36. Kapitel

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Der nächste Tag verlief verhältnismäßig ruhig.
Das Rudel trauerte um ihre Verstorbenen und kleine Aufräumarbeiten fanden statt.
Katy wachte, wie von Dr Yavis vorhergesagt, noch nicht auf und Levan saß durchgängig an ihrer Seite. Elaya würde wohl dasselbe tun, würde Levan ihn nicht dauernd wieder rausschmeißen. Für mich gab es nicht wirklich etwas zu tun.
Vorsichtig öffnete ich die Tür zu Katys Zimmer und Levan schaute auf. Er saß auf einem Sessel neben ihrem Bett und hatte ein paar Unterlagen in der Hand, die er bei meinem Eintreten aber weglegte.
,,Jallyne'', sagte er und ich erkannte die Müdigkeit in seiner Stimme.
,,Ich wollte dir nur kurz Bescheid sagen, dass ich mich mit Kiyan und seiner Mate im Dorf treffen werde.'', teilte ich ihm mit und beobachtete, wie Levs Mundwinkel herabsackten. Ich spürte seinen Unmut über das Band zu mir überschwappen. Bevor er etwas dagegen sagen konnte, kam ich ihm zuvor. ,,Ich weiß, dass du ihn nicht leiden kannst, aber er ist immer noch mein Bruder und egal, was du sagst, nichts davon wird mich abhalten können, ihn zu sehen. Und ich bin wirklich gespannt darauf, seine Mate kennenzulernen.'' Ich sah ihm ernst in die Augen. ,,Außerdem habe ich nicht nach deiner Erlaubnis gefragt.''
Levan knurrte leise unwillig und presste die Lippen aufeinander. ,,Vor Sonnenuntergang bist du aber wieder zurück. Und Deyas oder Lane wird dich begleiten.''
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Ich brauch keinen Aufpasser.''
Lev seufzte leise. ,,Dann wird Deyas zumindest in deiner Nähe bleiben, einverstanden?''
Ich lächelte zufrieden. Mit diesem Kompromiss konnte ich leben.

