Kapitel 4

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Es war schon dunkel, als Hyunjin die Bar wieder verließ. War er wirklich so lange auf der Arbeit gewesen? Es war ihm garnicht so vor gekommen. Er seufzte und sah nach oben in den Nachthimmel. Wann hatte er das letzte Mal zu den Sternen aufgeschaut? Wann hatte er diese Schönheit das letzte Mal wirklich wahrgenommen? Das war wohl in Sydney gewesen, auf diesem kleinen Balkon, eingekuschelt in eine Decke und mit einer heißen Tasse Tee zwischen den Händen. Der Blonde seufzte leise und presste dann die Lippen zusammen. Wann war er bitte so rührselig geworden? Das war doch lächerlich! Das war absolut nicht er! Hyunjin schüttelte den Kopf und atmete einmal tief durch. Felix war nun also in Korea. Schön für ihn! Hyunjin interessierte es jedenfalls kein Stück, was den Australier nach Asien verschlagen hatte. Oder wer genau dieser Typ war. Oder was Felix gerade machte. Oder in welches Hotel er wohl eingeche..... Genug jetzt!

Sich krampfhaft dazu zwingend, keinen Gedanken mehr an den Jüngeren zu verschwenden, marschierte Hyunjin los. Es war schon unvorteilhaft genug gewesen, wie sich Felix' plötzliches Auftauchen auf Hyunjins Verhalten ausgewirkt hatte -Jaebum musste jetzt sonstwas von ihm denken! -, dank dem Kerl fehlten dem Blonden jetzt zwei Arbeitstage, was weniger Lohn bedeutete. Und soviel Lohn bekam Hyunjin auch nicht, dass er sich unbedingt Fehltage leisten konnte. Also nein, er wollte keinen Gedanken mehr an Felix verschwenden.

Hyunjin war so damit beschäftigt, nicht an Felix zu denken, dass er nicht mehr auf seine Umgebung achtete und in den erstbesten Passanten lief, der seinen Weg kreuzte. Der Blonde stolperte zurück und fluchte leise. Heute war eindeutig nicht sein Tag. Er sah auf und wollte sich schon entschuldigen, als er erkannte, mit wem er zusammen gestoßen war. Und er musste sich korrigieren, der Kerl war sogar noch ein Stück größer als er. Nicht viel, aber er war es.

Besagter Kerl sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an und schien wohl auf eine Entschuldigung oder zumindest eine Erklärung zu warten. Der Blonde seufzte resigniert und lächelte dann gespielt. "I need to apologize, I was in hurry and didn't focused on the way.", sagte er schließlich und verbeugte sich leicht.

"Wenigstens hast du noch ein wenig Anstand."

Diese tiefe Stimme, dieser außergewöhnliche Akzent, das gebrochene Koreanisch... Hyunjin sah hastig auf, nur um in Felix' Augen zu blicken. Dieser hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn an. Abschätzend. Wie Hyunjin diesen Blick hasste...."Nun, es war ja auch meine Schuld, oder?", antwortete er schließlich und richtete sich wieder gänzlich auf. Er überragte den Jüngeren um gut einen Kopf. Genauso wie früher. Einiges schien sich wohl nie zu ändern.

Felix hatte seinen Blick nicht von dem Blonden abgewandt und schien auch nicht sonderlich beeindruckt davon zu sein, dass er immer noch der Kleinere von ihnen war. Hyunjin erwiderte den Blick schweigend, dann rieb er sich peinlich berührt den Nacken. "Hör zu.... Wegen damals....", setzte er an, wurde aber sofort von Felix unterbrochen. "Spar dir deine Erklärungen. Ich will sie nicht hören. Um genau zu sein, will ich überhaupt nichts von dir hören geschweige denn sehen. Das wir uns in dieser dreckigen Spelunke begegnet sind, war ein verdammter Zufall, auf den ich gerne verzichtet hätte.", sagte der Jüngere mit ruhiger Stimme, aber diese Worte klangen so endgültig, dass Hyunjin schlucken musste. Seine Augen begannen zu brennen, aber er würde Felix jetzt nicht die Genugtuung geben und vor ihm in Tränen  ausbrechen. Er war stark, er stand darüber.

Der Blonde sah Felix an und nickte langsam. "Fein, wie du willst. Dann will ich dich und deinen.... Keine Ahnung was nicht weiter aufhalten.", erwiderte Hyunjin schließlich und war stolz auf sich, dass er geschafft hatte, seine Stimme so weit unter Kontrolle zu halten, dass sie nicht zitterte.

Der Jüngere schmunzelte etwas, dann nahm er die Hand des anderen Jungen, der die ganze Zeit über still neben ihnen gestanden hatte. Wahrscheinlich hatte er kein Wort verstanden und Hyunjin war das auch mehr als recht. Es war Felix, der wieder das Wort ergriff. "Stimmt, du kennst Chris ja noch nicht. Er ist mein Freund. Mein fester Freund. Du siehst also, ich brauche dich nicht in meinem Leben, ich habe ihn und genug andere Freunde, die sich - Oh Wunder! - an Abmachungen halten und ihre Versprechen nicht brechen. Also dann, ich wünsche dir noch ein schönes Leben, Hyunnie." Mit diesen Worten zog Felix Chris mit sich, und Hyunjin konnte garnicht anders, als ihnen nachzuschauen, bis sie gänzlich aus seinem Blickfeld verschwunden waren.

Dann wollte auch er seinen Weg fortsetzen, aber seine Beine schienen ihm nicht mehr zu gehorchen. Er blieb wie versteinert an Ort und Stelle stehen, während er versuchte, zu verstehen, was gerade passiert war. Felix' Worte schallten wie ein Mantra durch seinen Kopf, immer und immer wieder. Der Australier gab also wirklich ihm die Schuld und war sich auch nicht zu schade, das direkt zu zeigen. Er hatte noch nicht einmal versucht, ein Gespräch zu führen. Er hatte Hyunjin noch nicht einmal erklären lassen.

Der Blonde spürte, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Er versuchte krampfhaft, ihn runter zu schlucken, aber es wollte ihm nicht gelingen. Seine Sicht verschwamm, er blinzelte leicht und schon kullerten die ersten Tränen über seine Wangen. Hyunjin biss sich auf die Unterlippe und wischte trotzig mit dem Ärmel seiner Jacke über sein Gesicht. Er wollte jetzt nicht heulen ! Schon garnicht wegen einer Person, mit der er schon vor Jahren abgeschlossen hatte!

Sich regelrecht dazu zwingend, setzte Hyunjin schließlich seinen Weg nach Hause fort und verbot sich in jeder Form, noch einmal zu weinen geschweige denn einen Gedanken an den Australier zu verschwenden. Vorhin war ihm dies noch schwer gefallen, aber der Vorfall gerade eben sollte doch wohl Grund genug sein, um dieses Vorhaben entgültig in die Tat umzusetzen.

Doch sehr weit kam Hyunjin nicht, als sich plötzlich eine Gestalt vor ihm aufbaute. Der Blonde brauchte nicht lange, um sie zu erkennen und widerstand nur schwer dem Drang, nicht die Augen zu verdrehen. Doch bevor er fragen konnte, was Chris von ihm wollte, hatte dieser ihn auch schon am Kragen gepackt. "He has told me all. It's your damn fault he suffered for so long!" Hyunjin blinzelte verwirrt und versuchte, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. Er verstand beim besten Willen nicht, was er von ihm wollte. Aber Hyunjin hatte auch keine Gelegenheit mehr, nachzuharken. Chris holte aus und schlug ihm seine Faust ins Gesicht. Hyunjin japste erschrocken auf und fiel zu Boden. Er starrte mit großen Augen den Mann vor sich an und presste sich den Jackenärmel auf seine blutende Nase. Chris schäumte förmlich vor Wut, dass zeigten sein verzerrtes Gesicht und seine zitternden Fäuste. Doch er schien sich noch soweit unter Kontrolle zu halten, da er Hyunjin nicht krankhausreif geprügelt hatte. "Stay away from him or I will kill you." Mit diesen Worten verschwand Chris wieder und ließ Hyunjin zurück, auf dem Boden hockend und mit gebrochener Nase.

Tbc.

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