Vorsingen

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Wir stehen vor der Adresse, welche uns dieser Alex gegeben hat.
„Sieht nett aus", bemerke ich.
„Gut bürgerlich."
„Nichts für meinen heißen Rocker?"
„Wir werden sehen."
Wir steigen aus und Colin holt seinen Gitarrenkoffer aus dem Kofferraum.
„Er wohnt übrigens noch bei seinen Eltern", erklärt mir Colin als er auf die Klingel drückt.
„Nett."

Uns öffnet eine adrette mit 50erin die Tür. Ihr blondes Haar hat sie auftupiert
und ihr buntes Blumenkleid liegt ihr etwas zu eng an. Ich habe das Bedürfnis ihr die Brüste wieder ins Kleid zurück zu schieben.
„Gregory, dein Besuch ist da!", ruft sie ins Haus ohne uns wirklich zu begrüßen.
Sie mustert Colin unverblümt und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an, bevor sie wortlos ins Haus zurück geht.
Ich mag sie nicht!
„Komme!" hören wir eine Stimme aus dem Haus.
„Gehen wir jetzt rein?", frage ich verwirrt.
Colin zuckt nur mit der Schulter, greift nach meiner Hand und steht genauso unschlüssig in der Kälte wie ich.
„Hi ich bin Greg", kommt uns ein Kerl, Ich schätze ihn auf Mitte 20, entgegen.
Er trägt zerrissene Jeans, ein dunkles Shirt mit einem Totenkopf seine braunen lockigen Haare stehen ihm kraus zu Berge.
„Tach! Colin, Sophie!", stellt uns mein Mann, mit seinem unverkennbaren Charme vor.
„Kommt rein, wir sind im Keller!", sagt Greg.
„Schuhe aus!" ertönt eine Schrille Stimme.
„Muuuuum! Wir sind im Keller!", ruft Greg genervt zurück.
„Vergesst es, kommt einfach mit", flüstert Greg uns zu.
Wir folgen ihm in den Keller, hier wurde ein ganz netter Proberaum eingerichtet.

Der Teppich erinnert irgendwie an ein gemütliches Wohnzimmer zuhause bei den Großeltern

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Der Teppich erinnert irgendwie an ein gemütliches Wohnzimmer zuhause bei den Großeltern.

„Das, ist Alex, ihr kennt euch ja schon, und das Mädel hinterm Keyboard ist meine Schwester, Tiffy.", stellt er uns alle vor.
Ist die kleine überhaupt schon volljährig, schießt es mir durch den Kopf.
Sie hat ihre braunen Haare zu zwei Zöpfen geflochten, und sitzt grinsend hinter ihrem Instrument.
Sie läuft knallrot an, als Colin ihr zuzwinkert.
Ich kiekse ihn in die Seite, was er mit seinem unwiderstehlichen Lächeln beantwortet.
Na, da ist mein Mann ja ganz in seinem Element.
„Woher wissen wir, dass du singen kannst?", fragt Tiffy frech.
„Wir könnten etwas spielen, dann kannst du dich davon überzeugen", sagt Colin, mit einem zuckersüßen Tonfall, als unterhalte er sich mit einem kleinen Kind.
Tiffy funkelt ihn wütend an, was Colin zum Lachen bringt.
„Du sagtest deine Frau singt auch", mischt sich Alex ein, „wie wäre es mit einem Duett?"
„So war's geplant!", sagt Colin.
„Nein", sagt Tiffy, „Ich möchte, dass sie einzeln singen."
Ich sehe wie Alex genervt die Augen verdreht.
„Wir fangen ja gerade erst an", sagt Greg beschwichtigend.
Das ist mir zu doof.
„Darf ich?", frage ich und deute aufs Keyboard.
Ich schlage die ersten Paar Töne an.
„Kennt ihr?", möchte ich wissen.
Colin grinst mich an.
„Wer nicht?", fragt er rhetorisch.
Er packt seine Gitarre aus und schließt diese an den Verstärker an.
Alex nimmt sich seinen Bass und Greg hüpft hinter sein Schlagzeug. Tiffy steht etwas verloren in der Mitte des Raumes.
Colin singt die erste Zeile: „Turn around..."
Bevor ich einsetze: „Every now and then i get a little bit lonely..."

Am Ende lässt Colin seine Gitarre aufheulen und beginnt einen weiteren Song zu spielen.

Ich ziehe mich vom Keyboard zurück, lehne mich an die Wand und beobachte wie er ganz in seinem Element aufgeht.
Ich spüre dieses Ziehen im Unterleib, als er mich mit seinen eisblauen Augen fixiert. Ich möchte ihn einfach nur bespringen.