Tief sog ich die reine, eiskalte Luft ein und steckte meine behandschuhten Hände in meine Jackentaschen, während ich durch den in der Sonne glitzernden Schnee stiefelte.
Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln. Ich fühlte eine seltsame Befreiung in mir drinnen. Das Problem mit den Jägern war geklärt, ich hatte Kiyan wieder und einen Seelenverwandten, den ich endlich gelernt hatte zu akzeptieren.
Mein Leben hatte eine ganz neue Wendung genommen und auch wenn ich vieles noch nicht wusste, fürchtete ich mich nicht mehr, eher im Gegenteil.
Atemwölkchen stiegen vor mir auf und ich beschleunigte meine Schritte ein wenig. Vor mir tat sich der Abhang auf und am Fuße dessen lag das Dorf.
Ich blieb einen Moment stehen und sah auf es hinunter, ließ meinen Blick über es hinweg schweifen. Ein paar der Werwölfe, oder Mondkinder wie sie sich selbst lieber nannten, die sich draußen befanden, sahen neugierig zu mir auf, wandten dann aber schnell wieder den Blick ab.
Langsam lief ich den Abhang hinab und in das Dorf. Ein wenig verunsichert registrierte ich, wie die Werwölfe um mich herum anfingen zu tuscheln und mir Platz machten oder eher ziemlich offensichtlich auswichen.
Ich zog die Augenbrauen zusammen. Stank ich irgendwie oder hatte ich irgendetwas im Gesicht oder so?
Erleichterung machte sich in mir breit, als ich am Ende der Straße eine bekannte Gestalt ausmachen konnte. Eilig steuerte ich auf ihn zu. Neben Kiyan stand eine junge, hübsche Frau mit blonden Engelslocken und warmen Rehaugen, die funkelnd auf Kiyan lagen. Das musste Malia sein.
Als Kiyan mich entdeckte, winkte er unbeholfen und fast hätte ich über diese untypische Geste von ihm gelacht. Das hätte aber auf seine Mate sicherlich keinen guten Eindruck gemacht, also verkniff ich es mir. Diese betrachtete mich mit einer Mischung aus Freundlichkeit, Unsicherheit, Misstrauen und Gereiztheit. Ich schätzte, letztere beiden waren ihrer Wölfin zuzuschreiben, die wahrscheinlich Konkurrenz in mir sah und alles andere als begeistert von einer anderen weiblichen Person in dem Leben ihres Gefährten war.
Ich lächelte bemüht freundlich und verzichtete auf eine Umarmung, stattdessen begrüßte ich Kiyan nur schlicht.
Dieser stellte mir gleich seine Mate vor. ,,Lyn, das ist Malia, meine Mate. Malia, das ist meine kleine Schwester Jallyne und die Mate deines Alphas.'' Ich war mir sicher, das er absichtlich nochmal diese ganzen Zugehörigkeitstitel ansprach, damit Malia nicht irgendetwas falsch verstand und nicht glaubte, ich hätte irgendwie vor, ihr ihren Gefährten streitig zu machen.
Dennoch wirkte das höfliche Lächeln, dass sie mir daraufhin schenkte, ein wenig gezwungen.
Ich hoffte, dass sich das mit der Zeit lockern würde.
,,Hier ist ein kleines Café. Ich dachte, wir könnten uns dort reinsetzen und etwas bestellen?'', wollte Kiyan ungewöhnlich unsicher wissen.
Wir nickten beide und fanden uns wenige Minuten später an einem Tisch im hinteren Teil wieder. Nachdem Kiyan bestellt hatte, entschuldigte er sich gleich für einen Moment und ließ uns alleine sitzen.
Fassungslos sah ich ihm hinterher und schüttelte den Kopf. ,,Immer noch der gleiche'', murmelte ich.
Von Malia kam daraufhin ein unterdrücktes Knurren und ich sah zu ihr. Ihre Lippen waren aufeinander gepresst und ich war mir sicher, dass ihre Hände unterm Tisch zu Fäusten geballt waren.
Ich lächelte entschuldigend, als mir mein Fehler bewusst wurde. ,,Sorry.'' Natürlich gefiel es ihr nicht, wenn sie hörte, dass eine andere weibliche Person, die nicht mit ihm blutsverwandt war, ihren Seelenverwandten besser kannte als sie selbst - würde mir auch nicht.
,,Ist schon gut.'' Sie erwiderte meinen Blick und ein unglücklicher Ausdruck lag plötzlich in ihren Augen. ,,Ich übertreibe, das weiß ich.'' Sie seufzte leise. ,,Es ist nur so, dass ich einfach Angst hab ihn zu verlieren. Ich meine, er ist ein Jäger und ich ein Mondkind. Und als ich ihm schon vor ein paar Tagen sagte, dass er mein Mate wäre, war er alles andere als begeistert und ist gegangen. Ich will nicht, dass er nochmal geht und mich verlässt.''
,,Aber er ist zurückgekommen.''
Sie schnaubte. ,,Ja, für dich.''
,,Nein, für dich, Malia.'', widersprach ich ihr.
,,Was?''
,,Kiyan ist wegen dir zurückgekommen.'', wiederholte ich ruhig und beobachtete wie sich Verwirrung gemischt mit Hoffnung in ihre Augen schlich.
,,Aber er hat mir doch gesagt-‚''
Ich verdrehte die Augen. ,,Kiyan ist ein Idiot. Er redet gerne viel Unsinn und nicht selten auch verletzendes. Nimm seine Worte nicht ernst. Bei ihm sagen seine Taten viel mehr als Worte aus.'' Nach kurzem Zögern fügte ich noch hinzu. ,,Und ich hab ihn noch nie zuvor so unsicher und unbeholfen erlebt.''
Langsam schlich sich ein echtes Lächeln auf ihre Lippen. ,,Ehrlich?''
Ich nickte, ebenfalls lächelnd. ,,Und keine Sorge, wir hegen für einander wirklich nur geschwisterliche Gefühle, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, sind wir dennoch Bruder und Schwester.'' Alleine schon die Vorstellung von etwas anderem war unmöglich.
Malia nickte. Nach kurzem Zögern hielt sie mir die Hand hin. ,,Freut mich, ich bin Malia Elydes, die Mate deines Bruders. Es ist mir eine Ehre, Luna.''
Ich ergriff ihre Hand. ,,Ebenso, ich bin Jallyne Hill und würde gerne auch bei meinem Namen genannt werden.''
,,In Ordnung, Jallyne.'' Malia lächelte. Ihr Lächeln wurde noch breiter und dieses ganz besondere Funkeln kehrte in ihre Augen zurück, als ihr Blick sich auf etwas hinter mir richtete. Wenige Sekunden später rutschte Kiyan auf die Bank neben sie und mir gegenüber. Ich zwinkerte ihm zu, als sein Blick sich fragend auf mich richtete. Schmunzelnd registrierte ich, wie seine Hand ebenfalls unterm Tisch verschwand und kurz darauf Malias Augen noch heller strahlten. Ich musste nicht unter den Tisch sehen, um zu wissen, dass er gerade ihre Hände miteinander verschränkt hatte. Die beiden waren unerwartet echt süß.

