𝗢𝗢𝟭%! 𝗔𝗣𝗣𝗥𝗘𝗖𝗜𝗔𝗧𝗜𝗢𝗡

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Als Taeyong eine etwas ungewöhnlichere Methode vorschlug, um mit Johnny über seine Probleme zusprechen, hatte Letzterer sich mehr als bereit erklärt dies genau nach Taeyongs Regeln auszuprobieren.

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TRIGGERWARNUNG: Depressionen, erwähnung von Selbstverletzung und Essstörungen
WÖRTER: 1'164
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Taeyong zog sein Oberteil bis zu seiner Brust hoch und blickte im Spiegel auf seinen Bauch. »Ich bin fett«, murmelte er und zuckte zusammen, als er die grossen warmen Hände seines festen Freundes auf seiner Haut spürte. Die Finger fuhren sanft über die gesamte Fläche seines Oberkörpers und Taeyong liess ihn machen, versuchte seinen Körper zusehen wie Johnny ihn sah, aber egal wie sehr er versuchte sich anzustrengen, ganz so leicht war es leider nicht. Ein weiteres mal zuckte der Mann zusammen, da er trotz des Spiegels nicht bemerkt hatte wie Johnny sich plötzlich vor ihm bückte und sanfte Küsse auf seinem Bauch hinterliess.

» › Fett ‹ ist ein sehr vulgäres Wort um deinen — oder besser gesagt generell Körper zu beschreiben Yongie. Trotzdem bist du es nicht und dick genauso wenig«, ein weiterer Kuss folgte, »und auch wenn du es wärst, solange du gesund bist ist alles in Ordnung. Ich liebe dich wirklich, egal ob 70, 80, 90 oder wie viele Kilos auch immer.«

Taeyong wusste, dass der Amerikaner die Wahrheit sagte — diese honigbraunen Augen, in denen sich Treue und Liebe widerspiegelten könnten ihn niemals anlügen — denn er hatte das Ganze auch schon fünf Jahre mitgemacht. Der Jüngere verstand ehrlich nicht wieso. In diesen fünf Jahren hatte Johnny ihn in seinen schlimmsten Zuständen erlebt. Fast voll geritzte Arme, mehrere Versuche Johnny so zu manipulieren, dass er die Beziehung beendete, fatale Stimmungsschwankungen und der Anblick wie Taeyong sich auf 65 Kilo runter hungerte und er so gut wie gar nichts dagegen unternehmen konnte.

Mittlerweile ging es ihm besser, aber besser hiess nicht gut. Er wog wieder etwas mehr, die Narben an seinen Armen waren nicht mehr einige Stunden alt und er erkannte wenigstens ein kleines bisschen, dass er den Grösseren trotz allem an seiner Seite verdiente.

Es machte nicht den Anschein, als wolle Johnny mit den Küssen aufhören und obwohl der Jüngere das angenehme Kribbeln auf den Hautstellen, die mit Johnnys Lippen in Kontakt traten liebte, drückte er seinen Kopf vorsichtig weg. Damit liess Taeyong seinen türkis blauen Pullover auch wieder los, da er keinen Grund sah weiterhin auf seinen mageren (aber für seine Augen übergewichtigen) Oberkörper zu starren.

Als nächste Negativität folgten seine Arme.

Er krempelte beide Ärmel bis zu seinen Ellenbogen hoch und schloss ruckartig seine Augen. Auf keinen Fall wollte er sie sehen, er wusste wie scheusslich die Narben auf seinen blasen Armen aussahen.

Das Atem fiel ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer und er hatte wirklich das Gefühl gleich zu ersticken — tat er jedoch nicht, aufgrund von Johnnys Stimme die regelmässig in sein Ohr flüsterte. »Einatmen. Ausatmen.« Darüber war er so unendlich froh. Egal was passieren möge, solange Johnny in seiner Nähe war, könnte er sich ohne jegliche Rücksicht fallen lassen und was würde Johnny tun? Er würde Taeyong mit dem sichersten Griff auffangen, unabhängig davon in welcher Situation das Paar sich gerade Befand.

