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- 31. AUGUST 1990 -

[Jungkook]

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Es war auch einfach zu schön um wahr zu sein. Wir schliefen den ganzen Tag durch, weil wir so müde und erschöpft waren und wahrscheinlich hätten wir auch bis in den nächsten Tag hinein geschlafen, jedoch wurden wir unsanft durch einen lauten Knall, welcher das Haus zum Beben brachte, wie es auch schon bei dem Appartement des Mannes gewesen war, aus dem Schlaf gerissen und beinahe schon aus dem Bett geworden, so stark wie das Gebäude wackelte. Dieses Mal aber blieb es nicht nur bei diesem einen Ohrenbetäubendem Knall, es folgten nämlich immer wieder welche, ich hörte dann auch Propeller und wusste, es waren Bomber, die über die Stadt flogen und uns angriffen.

„Schnell, wir müssen hier raus, bevor das Gebäude einstürzt!", sagte der Mann und wir sprangen aus dem Bett, sammelten uns und unseren Sachen zusammen, eher wir wieder, Hand in Hand, das Treppenhaus hinunterliefen, weil der Fahrstuhl bereits nicht mehr funktionierte, aber ohnehin zu unsicher war. Wir wussten nicht, wie viel wir wohl verpasst hatten oder wie lang die Stadt schon angegriffen worden war, aber es stand fest, dass wir einen Teil davon wohl verpasst hatten, da nur noch vereinzelt Leute hier in dem Gebäude waren, unten war niemand außer uns.

„Was machen wir jetzt? Wenn wir rausgehen, dann wird man uns töten!", meinte ich und krallte mich aus Angst in den Stoff des Oberteils, das er trug. Ich versteckte mich leicht hinter ihm, traute mich gar nicht nach vorne zu schauen, denn ich wollte nicht wissen, wie es draußen aussah. Zwar war es noch am Tag, meine Uhr zeigte sechs am Abend, also sollte die Sonne auch noch am Himmel sein, aber es war wieder so dunkel, wie schon an dem Tag, an dem ich mit Jimin, meinem besten Freund, an dessen Tod ich schuld war, weil ich nicht auf ihn hörte, im Café war. „Ich habe so große Angst!"

„Egal wo wir sind, wir werden in Gefahr sein, aber draußen haben wir eine größere Chance als hier drin, falls uns das Gebäude über dem Kopf zusammenbricht", meinte er. Ich schaute einmal nach hinten und sah, dass wie vor drei Tagen auch die Decke anfing zu bröckeln, die Fenster hielten die Bewegungen nicht wirklich aus und zerbrachen nach innen, dann ein lauter Schrei von jemandem, der sich unter einem der Fenster versteckt hatte und nun in Kontakt mit all den Scherben kam. Auch wenn ich wusste, dass mir der Anblick davon noch mehr Angst machen würde, konnte ich nicht wegschauen und sah einen Mann hervortreten, welcher viel Blut an sich hatte, mich mit einem beängstigten Blick anschaute und auf uns zuging. Dann aber viel er zu Boden, nachdem er einmal zusammenzuckte wie Jimin es auch getan hatte.

„Sie fangen an wild umher zu schießen, von wo auch immer, wir müssen sofort hier weg und am besten raus aus der Stadt oder irgendwohin, wo wir tief in einen Keller oder Schacht kommen", schlug der Mann vor und schaute zu mir. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und schaute mich mit einem ernsten Blick an, sodass ich ihm mit voller Aufmerksamkeit zuhören sollte.

„Lass mich ja nicht los, okay? Ich werde dich auch nicht loslassen, niemals, in einhundert Jahren nicht, also hör auf mich, nimm meine Hand und egal was passiert, lass sie niemals wieder los, okay?", sagte der Mann und hielt meine Hand fest im Griff, ich seine ebenso und dachte auch gar nicht erst daran, diesen Griff in geraumer Zeit zu lösen. Ich nickte und atmete einige Male tief ein und aus, versuchte mich damit zu beruhigen und nicht aus Angst direkt anzufangen zu weinen, obwohl mir wirklich danach war.

Dann schauten wir uns ein letztes Mal um, denn wir konnten auch nicht nach draußen, während geschossen wurde, denn dann war das Risiko zu groß, von einer Kugel getroffen zu werden. Dann hörte man die Schüsse nicht mehr, sodass der Mann anfing zu zählen, letztendlich dann auch drei liefen wir los, wir liefen und dann rannten wir, wir rannten um unser Leben.

Mehrmals stolperte ich fast, wäre dann auch unsanft zu Boden gefallen, hätte mich verletzt und uns damit in große Gefahr gebracht, weil wir es nicht hätten schaffen können, wenn ich wieder getragen werden müsse, ich konnte mich aber noch halten, was ich dem dunkelblond-haarigen Mann zu verdanken hatte, der meine Hand hielt und keinesfalls losließ, dann kurz auch ein wenig langsamer lief, für mich.

Hinter uns hörte ich dann auch schon das laute Geräusch der restlichen Fenster, die in Tausende, Abertausende kleine Splitter zerfielen, zu Boden landeten und teils sogar noch bis vor meinen Füßen landeten, obwohl wir schon ein ganzes Stückchen gerannt waren. Überall im uns herum befanden sich hohe Gebäude, die stark beschädigt waren und nun zu fallen drohten, auf uns herauf, weshalb wir nicht aufhörten zu rennen. Auch das Haus, in dem wir uns bis eben noch standen, war wohl nun nicht mehr da, denn es war das, welches am stärksten drohte einzustürzen, weshalb eine dichte Wolke aus Staub und überholte, machte es uns, wie vor drei Tagen im Café in Seoul, wirklich schwer zu atmen und verdeckte die Sicht, aber wir liefen trotzdem weiter, ließen einander nicht los, schauten nicht zurück, auch nicht zur Seite, nur nach vorn.

„Lauf schneller, wir können es jetzt nicht nachgeben. Wir haben es bald geschafft, ich verspreche!", hörte ich den jungen Mann zwischen den Geräuschen des zusammenfallenden Gebäudes hinter uns rufen, er verschnellerte sein Tempo damit auch. „Gib nicht auf, nicht jetzt!" Aber ich konnte nicht mehr, ich bekam kaum noch Luft, mein Herz raste und ich hatte nur noch wenig Kraft in meinem Körper, wenig bis kaum, somit auch keinen Antrieb, mit dem ich noch hätte laufen können. So wenig, dass ich es wirklich nicht mehr schaffte und meine Beine nachgaben, ich gab nach, ich gab auf.

„Geh ohne mich weiter, bring dich in Sicherheit!", versuchte ich den Mann davon zu überzeugen, mich hier einfach zurückzulassen, aber es gab keine Chance und er blieb hier bei mir, beugte sich zu mir herunter und zog mich fest an seine Arme, die Hand an meinem Hinterkopf und drückte meinen Kopf an seine Brust, wo ich seinen rasenden Puls wahrnahm, denn er hatte wohl genauso viel Angst wie ich, nur blieb er stark und ließ es sich nicht anmerken. Um uns herum hörten wir wieder die Schüsse, überall, aber sahen nichts, wollten nichts sehen, ich kniff die Augen zusammen.

Und so rettete er mir schon wieder in einer solch gefährlichen Situation das Leben. Er rette Meines, aber opferte dafür ein Anderes.

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life so changed ᵛᵏᵒᵒᵏ Where stories live. Discover now