Kapitel 6

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Hyunjin wusste nicht, ob er sich das antun sollte oder nicht doch lieber ganz heldenhaft die Flucht antreten sollte, als ein wild mit den Armen rudernder Jisung auf ihn zugestürmt kam. Die letzten zwei Tage hatte er zuhause verbracht und er musste zugeben, dass es ihm gut getan hatte. Außerdem hatte Minho ihn nicht mehr auf dieses vermaledeite Foto angesprochen, auch wenn der Blonde wusste, dass seinem Freund einige Fragen unter den Nägeln brannten, die er nur zu gerne gestellt hätte. Zum Glück war das nicht passiert. Hyunjin hatte jetzt auch ein anderes, viel größeres Problem. Und das hang sich an ihn wie ein überdimensionialer Klammeraffe.

"Jisung, lass mich los! Du erdrückst mich!", japste Hyunjin und versuchte verzweifelt, den Anderen von sich weg zu schieben. Doch ohne Erfolg. Dieses zu groß geratene Eichhörnchen sah ihn mit großen Augen an und holte tief Luft. Der Blonde geriet in Panik. Er wusste genau, was jetzt kommen würde.

"Hyunnniiiiiiiieeeeee, als Minho mich angerufen und mich gefragt hatte, ob ich deine Schicht übernehmen kann, habe ich gewusst, dass irgend etwas passiert sein muss. Du würdest niemals ohne Grund wieder nach Hause gehen.",plapperte Jisung da auch schon los, und es war Hyunjin schleierhaft, wie der Kerl so viel quatschen konnte ohne Luft zu holen und dabei nicht zu ersticken. Besagter Kerl sah ihn noch immer mit großen Augen an, dann hob er die Hand und tatschte dem Blonden direkt an die Nase. Dieser Idiot! Reflexartig drehte Hyunjin seinen Kopf weg und entkam somit Jisungs Grabschattacke. "Lass das! Das tut weh, du Trottel!", fauchte der Blonde, "Und könntest du die Güte haben, mich endlich los zu lassen? Du zerquetscht mich!" Oh, wie er es hasste, wenn ihn jemand unaufgefordert betatschte. Jisung zog daraufhin einen Schmollmund, ließ Hyunjin aber endlich los. "Entschuldigung, dass ich mir Sorgen gemacht habe.", murrte er. Hyunjin atmete erleichtert auf und sah seinen Freund an. "Das ist ja auch total süß von dir, aber dafür brauchst du mich nicht erdrücken oder meine Nase betatschen.", sagte der Blonde und lächelte versöhnlich. "Sorry, dass ich dich so angefahren habe. Dafür spendiere ich dir auch einen Drink. Egal was, dass darfst du dir aussuchen."

Jisung sah ihn noch einige Momente schweigend an und sah aus, als würde er überlegen, ob er das Angebot annehmen und damit einer Versöhnung zustimmen sollte oder ob er weiter schmollen und Hyunjin für qualvolle zehn Minuten ignorieren sollte. Schließlich schien wohl die Aussicht auf einen Gratisdrink doch verlockender gewesen zu sein, denn es erschien wieder ein breites Lächeln auf dem Gesicht des menschlichen Eichhörnchens und er nickte heftig mit dem Kopf, sodass ihm einige Strähnen seines hellbraunen Haares ins Gesicht fielen. "In Ordnung! Dann will ich einen Tequila Sunrise!", forderte er während er sich mit einigen schnellen Handgriffen das Haar wieder richtete. Noch eine Eigenschaft, um die Hyunjin seinen Kollegen beneidete. Jisung könnte irgendwo mitten im Wald stehen und würde es trotzdem noch schaffen, sich die Haare zu stylen oder mit einem Kajalstift seine Augen zu betonen. Und das ohne Spiegel! Er kannte niemanden, der das sonst hinkriegen würde. Außerdem stand Jisung öffentlich dazu, dass er schwul war. Diesen Mut hätte Hyunjin gerne mal.

"Einen Tequila Sunrise, kommt sofort, junge Dame.", witzelte der Blonde, während er sich seine Schürze umband und zum Shaker griff. Es tat gut, wieder im Club zu sein, er hatte es schmerzlich vermisst, auch wenn er nur zwei Tage nicht da gewesen war. Okay, anderthalb Tage, aber brauchte es ja nicht so genau nehmen.

Jisung ließ sich mit aufgeplusterten Wangen auf einen der Barhocker sinken. "Du siehst viel weiblicher aus als ich, also halte die Klappe! Du kannst froh sein, dass ich überhaupt hier bin, um dir ein wenig zu helfen. Mr Im meinte, da du derzeit ja nicht in ganz so guter Verfassung bist, soll ich dir ein bisschen unter die Arme greifen." Hyunjin verdrehte bei diesen Worten die Augen und seufzte genervt. Jetzt hielt ihn sein Chef auch noch für einen Schwächling, na ganz toll. Jisung hatte seine Reaktion wohl bemerkt, denn er lächelte ihn aufmunternd an."Na komm, jetzt sei nicht gleich genervt. Mr Im weiß, was er an dir hat, und macht sich einfach Sorgen um dich. So wie er sich um jeden seiner Angestellten sorgt." Er deutete mit einem unauffälligen Kopfnicken zu Minho, der gerade die Bestellung eines Gastes auf seinen kleinen Block aufschrieb."Um ihn sorgt sich unser Chefchen übrigens besonders. Aber pst, das hast du nicht von mir. Und sag Minho nichts davon.", sagte der Braunhaarige mit einem Augenzwinkern und legte verheißungsvoll den Zeigefinger auf seine Lippen.

