit.
Levan hinter mir erstarrte für einen Augenblick, dann wurde ich blitzschnell in seinen Armen umgedreht. Seine einzigartigen Augen brannten sich in meine. ,,Meinst du das Ernst?'', vergewisserte er sich. ,,Bist du dir sicher?''
,,Ja.'' Ich lächelte ihn an und seine Augen fingen an strahlend hell zu leuchten, während auch seine Lippen sich zu einem glücklichen Lächeln verzogen.
Mein Herz schlug bei diesem Anblick doppelt so schnell wie vorher. Glück und Euphorie schwappten über das Band zu mir.
,,Wann?'' Auch wenn er es versuchte zu verbergen, hörte ich die Ungeduld in seiner Stimme heraus.
,,Beim kommenden Vollmond.'', antwortete ich lächelnd.
Mit einem Mal fand ich mich in der Luft wieder, Levan hatte mich hochgehoben. Fest drückte er mich an sich, während er das Bett ansteuerte. Erstaunlich sanft wurde ich auf diesem abgelegt und es dauerte keine ganze Sekunde, da fand ich mich von ihm umschlungen wieder.
Das Funkeln in seinen Augen erwärmte mein Herz und ließ reines Glück durch meine Adern pumpen. Es war die richtige Entscheidung gewesen, das wusste ich jetzt sicher.
Und wenn unsere Seelen verschmelzen würden, konnte uns nichts mehr voneinander trennen.
Verbunden in Leben und Tod.

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