***

Erst am Abend einen Tag später wachte Katy auf.
Es ging ihr soweit gut und der Rudelarzt war guter Dinge, dennoch würde eine Narbe zurückbleiben.
Elaya hatte ihr jedoch sofort mehrmals versichert, dass diese niemanden stören würde und sicherlich ganz hübsch an ihr aussehen würde. Jap, das waren seine Worte gewesen.
Levan war dafür kurz davor gewesen, auf ihn loszugehen. Ich hatte ihn jedoch erfolgreich davon abhalten können.
Jetzt lagen wir in unserem Zimmer auf dem Bett und genossen die Nähe des jeweils anderen.
Seine Finger spielten mit meinen Haaren und ich schloss entspannt die Augen.
,,Jallyne?'', kam es plötzlich leise flüsternd von ihm.
,,Hm?'', murmelte ich.
,,Ich würde gerne den Seelenbund mit dir eingehen.''
Ich öffnete die Augen. Schweigend drehte ich meinen Kopf zu ihm und schaute zu ihm auf. ,,Denkst du nicht, dass es dafür jetzt noch etwas zu früh ist?''
Seine Augen schimmerten mir in dem dämmrigen Licht entgegen. ,,Ich war seit dem ersten Moment, in dem ich dich sah, dafür bereit."
Meine Mundwinkel hoben sich. ,,Warum war mir das nicht vorher schon klar?", sagte ich leicht ironisch.
,,Ich werde warten, bis du bereit dafür bist.'' Er seufzte. ,,Ich wünschte nur, es wäre schon soweit.''
Nachdenklich legte ich mich wieder zurück. Ich wusste, dass ich mein ganzes Leben mit Lev verbringen wollte. Ich liebte ihn. An sich sprach also eigentlich nichts dagegen. Aber der Seelenbund hörte sich so beängstigend an. Es gab einfach keine Privatsphäre mehr, nichtmal mehr in den eigenen Gedanken. Das war es, was mich davon abhielt, diesen weiteren Schritt zu gehen. Ich meine, war der Gefährtenbund nicht eigentlich schon ausreichend genug? Wir hatten ein Band zwischen unseren Seelen, mussten sie denn unbedingt miteinander verschmelzen?
Andererseits würde mich schon interessieren, was in Levans Kopf manchmal so vor sich ging.
Es war eine so schwerwiegende Entscheidung ohne zurück, die man nicht einfach so treffen sollte.

^^Vorletztes Kapitel. Wir neigen uns dem Ende zu.^^

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