15. Kapitel

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Erstarrt blieb ich stehen. Meine Augen weiteten sich schreckenserfüllt bei dem horrorhaften Anblick, der sich mir bot.
Ein monströses Tier, ein riesiger Wolf war mir in den Weg gesprungen. In lauernder Angriffshaltung mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Lefzen, die seine langen, spitzen Fangzähne entblößten, fixierte er mich aus glühend roten Augen.
Ich stand einfach nur wie eingefroren da, während sich in meinem Inneren Panik, Todesangst und Hysterie verbanden und Adrenalin durch meine Adern pumpten. Dieses sorgte auch dafür, dass ich ohne Nachzudenken einfach herumwirbelte und losrannte. Ich rannte so schnell wie noch nie zuvor in meinem Leben, in dem Wissen, dass der Wolf mir nachsetzte.
Ich wusste, dass man nie vor Raubtieren davon rennen sollte, da das deren Jagdinstinkt nur noch mehr weckte, aber in diesem Moment war ich nicht in der Lage logisch zu denken.
Ich wusste auch, dass mein Versuch zu entkommen kläglich scheitern würde, da der Wolf viel schneller als ich war und mein Vorsprung lange nicht ausreichte, aber mein Verstand hatte sich ausgeschaltet und ich agierte nur noch nach reinem Überlebensinstinkt. Und der war bei den Menschen eben die Flucht. Egal wie aussichtslos.
Also rannte ich. Immer wieder schaute ich panisch über meine Schulter zurück, um zu sehen wie nah der Wolf schon war. In meiner Hektik übersah ich einen Ast auf dem Weg und stolperte. Genau in dem Moment hatte der Wolf zum Sprung angesetzt und verfehlte mich so knapp mit seinem aufgerissenem Maul. Ich schrie auf, als sein gewaltiger Kiefer über meinem Kopf zu schnappte.
Der Wolf fing sich jedoch schnell wieder und ragte nun über mir auf. Ich versuchte auf meinen Unterarmen unter ihm wegzurutschen, doch war durch den Blick seiner Augen vor Angst wie gelähmt. In dem leuchtendem Rot spiegelte sich nichts als reiner Blutdurst und Mordlust wieder. Das vor mir war kein Wolf mehr, sondern ein Monster.
Nichtmal über die ungewöhnliche Augenfarbe oder die ungeheuerliche Größe dieses Tiers konnte ich mich wundern, zu sehr war ich von meiner Panik eingenommen.
Ich bekam kaum Luft.
Sein sabberndes Maul schoss direkt auf meine Kehle zu. Ich presste die Augen zusammen. Doch der erwartete Biss erreichte mich nie. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich auch warum.
Ein weiterer Wolf, sogar noch größerer als der Erste, mit pechschwarzem Fell hatte das Monster von mir runtergerissen und rollte mit ihm nun knurrend und in einander verbissen über den Waldboden.
Ich fragte mich in dem Moment nicht, warum dieser schwarze Wolf mich offensichtlich gerettet hatte, viel zu sehr war ich damit beschäftigt, mich so schnell wie möglich wieder aufzurappeln. Vor lauter Adrenalin zitternd kam ich schließlich wieder auf die Beine und entfernte mich rückwärts taumelnd, bevor ich mich einfach wieder umdrehte und, immer wieder vor lauter Hast und Todesangst stolpernd, weiter weg rannte.
Ich wagte es, noch ein letztes Mal zurückzusehen, um zu schauen, ob ich wieder weiter gejagt wurde, doch die beiden Monsterwölfe waren viel zu sehr in ihrem Kampf verstrickt, um auf mich zu achten. Nur für einen winzigen Moment schaute mir der Schwarze direkt in die Augen und ich erkannte ein glühendes Hellblau.
Dann wandte er sich wieder zähnefletschend dem unterlegen wirkendem Dunkelgrauen zu und stürzte sich erneut auf ihn. Ich wusste, dass er ihn zerfetzte, ohne hinsehen zu müssen.
Keuchend und mit rasendem Herzschlag erreichte ich schließlich endlich den Waldrand, hielt aber erst an, als ich die ersten Häuser der Siedlung hinter mir gelassen hatte. Mir die Seite haltend lehnte ich mich gegen eine Hausmauer und schnappte nach Luft. Langsam klang das Adrenalin wieder ab und erst jetzt spürte ich den brennenden Schmerz in meiner Schulter. Meine Hand wanderte vorsichtig an die schmerzende Stelle und als ich sie wieder weg zog, klebte Blut an meinen Fingern. Die Wunde mussten mir wohl die Krallen des Monsters zugefügt haben. In meinem Panikrausch und durch den Einfluss des Adrenalins hatte ich den Schmerz bisher gar nicht wahrgenommen.
Und damit sickerte erst jetzt langsam die Erkenntnis zu mir durch und wurde richtig von meinem Verstand verarbeitet, was mir da gerade passiert war und wie verdammt übel das wirklich hätte ausgehen können.
Ich wäre beinahe von einem Monsterwolf zerfleischt worden.
So hatte ich mir mein Ableben definitiv nicht vorgestellt.
Ich ließ meinen Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken fallen und versuchte dabei das Stechen in meinem rechten Schulterbereich zu ignorieren.
Scheiße. Verdammte scheiße.
Ein Lachen entfloh mir. Es war so absurd. Ich hatte ein leibhaftiges Bilderbuchmonster gesehen und hatte überlebt. Bei dem Gedanken an diese unnatürlichen, grausamen Augen und die sabbernden Lefzen rann mir ein unangenehmer Schauer den Rücken hinab.
Wieder entfuhr mir ein hysterisches Lachen. Ich war verdammt nochmal von diesem Monster angegriffen worden und war nahezu unverletzt davongekommen.
Wenn auch nicht wirklich aus eigenem Verdienst. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Ich verdankte diesem schwarzen Wolf mein Leben. Seltsamerweise hatte ich keinerlei Angst vor diesem gehabt, obwohl er meinen Angreifer sogar noch an Größe und Monströsität übertroffen hatte.
Und diese hellblauen Augen....Ich schüttelte den Kopf.
Immerhin konnte ich mir jetzt denken, was Dayna mit dem Waldverbot gemeint hat. Jetzt, wo ich wusste, welche Kreaturen da herumliefen, würde ich ihn auch definitiv nicht noch einmal betreten. Hätte ich nur früher schon auf sie gehört, aber mit Lev war ja auch nichts passiert und er schien sich öfter in ihm herumzutreiben, also hatte ich es nicht als sonderlich gefährlich eingestuft. Was für ein Irrtum.
Was, wenn Lev genauso unwissend über die Monster war, die zwischen den Bäumen lauerten, wie ich es bis gerade noch war? Ich musste ihn unbedingt warnen, egal, ob er mir glauben würde oder nicht.
Auch wenn ich sein Verhalten verdammt schräg fand - um es nett auszudrücken -, wollte ich nicht, dass ihm etwas zustieß.

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