Kapitel 2

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"Man sind diese Dinger gut", sagte Cassian, während er an seiner Zigarre zog.

Cai, Rachel, Shakira, Alec und ich, hatten uns in die hinterste Ecke der Schule verkrochen, wo uns niemand finden konnte. Ich nahm einen Zug von meiner Zigarette und spürte wie der Rauch meine Lungen füllte. Langsam ließ ich ihn aus Mund und Nase entweichen.

Früher wäre es mir nie in den Sinn gekommen anzufangen zu Rauchen.

Ich war immer diejenige gewesen, die dagegen war. Aber das gehörte der Vergangenheit an. Ich sah zu Alec und Kira, die miteinander rum knutschten. Sie waren kein Paar, aber wenn sie die Gelegenheit hatten, machten sie miteinander rum. Ich war vor fünf Monaten in die Clique dazu gekommen, da ich niemanden mehr hatte.

Meine angeblich beste Freundin hatte mich im Stich gelassen, als ich sie am meisten brauchte. Wir fünf hingen öfters miteinander rum oder gingen auf Partys. Es war ganz amüsant. Vor allem, da ich niemandem etwas über mich erzählen musste. Jeder hatte hier seine Geheimnisse und niemand fragte nach.

"Kommst du eigentlich zu Ryans Party am Freitag?", fragte mich Rachel und ich sah zu ihr.

"Klar doch. Ich lass mir sowas nicht entgehen", erwiderte ich und nahm noch einen Zug, bevor ich den Stummel der Zigarette auf den Boden fallen ließ und dort zertrat.

Ryans Partys waren die angesagtesten. Jeden Monat fand eine bei ihm statt und nie ließen wir uns dieses Highlight entgehen. Apropos Party, früher konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen auf Partys zugehen und sich dort voll zudröhnen. Ich war früher eher ein ganz normales Mädchen gewesen. Keine Streberin, aber auch nicht eine von den Coolen. Meine ehemalige beste Freundin und ich, waren immer zu zweit unterwegs gewesen, aber damit war Schluss.

Ich hatte keine richtigen Freunde mehr. Ich hang zwar mit Cai, Alec, Chel und Kira ab, aber wir waren keine Freunde. Wahrscheinlich würden meine Mom und mein Bruder wieder ausflippen, wenn sie erfuhren, dass ich diesen Freitag auf eine Party ging. Und das auch noch auf eine die Ryan schmiss.

Er war zwei Jahre älter als wir und ging in die zwölfte Klasse. Genauso wie mein Bruder und seine Kumpels. Sie waren alle in einem Jahrgang. Und so wie ich Mason kannte, würde er bestimmt selber dort aufkreuzen um auf mich aufzupassen oder er bat einen seiner Kumpels darum. Mason und ich hatten ein enges Geschwisterverhältnis gehabt. Doch seit ich mich geändert hatte, stieß ich ihn von mir. Aber nicht nur ihn, sondern jeden der mir zu nahe kam.

Auch Mom.

Auch wenn ich an manchen Tagen meinen Bruder und meine Mom so sehr vermisste und mir wünschte, dass wir wieder was zusammen unternahmen, ging es nicht. Ich konnte meine Maske nicht fallen lassen. Die zwei waren mir sehr wichtig, aber je mehr Abstand wir zueinander hatten, umso weniger würde ich sie enttäuschen können.

Zumindest hoffte ich das. Aber etwas tief in mir wusste, dass es nicht so war.

"Cool. Sollen wir dich abholen damit wir zusammen fahren können?", fragte mich Chel und deutete dabei auf sich und Cai, der finstern den Rest seiner Zigarre betrachtete, als würde sie dadurch wieder ganz werden.

"Jo, um elf würde passen", meinte ich und nahm mir meine Tasche vom Boden, um sie mir über die Schulter zu werfen. Es klingelte zur sechsten Stunde.

"Man sieht sich", verabschiedete ich mich von den vier.

Zwei von denen schienen es jedoch nicht zu bemerken, da sie sich förmlich verschlangen.

Igitt.

