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- 01. SEPTEMBER 1990 -

[Jungkook]

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Der Mann hielt mich noch in seinen Armen, drückte mich fest, während wir uns hier zwischen den Ruinen der Gebäude versteckten, welche zusammengebrochen waren. Die Situation war um weiten schlimmer als in Seoul, da hier die Fronten aufeinander trafen, dauerhaftes Schießen, viele Explosionen und auch Häuser, die in Flammen standen, verängstigte Menschen, die schreien umherliefen, manche von denen direkt erschossen und dann fallend, wie Objekte zu Boden, als wären sie vor wenigen Sekunden nicht noch lebendige Menschen gewesen, die ein so wunderschönes Leben vor sich hatten.

Wir hatten Glück, denn der Blondhaarige hatte uns eine gute Stelle gefunden, an denen wir durch dicken Beton vor den Schüssen in Sicherheit waren, gebombt war hier schon, als wurde das nicht mehr getan und somit sah ich auch wieder ein Licht am Ende des Tunnels, bis ein kleines Mädchen, maximal fünf Jahre alt, mit lautem Geschrei an eine Stelle zu sehen war, ganz allein und ohne jemanden an ihrer Seite stand sie dort einfach, verstand die Situation höchstwahrscheinlich nicht einmal, wusste nicht wohin oder was sie tun sollte, aber keiner half ihr. Die wenigen Leute, die hier waren, liefen einfach an diesem Kind vorbei und ließen es dort stehen, kümmerten sich nicht um sie und interessierten sich nicht um sie.

Er war aber nicht so. Der eigentlich fremde Mann zögerte nicht länger und machte sich sofort schon bereit, das Leben dieses kleinen Mädchen zu retten, vorher aber drehte er sich zu mir, während wir hier knieten, hinter dieser dicken Betonwand.

„Ich will, dass du mir zuhörst, ja?", sagte er und griff meine Hände. „Wir können das Mädchen nicht einfach so dort lassen, also werde ich versuchen sie zu retten. Komme was wolle, folge mir nicht, bleib hier, bis die Soldaten unseres Landes kommen und dich finden, vorher aber verlasst du diesen Ort nicht", sagte der Ältere, aber ich schüttelte hastig den Kopf, griff nach seinen Armen und wollte ihn nicht gehen lassen. Ich schaute immer wieder zwischen ihm und dem Mädchen hin und her, dachte dann daran, wie ich bereits die Schuld dafür trug, im Inneren, dass Jimin ermordet wurde und ich wusste, dass wenn dieses kleine Mädchen hier vor meinen Augen ihr Leben verlieren würde, ich nie mehr mit einem klaren gewissen lesben könnte.

So hielt ich den Größeren nicht länger auf, schaute ihn ein letztes Mal zumutend an, bevor er dann sicherging, ob auch niemand von den Feinden dort war, bevor er loslief. Dann konnte ich nicht mehr hinschauen, auch nicht hinhören, weshalb ich die Augen einfach zusammenkniff und die Ohren zu hielt, die ganze Zeit betete, obwohl ich nicht einmal gläubig war. Ich wollte einfach, dass er es überlebt, ihr das Leben rettet, aber sein eigenes nicht daran verliert.

Lange Zeit blieb ich also so dort, ich wusste nicht was passierte und ob überhaupt was passierte, aber irgendwann dachte ich mir, dass nach der bereits vergangenen Zeit der Mann eigentlich schon wieder zu mir zurückgekehrt sein, wieder hier bei mir sein müsste, an meiner Seite, dicht bei mir, nah an mir, um mich zu beschützen und mich nicht allein zu lassen, aber ich war noch immer völlig alleine hier, hielt weiterhin die Ohren zu, die Augen noch immer geschlossen und traute mich gar nicht zu schauen, was denn jetzt Sache war.

Bis der Boden wieder bebte. Ohne dass ich es wirklich kontrollieren konnte, musste ich nun hinhören, auf das Geschrei, welches mich umgab, die elendigen Schreie der Menschen um mich herum, die gerade starben, und ich sah auch, obwohl es bereits nachts und dunkel war, durch das Feuer überall in der Stadt, dass überall Leute lagen, aber ich sah sie nur wie schwarze Silhouetten, erkannte niemanden. Erkannte ihn nicht, sah ihn nicht und fand ihn nicht.

Auch wenn ich das nicht tun sollte, kam ich aus dem Versteck heraus, ich rannte einfach umher und suchte ihn, aber fand ihn nirgends, sah ihn nicht unter denjenigen, die rannten und auch nicht unter denjenigen, die hier auf dem Boden lagen, ob lebend oder bereits verstorben. Meine Augen füllten sich bereits mit Tränen und ich versuchte mich innerlich schonmal auf das Schlimmste einzustellen, vor allem als ich dann das kleine Mädchen sah, mit geschlossenen Augen am Boden liegend, ihr Leben viel zu früh genommen, sie hatte nicht einmal die Chance es auszukosten. Für einen Augenblick blieb mir der Atem weg, ich konnte einfach nicht und meine Brust zog sich zusammen, meine Beine funktionierten nicht wie sie sollten. Ich brach zusammen.

life so changed ᵛᵏᵒᵒᵏ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt