Prolog

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Die Nacht war lau, keine Wolke war zu sehen, kein noch so leichter Luftzug war zu spüren. Für Hyunjin war es die letzte Nacht in Australien, die letzte Nacht mit seinem neuen Freund. Er hatte Felix während der zwei Wochen, die er und seine Familie als Urlaub in Sydney verbracht hatten, kennengelernt und sich beinahe sofort mit ihm angefreundet. Dem voraus ging allerdings erst einmal eine hitzige Diskussion. Worum es nochmal genau gegangen war oder wie es überhaupt dazu gekommen war, konnte der Junge nicht mehr sagen. Es war ihm aber auch ziemlich egal, denn seine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Jungen neben sich. Sie hatten es sich auf dem Balkon, der zu Felix' Zimmer gehörte, gemütlich gemacht und beobachteten gemeinsam die Sterne, die hoch über ihren Köpfen leuchteten. Sie teilten sich eine Decke, die lose über ihren Schultern hing, und heißer Tee dampfte in den Tassen, die sie zwischen ihren Händen hielten. Hyunjin wusste, dass er sich vielleicht ein wenig merkwürdig verhielt, aber er konnte nicht anders, als Felix zu betrachten. Sie waren beide zehn Jahre alt, aber Felix sah doch jünger aus. Er hatte ein rundliches Gesicht und große dunkle Augen, was ihn unglaublich niedlich wirken ließ. Ein schon fast fasziniertes  Lächeln lag auf seinen Lippen, als er gebannt die Sterne betrachtete.

Hyunjin erwischte sich dabei, wie er begann, Felix mit dem Sternenhimmel zu vergleichen, als sein Blick auf die Sommersprossen seines Freundes fiel. Sie verteilten sich auf der kleinen Nase und den Wangen und sahen aus wie ein Sternbild. Schon fast wie in Trance hob der Ältere seine Hand, um diese zum Greifen nahen Sterne zu berühren.

"Ich werde dich vermissen, Hyunnie...."

Diese Worte, geflüstert in gebrochenem Koreanisch, ließen Hyunjin aufschrecken. Er blinzelte verdattert, zog dann aber schnell seine Hand zurück, nachdem er realisiert hatte, was er gerade tun wollte. Schließlich wanderte sein Blick wieder zu Felix. Der Jüngere hatte mittlerweile den Kopf gesenkt und schien auf seine Tasse zu starren. Ob dem wirklich so war, konnte Hyunjin nicht sagen, da Felix' schwarzes Haar den Blick auf dessen Augen versperrte. Die angespannte Körperhaltung des Jüngeren verriet jedoch, wie bedrückt er war.

Hyunjin presste seine Lippen aufeinander, dann rückte er näher an Felix heran und legte einen Arm um dessen schmale Schultern. "Ich werde dich auch vermissen, Lixie. Aber wir können uns doch auch schreiben. Und wir können auch telefonieren. Vielleicht können wir uns auch mal besuchen.", zählte der Ältere ein wenig hilflos auf, in der Hoffnung, seinen Freund trösten zu können. Er war noch nie sonderlich gut in sowas gewesen, aber jetzt versuchte er wirklich sein Bestes. Und es schien tatsächlich zu funktionieren, denn Felix hob seinen Kopf wieder und sah mit großen Augen an. "Meinst du, das geht? Ich meine, glaubst du, dass unsere Eltern das erlauben werden?", fragte der Jüngere ein wenig unsicher, was Hyunjin mit einem enthusiastischen Nicken beantwortete. "Ja klar, mache dir keine Sorgen!", sagte er mit einem breiten Grinsen. Und siehe da, auch Felix' Mundwinkel hoben sich wieder.

"Dann ist alles gut. Ich hatte nur Angst, dass wir uns nie wieder sehen."

"Wir werden uns wieder sehen! Und vorher werden wir jeden Tag telefonieren und ich werde dir jede Woche einen Brief schreiben. Das verspreche ich hoch und heilig!"

"Und wenn wir uns wiedersehen, beobachten wir dann wieder zusammen die Sterne?"

"So lange und so oft, wie du willst, Bokie."

Dieser ungeliebte Spitzname handelte Hyunjin einen doch recht festen Schlag gegen die Schulter ein. "Nenne mich nicht so, ich hasse das!", beschwerte sich Felix mit aufgeplusterten Wangen, während sich Hyunjin mit gespielt verletztem Blick über die Schulter rieb. "Du hast mich gerade schwer verletzt!", meckerte der Ältere.

"Du bist so eine Dramaqueen, Hyunjin!"

"Und du bist noch ein richtiger Babykoala, Felix!"

Die beiden starrten sich für einige Sekunden in die Augen, dann lachten sie auch schon los und beruhigten sich auch erst wieder, als ihre Bäuche zu schmerzen begannen. Noch immer kichernd, rieb sich Felix einige Lachtränen aus den Augen und lächelte Hyunjin dann an. "Wir werden jeden Tag telefonieren, uns jede Woche einen Brief schreiben, uns vielleicht besuchen und wenn wir uns wiedersehen, beobachten wir wieder zusammen die Sterne, so lange und so oft ich will.", fasste er schließlich nochmal zusammen, woraufhin Hyunjin nickte.

"Genau!"

"Pinky Promise?"

"Pinky Promise."

Hyunjin legte seinen kleinen Finger auf Felix', während sich die beiden Jungs anlächelten.

Und als am nächsten Tag das Flugzeug nach Korea startete, saß Hyunjin in seinem Sitz und sah auf seinen kleinen Finger, sich fest vornehmend, dieses Versprechen zu halten.

Doch das Schicksal hatte schon längst andere Pläne für die beiden.

Tbc.

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