Als Chel winkte und Cai mir zum Abschied zunickte, drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zum Bio Unterricht. Mein Lieblingsfach. Nicht. Wahrscheinlich würde unsere verdammte Bio Lehrerin wieder abfragen und ich hatte mich nicht darauf vorbereitet, da ich gestern mit Cai und Kira einen Zug mit Graffiti voll gesprüht hatte. Die blaue Sprühfarbe klebte immer noch an meiner Handinnenfläche und ließ sich nicht abwaschen. Instinktiv rubbelte ich meine Handfläche an meiner schwarzen Jeans, aber die Farbe ging immer noch nicht ab.

Ich seufzte genervt und betrat das Klassenzimmer, das schon komplett voll war. Ich setzte mich an meinen Lieblingsplatz neben dem Skelett, den ich Gustav getauft hatte.

Er war in den letzten Wochen so was wie ein Freund für mich geworden. Und damit auch mein einziger.
Ich wollte schon anfangen in meinem Block rum zu kritzeln, als ich zusammen fuhr. Neben mir ließ sich jemand auf den freien Platz fallen und als ich mich an diese Person wandte, sahen mich zwei rentierbraune Augen hoffnungsvoll an.

"Ich hoffe es ist okay für dich, wenn ich mich hierhin setzte", sagte das Mädchen.

Ich zuckte mit meinen Schultern als Antwort und drehte meinen Kopf nach vorne, wo unsere Bio Lehrerin ihre Unterlagen rausholte. Ich schätzte, dass das Mädchen in meinem Jahr war. Naja, musste sie ja, wenn sie in diesem Kurs war. Oder sie hatte wiederholt. Was ich nicht glaubte, denn sie sah nicht so aus als wäre sie auf den Kopf gefallen.

"Ich bin Crystal", versuchte sie mit mir zu reden, doch ich ignorierte sie einfach.

Ich durfte mich niemandem anvertrauen. Das Vertrauen wurde ausgenutzt und in Stücke zerrissen. Das wusste ich am besten.

"Ich bin neu hier", versuchte sie es wieder und diesmal sah ich zu ihr.

Deswegen hatte ich sie nicht erkannt. Sie hatte braune Haare, die sie offen trug und die ihr glatt bis über die Schultern fielen. Sie hatte ihre Wimpern getuscht, die ihre rentierbraunen Augen umrahmten. Sie trug blaue Jeans und ein verwaschenes weißes T-Shirt, auf dem irgendeine Band aufgedruckt war, dessen Mitglieder man nicht genau erkennen konnte.

"Lively", sagte ich.  

"Woher kommst du?"

Crystal schien überrascht, dass ich doch reden konnte.

"Ich komme aus Houston", antwortete sie und stützte ihren Kopf auf einer Faust ab.

"Na dann. Herzlich willkommen in San Antonio". 

Ich versuchte zu lächeln, was mir nicht gerade gut gelang. Ich lächelte nicht mehr. Zumindest nicht oft. Nur in der Gegenwart von Mason, meiner Mom oder auf Partys wo ich betrunken war.

"Danke. Ich hab das Gefühl, dass die Leute hier nicht gerade offen sind. Zumindest reden sie nicht mit Neuen", sagte Crystal.

"Ja", ich zog das Wort in die Länge. 

"Es werden hier öfters Leute wie Scheiße behandelt, weswegen man versucht sich nicht jedem anzuvertrauen", meinte ich und Crystal zog ihre Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich hatte ich sie gerade mit meiner Antwort verstört.

"Und du warst das Opfer dieser Leute?", fragte sie zögernd. Ich schnaubte und drehte mich wieder nach vorne.

"Yep. Und glaub mir wenn ich dir sage, dass du dieses Gefühl und diese Situation nicht erleben willst."

Unsere Lehrerin begann den Unterricht und Crystal drehte sich ebenfalls in die Richtung von Mrs. Harris. Diese lies ihren Blick suchend über die Klasse schweifen und hielt inne, als er bei mir ankam. Oh nein.

"Lively? Komm nach vorne an die Tafel."

Fuck. War ja klar, dass wenn ich nicht lerne, sie ausgerechnet mich dran nimmt.

Ich stand widerwillig auf und ging nach vorne, wo Mrs. Harris mir die Kreide entgegenhielt.

"Aufbau eines Magens", meinte diese streng und deutete mit ihrem Kopf auf die Tafel.

Wie ich diese Frau verabscheute.

Sense of Life- Was ist der Sinn des Lebens? [LAUFEND]Where stories live. Discover now