Hyunjin musste daraufhin breit grinsen. Er hatte es schon geahnt, und jetzt wurde es von Jisung bestätigt. Der war nämlich gut mit Jaebums besten Freund Jinyoung befreundet, und der musste es ja am besten wissen. Wobei der Blonde sich sicher wahr, dass Jinyoung das nicht ganz freiwillig dem Braunhaarigen erzählt hatte. Jisung sah zwar harmlos aus und war eine hoffnungslose Quatschbacke, aber er wusste auch, wie er das bekam, was er wollte. Er brauchte nur die passenden Mittel dafür. Wenn Jisung gewollt hätte, hätte er garantiert die Weltherrschaft an sich reißen können, und keinen hätte es gestört.

Hyunjin füllte den Drink in ein Glas und reichte ihn an Jisung weiter. Dieser nahm einen Schluck und grinste zufrieden. "Du weißt echt, wie du jemanden süchtig machen kannst." Der Blonde zwinkerte ihn daraufhin zu. "So soll es ja auch sein, oder?"

In dem Moment gesellten sich drei junge Männer zu ihnen an die Bar und ließen sich auf die Hocker nieder. Hyunjin wandte sich den neuen Gästen zu und wollte sie nach ihrer Bestellung fragen, doch als er sah, wer da saß, blieben ihm die Worte im Hals stecken. Zwei der drei Neuankömmlinge stellten sich als Chris und Felix heraus, den dritten kannte Hyunjin nicht. Aber er wirkte sehr vertraut mit dem Paar, es musste also ein guter Freund von ihnen sein. Sie waren gerade in ein Gespräch vertieft, und der Blonde wollte die Gunst der Stunde schon nutzen und sich mit der Ausrede, auf Klo zu müssen, aus der Affäre ziehen. Leider hatte er da die Rechnung ohne Jisung gemacht.

"Hyunjin, willst du die Jungs nur anstarren oder auch bedienen?", fragte er lachend und fand es wohl ziemlich witzig, dass Angesprochener vor Scham rote Wangen bekam. Das würde Jisung noch bereuen... Dafür wird er bluten , dass nahm sich Hyunjin fest vor. Seinen schönen Fluchtplan konnte er aufjedenfall vergessen, denn Jisung hatte mit seiner Aussage die Aufmerksamkeit der Männer auf sich und damit auch auf Hyunjin gezogen. Der Blonde fand es faszinierend, wie sehr sich die Reaktionen der drei voneinander unterschieden.

Chris' Gesicht verdunkelte sich augenblicklich, als er Hyunjin sah. Felix grinste ihn triumphierend an, er hatte wohl seine bandagierte Nase gesehen, und der mysteriöse Dritte im Bunde lächelte freundlich. Er war es auch, der das Wort ergriff. "Ah, Sorry, wir sollten wohl besser bestellen. Dreimal einen Batida de Coco, bitte." Hyunjin hatte sich in der Zwischenzeit dazu entschlossen, professionell zu bleiben, und nickte mit einem Lächeln. "Dreimal einen Batida de Coco für die drei Herren.", sagte er und machte sich an die Arbeit. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Jisung Chris förmlich mit seinem Atomlächeln verstrahlte.

Vergiss es, Alter, der ist vergeben.

Hyunjin schüttelte kaum merklich den Kopf über die Naivität seines Freundes. Aber als er sich wieder umdrehte, um seinen Gästen ihre Drinks zu servieren, stellte Hyunjin überrascht fest, dass Jisung es tatsächlich geschafft hatte, Chris in ein Gespräch zu verwickeln.

Warum wundert mich das überhaupt noch? Dieser Idiot kriegt doch irgendwie immer alles, was er will.

Aber das konnte ihm ja egal sein. Deswegen mischte er sich auch nicht in das Gespräch ein und stellte die Gläser auf den Tresen. "Eure Bestellung, lasst es euch schmecken.", lächelte er Felix und den Fremden an. Letzterer erwiderte das Lächeln. "Das ging fix." Er griff sich eins der Gläser und trank einen Schluck. "Und es schmeckt fantastisch!", rief er begeistert. "Wie heißt du, Mr Barkeeper?" Hyunjin musste leicht über den Ausbruch des jungen Mannes grinsen, dann legte er leicht seinen Kopf schief. "Ich bin Hyunjin." "Freut mich, dich kennenzulernen. Ich heiße übrigens Changbin.", stellte sich der Fremde schließlich vor. Nun konnte Hyunjin auch diesem Gesicht einen Namen zuordnen

In dem Moment spürte der Blonde, das er beobachtet wurde und sah zur Seite. So konnte er gerade noch sehen, wie Felix seinen Blick schnell abwandte und Changbin hastig in ein Gespräch verwickelte. Hyunjin hätte schwören können, dass er für den Bruchteil einer Sekunde Sorge in den Augen des Australiers gesehen hatte. Wie aufs Stichwort griff Felix nach seinem Glas und trank einen Schluck, dann verzog er dermaßen das Gesicht, als hätte er etwas unglaublich ekelhaftes getrunken. Wahrscheinlich hatte sich Hyunjin die Sorge in Felix' Augen doch nur eingebildet, denn dieser beschwerte sich jetzt bei Changbin über sein Getränk. Changbin schien jedoch nicht zu verstehen, wo das Problem seines Freundes lag, denn kurz darauf hatte Felix beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt. Hyunjin drehte sich von der Szenerie weg und machte sich daran, die nächsten Gäste zu bedienen. Es ging ihn schließlich nichts an, was die beiden da redeten.

Tbc

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