Beide Männer vermuteten, dass dies der Anfang einer Panikattacke war, was nicht seltsam wäre, schliesslich verbindete Taeyong nichts gutes mit diesen langen tiefen Schnitten. Johnny drückte den Jüngeren gegen seine Brust und flüsterte besorgt: »Bist du dir sicher, dass du weitermachen willst, Bubu? Niemand zwingt dich dazu.«

»Ich weiss, ich weiss. Aber das war mein Vorschlag und ich will das durchziehen okay?«, antwortete Taeyong mit einem dezentem Lächeln auf den Lippen. Er öffnete auch endlich seine Augen, um glaubwürdiger zu wirken, worauf der Grössere den Druck um Taeyongs Körper schwächte und seine Seiten entlang fuhr bevor er bei der schmalen Taille anhielt. Nun nickte Johnny für den Koreaner, als Bestätigung um fortzufahren. Der Kleinere atmete ein letztes Mal tief durch und lehnte sich sachte an den Mann hinter sich.

Sein Blick schweifte unsicher von dem Spiegel — indem er die Person, die ihm am meisten bedeutete lächeln und natürlich sich selbst mit einem neutralen Blick, sah — zu seinen Unterarmen. »I— ich bin so verzweifelt und«, Taeyong schloss wieder seine Augen und begann seine Fingernägel in seine Oberschenkel zu bohren, »r— ritze mich, um durch den Schmerz und das Bl— Blut zu sehen, ob— ich und allgemein alles überhaupt wirklich existiert und nicht— nur ein sehr sehr böser Albtraum ist.« Warme Tränen liefen ihm übers Gesicht und seine Knie gaben nach, doch bevor er auf diese fallen konnte, hielt Johnny ihn an seiner Hüfte aufrecht fest.

Ein weiteres Mal bekam der Koreaner alle Zeit der Welt, um sich zu beruhigen.

Als Johnny sich sicher war, dass sein Freund wieder bei ihm war, sprach er: »Deine Gefühle sind berechtigt und ja es gibt andere Möglichkeiten und Lösungen, aber was geschehen ist, ist geschehen und mann kann es nicht mehr rückgängig machen. Doch weisst du was? Alles was zählt ist, dass du es nicht mehr brauchst. Das letzte mal, seitdem du zur Klinge gegriffen hast ist sechs Monate her. Ein Tag war damals auch schon ein riesen Fortschritt und jetzt bist du bei sechs Monaten! Du wirst stück für stück noch ein Jahr daraus machen und bald wirst du es komplett los sein. Ich bin so stolz auf dich, ehrlich du hast so viel geschafft.«

Alle diese hilfreichen Worte flossen so leicht aus Johnnys Mund, es faszinierte den Jüngeren, es faszinierte ihn wie gut der Andere ihn kannte — oft genug besser als er selbst.

»Ich fische hier nur nach Komplimenten nicht wahr?«, fragte Taeyong nachdem er seine Stirn nicht allzu fest mit seiner Hand schlug. Der Amerikaner entfernte die Hand des Anderen von dessen Stirn, um sie mit seiner zu verschränken. »Tust du nicht. Der Sinn von dem Ganzen hier ist doch, dass du mir erzählst was genau dich an dir selbst so sehr runtermacht.« Seine andere Hand fand ihren Weg erneut zu Taeyongs Hüfte, woraufhin er Genannten noch näher zu sich zog und sein Ohrläppchen küsste.

Wie oft der Grössere ihn küsste fiel Taeyong erst jetzt wirklich auf, schliesslich kannte er es nicht anders, er war sich gewohnt von Johnny so intensiv geliebt und geschätzt zu werden. Niemand hat ihn jemals so liebevoll behandelt wie er. Dadurch kamen seine Gedanken langsam wieder hervor;

Wieso tat Johnny sich das alles mit ihm an, es gibt so viele bessere Menschen als er, wieso wollte Johnny ihn so sehr? Was findet dieser wundervolle Mann an dein erbärmliches selbst, Lee Taeyong?

Doch so schnell wie die Gedanken gekommen waren, wurden sie wieder unterbrochen: »Ausserdem bist du schon so weit gekommen. Besonders was die Selbstverletzung angeht, du hast es durchgezogen obwohl du so sensibel darauf reagierst. Kommen wir zu den Sachen die dich an dir nicht stören okay? Die übrigen Sachen die dich stören können wir ein anderes Mal behandeln.« Die Hand, die sich eben noch auf der Hüfte des Koreaners befand, strich ihm nun behutsam durch die mittel langen blonden Haare. Nickend liess er sein Blick durch sein Schlafzimmer wandern. Er bemerkte die verschiedenen Kritzeleien an den Wänden, worauf ihm sein erster Satz einfiel: »Ich kann gut zeichnen.«

Mit diesem Satz begann er die Aufzählung von den doch nicht so wenigen Dingen, die er in seinem Leben auf die Reihe bekam.

ROLLER COASTER.Where stories live. Discover now