Am Ende legt er seine Gitarre zurück in den Koffer.
„So jetzt ihr!", sagt Colin.
Er kommt zu mir und zieht mich in seine Arme.
Ich lege meinen Kopf an seine Schulter und atme seinen Duft tief ein.
„Tiffy, ist ok, wenn du gerade mal aussetzt", sagt Greg zu seiner Schwester.
Diese funkelt ihn wütend an und rennt keifend und zeternd aus dem Raum.
„Wir sollten uns beeilen bevor sie mit eurem Dad zurückkommt", sagt Alex.
Greg nickt, gibt den Rhythmus vor und die beiden spielen einige Takte, bis die Tür auffliegt.
Ich erschrecke so heftig, dass mir ein spitzer Schrei entfährt. Colin drückt mich fest an sich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Alles gut, ich bin da."
„Gregory Williams! Solange du in meinem Keller spielst, wirst du deine Schwester nicht rauswerfen."
Tiffy steht hinter ihrem Dad und funkelt ihren Bruder triumphierend an.
„Haben wir nicht, sie sollte nur ein paar Minuten warten."
Mr. Williams sieht seinen Sohn ernst an, bevor er sich an uns wendet.
„Und wer sind sie?"
„Das sind Colin und seine Frau Sophie, sie unterstützen uns. Es fehlte doch noch eine Gitarre", sagt er, „und Gesang", flüstert er hinterher.
„Tiffy singt!"
„Na ja, sie versucht es zumindest", sagt Alex.
„Es ist schon besser geworden", erklärt Greg, „sie trifft die Töne zumindest beinahe."
Colin nimmt sich wortlos seine Gitarre, greift nach meiner Hand und wendet sich Richtung Ausgang.
„Wartet, Moment, wo wollt ihr hin?", ruft Alex und nach.
„Ich denke ihr braucht uns hier nicht."
„Ja ganz genau! Verschwindet!", sagt Tiffy.
Colin schüttelt amüsiert den Kopf.
„Wartet, ich komme mit!", sagt Alex.
Ich nicke Mr. Williams zu und wir verlassen zusammen den Keller. Wir hören noch wie sich Vater ins Sohn streiten, bevor die Tür ins Schloss fällt.
Wir verlassen zügig das Haus.

Colin legt seine Gitarre auf den Rücksitz, wir wollen gerade einsteigen, als Alex nochmal zu uns kommt.
„Es tut mir leid, es ist nicht so einfach, aber wir haben sonst keine Möglichkeit zu Proben, daher ist Tiffy eben dabei."
„Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was da gerade passiert ist, wie kennen euch und eure Tiffy nicht", sage ich, „ihr wolltet Colin hören, ihr habt ihn gehört und jetzt gehen wir wieder."
„Ihr seid richtig gut, ihr könntet uns helfen..."
„Ihr müsst noch üben", sagt Colin, „Greg und du, ihr habt potential, aber euch fehlt Übung."
„Ja ich weiß, die meisten Proben enden so, wie ihr es gerade erlebt habt. Es ist nicht einfach, wenn man ständig falsche Töne um die Ohren gehauen bekommt, dann auch noch einen schiefen Rhythmus, da macht es keinen Spaß."
„Kann ich nachvollziehen", sagt Colin, „aber ich wüsste nicht wie wir euch helfen könnten."
„Du hast das schon öfters gemacht, du warst schon auf der Bühne, du hast Erfahrung."
„Richtig, aber ich möchte mir eure Probleme nicht ans Bein binden, wir haben genug eigene. Vielleicht sieht man sich mal wieder. Viel Glück", sagt Colin und steigt ein.
Schnell folge ich seinem Beispiel und setze mich auf den Beifahrer Sitz.

„War ich zu heftig?", fragt er mich.
„Nein, diesen Kindergarten müssen wir uns nicht antun."
„Wenn ich ehrlich bin hätte ich schon wieder Lust Musik zu machen."
„Spricht nichts dagegen!"
„Es ist ein unterschied, wenn ich im Wohnzimmer ein wenig die Saiten zupfe, oder mal richtig spielen kann."
„Dann Bau doch unseren Keller um!"
„Ernsthaft, Kätzchen?"
„Ja, ich habe dich schon lange nicht mehr so gelöst gesehen, wie eben. Du brauchst die Musik."
„Zuhause zeige ich dir, wie glücklich du mich gerade machst!", verspricht mir Colin.

Flug ins GlückWhere stories live. Discover now